Sorge vor Unregelmässigkeiten bei Wahlen in Belarus nimmt zu
Das Wichtigste in Kürze
- Maas fordert faire Wahlen - Putin will «Stabilität» im Nachbarland.
Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) und seine Kollegen aus Frankreich und Polen forderten am Freitag nachdrücklich einen «freien und gerechten» Wahlgang. Russlands Präsident Wladimir Putin sprach sich für Stabilität im Nachbarland aus. Der dort autoritär regierende Staatschef Alexander Lukaschenko steht derzeit so stark unter Druck wie schon lange nicht mehr.
Die derzeitigen Entwicklungen in Belarus gäben Anlass zu «grosser Sorge», schrieben Maas und seine Amtskollegen Jean-Yves Le Drian und Jacek Czaputowicz in einer gemeinsamen Erklärung. Das Recht der «belarussischen Bevölkerung, ihre Grundfreiheiten auszuüben, darunter das Wahlrecht», müsse garantiert werden.
Die Minister zeigten sich unter anderem besorgt darüber, dass keine europäischen Wahlbeobachter zu dem am Sonntag anstehenden Urnengang zugelassen wurden. Eine «unabhängige Beobachtung durch lokale Wahlbeobachter» sei für eine faire Wahl jedoch unerlässlich. Es habe bereits «beunruhigende Berichte über Unregelmässigkeiten bei der vorzeitigen Stimmabgabe» gegeben, die am Dienstag begonnen hatte.
Der mit harter Hand regierende Lukaschenko kandidiert für eine sechste Amtszeit, er ist bereits seit zweieinhalb Jahrzehnten an der Macht. Beobachter rechneten zwar mit einem klaren Sieg des Amtsinhabers - schon die vergangenen vier Wahlen wurden wegen Betrugs und Einschüchterungen von unabhängigen Wahlbeobachtern nicht anerkannt. Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja hat dennoch in den vergangenen Wochen massiv an Zustimmung gewonnen. Tausende Menschen nahmen an ihren Wahlkampfveranstaltungen teil.
Dabei gehen die belarussischen Behörden seit längerem massiv gegen die Opposition vor. Mehrere Kandidaten wurden von der Wahl ausgeschlossen oder sitzen im Gefängnis. Die Sicherheitskräfte lösten Demonstrationen auf und nahmen Protestierende fest. Maas und seine Kollegen aus Frankreich und Polen riefen vor diesem Hintergrund zur Freilassung «aller aus politischen Gründen Inhaftierten» auf und warnten vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen.
Auch das Verhältnis Lukaschenkos zum engsten Verbündeten Russland schien zuletzt angeknackst. Belarussische Sicherheitskräfte nahmen vergangene Woche 33 Russen fest - angeblich Söldner der kremlnahen Gruppe Wagner, die für Unruhe sorgen sollten. Zuvor hatte Lukaschenko bereits zu Militärübungen an der russischen Grenze aufgerufen.
Moskau forderte zwar die Freilassung seiner Staatsbürger, reagierte ansonsten aber zurückhaltend. Russland habe ein «Interesse an der Aufrechterhaltung einer stabilen innenpolitischen Situation in Belarus und der Durchführung der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in einer ruhigen Atmosphäre», erklärte der Kreml nach einem Telefongespräch zwischen Putin und Lukaschenko am Freitag.
Derweil gab die Regierung in Minsk bekannt, erstmals ein neues Atomkraftwerk mit Brennstoff befüllt zu haben - damit sei es physisch bereit für die Energieproduktion. Ein «Durchbruch in die Zukunft» für das stark von russischem Erdgas abhängige Land, erklärte die Regierung. Allerdings wurde auch das Kernkraftwerk von der staatlichen russischen Atombehörde gebaut und mehrheitlich mit russischen Darlehen finanziert.
Das Nachbarland Litauen beklagte die Eile, die Minsk nun beim Bau des Kraftwerks an den Tag gelegt habe. Der litauische Präsident Gitanas Nauseda sprach am Freitag von einer «Bedrohung für die nationale Sicherheit, die öffentliche Gesundheit und die Umwelt unseres Staates».