Müller: Griechische Flüchtlingslager sind «Schande» für Europa
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wirft Europa Untätigkeit in Bezug auf die Zustände in griechischen Flüchtlingslagern vor.
Das Wichtigste in Kürze
- Entwicklungsminister fordert Hilfe für alle Betroffenen.
«Wir müssen allen Menschen in den Lagern helfen», sagte er der «Rheinischen Post» vom Dienstag. «Ich empfinde es als Schande, welche Zustände mitten in Europa akzeptiert werden.»
Die Aufnahme einiger Flüchtlingskinder aus den Lagern, unter anderem in Deutschland, hält Müller für nicht ausreichend. «Mit der Evakuierung der Kinder ist das Problem ja nicht gelöst.» Er habe das Lager Moria besucht und selbst gesehen, «wie 20.000 Menschen zusammengepfercht in einem Lager leben, das für 3000 geplant war». Nötig seien stattdessen kleinere Einheiten mit menschenwürdigen Bedingungen nach UN-Standards.
In Deutschland waren Mitte April die ersten 47 Kinder und Jugendlichen aus mehreren Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln eingetroffen. Weitere sollen folgen - wann, ist aber unklar. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte der «Rheinischen Post», Berlin erwarte, «dass auch die anderen europäischen Staaten ihre Zusagen einlösen. Vorher wird Deutschland keine weiteren Aufnahmen aus Griechenland durchführen.»
Frei warnte zudem allgemein davor, eine zu grosse Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Es dürfe nur «um die absoluten Härtefälle gehen». Alles andere würde die Aufnahmebereitschaft schwächen. «Zudem würden unterschiedslose Aufnahmen neue Migrationsanreize setzen», warnte Frei.
Lob erhielt Müller von Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. «Manchmal habe ich den Eindruck, Entwicklungsminister Müller ist gar nicht Teil der Bundesregierung, weil er immer wieder richtige Sachen sagt», gab sie allerdings zu bedenken. Auch reichten Worte allein nicht aus.
«Ich erwarte von Herrn Müller, dass er zu seinem Parteifreund Horst Seehofer geht und ihn als Innenminister auffordert, sehr schnell dafür zu sorgen, dass insbesondere Kinder, Jugendliche, Familien und Kranke aufgenommen werden», sagte Göring-Eckardt mit Blick auf die Lager in Griechenland. «Nur ein paar wenige Menschen unter grosser Aufmerksamkeit zu retten, kann nicht unserem Massstab von humanitärer Politik in Deutschland entsprechen», kritisierte auch sie die bisherige Aufnahme von Kindern und Jugendlichen durch Deutschland als völlig unzureichend.
Insgesamt hatten sich zehn EU-Mitgliedstaaten bereit erklärt, rund 1600 unbegleitete Minderjährige von den griechischen Inseln aufzunehmen. Davon sollen etwa 350 nach Deutschland kommen.
Damit bleibe Deutschland weit unter seinen Aufnahmemöglichkeiten, kritisierte die Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf. Allein die Organisation selbst könne bundesweit kurzfristig 50 bis 100 Unterbringungsplätze zur Verfügung stellen und bei Bedarf weitere Kapazitäten schaffen, sagte eine Sprecherin der Zeitung.