Lambrecht: Antisemitische Straftaten «mit aller Konsequenz» verfolgen
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) fordert nach dem Angriff auf eine Synagoge in Halle ein stringentes Vorgehen von Sicherheits- und Justizbehörden.
Das Wichtigste in Kürze
- Kramp-Karrenbauer nennt AfD «politischen Arm des Rechtsradikalismus».
«Antisemitische Straftaten müssen mit aller Konsequenz verfolgt werden», sagte sie der «Welt am Sonntag». Mehrere Politiker wiesen der AfD eine Mitverantwortung für rechtsextremistische Straftaten wie in Halle zu. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bezeichnete die Partei als «politischen Arm des Rechtsradikalismus».
Lambrecht sagte, die Strafgesetze für eine konsequente Ahndung antisemitischer Kriminalität seien vorhanden. «Sie müssen aber auch konsequent angewandt werden.» Die Ministerin hob als positives Beispiel Bayern hervor. Dort habe sich die Staatsanwaltschaft «auf die Fahne geschrieben, dass es bei antisemitischen Straftaten grundsätzlich keine Verfahrenseinstellungen wegen Geringfügigkeit oder geringer Schuld gibt».
Die Zunahme antisemitischer Taten erfülle sie «mit grosser Sorge», sagte Lambrecht. «Der Terroranschlag in Halle ist dabei nur der traurige Tiefpunkt einer langen Entwicklung.»
In Halle hatte ein bewaffneter Mann am Mittwoch während der Feierlichkeiten zum jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht, in die Synagoge einzudringen. Nachdem ihm dies nicht gelang, erschoss er den Ermittlungen zufolge auf offener Strasse zwei Menschen und verletzte zwei weitere schwer. Der 27-Jährige sitzt in Untersuchungshaft und hat die Tat gestanden.
Das Bundeskriminalamt (BKA) warnte laut einem Medienbericht bereits vor einem Jahr vor einem solchen Anschlag. Laut einer internen Lageeinschätzung vom Juni 2018 gebe es in Deutschland eine hohe Gefährdungslage, wonach «jederzeit» mit einem Anschlag eines selbstradikalisierten Einzeltäters zu rechnen sei, berichtete die «Bild am Sonntag». Auch der Verfassungsschutz wies demnach in den vergangenen zwei Jahren auf die Gefahr eines rechtsradikalen Anschlags hin.
Politiker verschiedener Parteien griffen am Wochenende die AfD scharf an. Diese im Bundestag sitzende Partei sei «der politische Arm des Rechtsradikalismus», sagte CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Saarbrücken.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. «Die AfD beschreitet einen Weg, der geradezu Nährboden ist für rechtsradikale Umtriebe», begründete er dies in der «Passauer Neuen Presse».
Ähnlich äusserte sich Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) im Sender NDR Info ebenfalls. Sie nannte die AfD einen «Brandbeschleuniger». Es gebe derzeit «eine systematische Entgrenzung von Sprache. Und zuerst kommt das Sagbare, dann kommt das Machbare.»
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte der «Bild am Sonntag» mit Blick auf Halle, die AfD sei «mitverantwortlich für die gesellschaftliche Entwicklung, die zu dieser Tat führte». Manche Funktionäre der Partei bereiteten «sogar sehr gezielt» den Boden für solche Angriffe.
Laut einer Forsa-Umfrage für die Sender RTL und n-tv sehen auch viele Bürger hier einen Zusammenhang. 90 Prozent der Befragten ohne AfD-Präferenz stimmten der Aussage zu, dass die Partei «durch ihr Auftreten und ihre Wortwahl rechtsextremen Gewalttaten einen geistigen Nährboden bereitet».
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, forderte nach dem Anschlag von Halle «einheitliche Sicherheitsstandards für jüdische Einrichtungen». Ausserdem bräuchten die Sicherheitsbehörden «Kenntnisse über jüdische Bräuche und Feiertage, um entsprechend vorbereitet zu sein», sagte er dem «Mannheimer Morgen».