Macron und Merkel räumen Differenzen ein
Einen Monat vor der Europawahl haben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Differenzen in zentralen Fragen eingeräumt.
Das Wichtigste in Kürze
- Sprecherin in Berlin sieht «gelegentliche Meinungsverschiedenheiten».
Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte am Freitag in Berlin, es gebe «gelegentliche Meinungsverschiedenheiten». Macron sprach von «Unstimmigkeiten» mit Merkel unter anderem beim Brexit und der Wirtschaftspolitik.
Macron hatte am Donnerstagabend bei einer Pressekonferenz zu den Sozialprotesten in Frankreich gesagt, er sei mit Merkel bei zentralen Fragen wie dem Brexit, der Klimapolitik und der internationalen Wirtschaftspolitik nicht auf einer Linie.
«Macron versteckt seine Ungeduld gegenüber Deutschland nicht mehr», sagte Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin der Nachrichtenagentur AFP. Ein französischer Diplomat sprach von einer «Enttäuschung über Deutschland» in Paris.
Die Differenzen zwischen dem französischen Präsidenten und der Kanzlerin waren zuletzt beim EU-Sondergipfel am 10. April zutage getreten. Während Merkel einen längeren Brexit-Aufschub befürwortete, sprach sich Macron dagegen aus.
Macron rügte bei seinem Pariser Auftritt nun auch das «deutsche Wachstumsmodell», das «stark von dem Ungleichgewicht in der Eurozone profitiert» habe. Es sei «das Gegenteil des Sozialmodells», das er für Europa anstrebe, betonte der 41-jährige Staatschef. Macron fordert unter anderem einen europaweiten Mindestlohn, was bei den deutschen Unionsparteien aber auf Ablehnung stösst.
Macrons EU-Reformvorschläge rührten an «Tabus der deutschen politischen Kultur», sagte der Deutschlandexperte des Instituts für Internationale und Strategische Beziehungen (Iris) in Paris, Rémi Bourgeot. Dies gelte insbesondere für seinen Vorstoss eines milliardenschweren Investitionsbudgets für die Eurozone, das in Berlin Befürchtungen vor einer Transferunion geweckt habe.
Die Harmonie zwischen Merkel und Macron sei verpufft, sagte Bourgeot. Zuletzt hätten die beiden Politiker sie bei den Feierlichkeiten zu hundert Jahren Ende des Ersten Weltkriegs in Paris im November und bei der Unterzeichnung des Aachener Freundschaftsvertrags demonstriert.
Bei der Europawahl stünden Merkel und Macron nun aber in «politischer Konkurrenz» zueinander, sagte Demesmay. Sie wollten der Öffentlichkeit ihren jeweiligen Kurs verdeutlichen. Macron strebt nach der EU-Wahl am 26. Mai ein neues Bündnis der Mitte in Europa an. Es könnte die dominierende Stellung der Europäischen Volkspartei (EVP) gefährden, der die deutschen Unionsparteien angehören.
Die Bundesregierung sieht das Verhältnis zwischen Merkel und Macron jedoch nicht grundsätzlich belastet. Differenzen seien «normal und notwendig», sagte Vize-Regierungssprecherin Demmer. Bisher habe am Ende «immer ein Kompromiss und eine gemeinsame Position» gestanden. Auch Macron sprach von «fruchtbaren Konfrontationen» mit dem Willen zur Einigung.