Nach Giuseppe Contes Rücktritt: EU-Sorgenkind Italien droht monatelanges Chaos
Das Wichtigste in Kürze
- Seit dem Rücktritt von Matteo Renzi als Ministerpräsident kämpft Italien um eine neue Regierung.
- Nun ist auch Giuseppe Conte von Fünf-Sterne und Lega bei der Regierungsbildung gescheitert.
- Erneut wird ein Technokrat übergangsmässig mit der Regierungsbildung beauftragt.
- Verliererin der italienischen Misere ist auch die Europäische Union.
Italien versinkt erneut im Polit-Chaos: Nachdem Staatspräsident Sergio Mattarella für die Nominierung von Paolo Savona als Finanzminister sein Veto eingelegt hat, ist Giuseppe Conte frustriert von seinem Amt als designierter Ministerpräsident zurückgetreten. Damit ist die Populisten-Allianz der europakritischen Parteien Fünf-Sterne und Lega vorerst gescheitert.
Als stärkste Partei konnten die Sterne mit Koalitionspartner Lega letzte Woche ihren Wunschkandidaten als Regierungschef nominieren. Giuseppe Conte wurde daraufhin von Staatspräsident Mattarella beauftragt, die Regierung zu bilden. Für Koalitionspartner Lega war klar: In diese Regierung muss das Finanzministerium durch den Euro- und Deutschlandkritiker Paolo Savona besetzt werden. Für Sergio Mattarella eine unmögliche Personalie.
Nach dem Scheitern der Regierungsbildung Giuseppe Contes hat nun Mattarella einen Technokraten mit der Bildung einer Regierung beauftragt: Wirtschaftsexperte Carlo Cottarelli soll Italien aus der Krise führen. Der ehemalige Direktor beim Internationalen Währungsfonds soll das Land, bis es zu Neuwahlen kommt, mit einer Expertenregierung lenken.
Opposition gegen Technokratenregierung
Kein Wunder sind die beiden Parteien Sterne und Lega nun wütend auf den Staatspräsidenten. Sie kündigten ihre Opposition gegen eine «Technokratenregierung» an. Und Sterne-Parteivorsitzende Luigi Di Maio verlangte gar die Amtsenthebung von Mattarella.
Lega-Chef Matteo Salvini lehnte dies vorerst noch ab: «Wir müssen ruhig bleiben», sagte Salvini in einem Interview am Montag. «Einige Dinge sollte man nicht tun, wenn man wütend ist.»
EU als Verlierer
Ein Verlierer der italienischen Misere stand zum Vornherein bereits fest: die Europäische Union. Hätte Mattarella bei der Personalie Paolo Savona nicht sein Veto eingelegt, hätte sich die EU mit einem EU-kritischen, italienischen Finanzminister befassen müssen. Nun aber herrscht im EU-Sorgenkind Italien erneut monatelanges Chaos. Neuwahlen wird es wohl frühestens im Oktober geben.
Lega und Sterne hingegen sind nun lachende Dritte: Obwohl sie bei der Regierungsbildung aussen vor gelassen werden, sorgen sie beim gemeinsamen Feindbild EU erneut für Bauchschmerzen. Und wahrscheinlich ist auch, dass sie bei Neuwahlen noch mehr Wähleranteile gewinnen werden.
Verfassungsreform
Ursprung der italienischen Misere ist jedoch nicht die unheilig anmutende Koalition der eher linksgerichteten Fünf-Sterne mit der rechtspopulistischen Lega, sondern das Scheitern des Verfassungsreferendums im Dezember 2016. Die Reform hatte vorgesehen, den italienischen Senat zu entmachten und das ewige Hin und Her zwischen den beiden gleich starken Kammern aufzuheben. Die Regierung hätte dann endlich wichtige Reformen angehen können.
In vielen politischen Kreisen war schon damals klar: Damit Italien endlich vom Fleck kommt, ist eine Verfassungsreform nötig. Doch die Brechstangentaktik des damaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi sorgte im Land für Unmut. Er hatte seinen Posten als Regierungschef an das Verfassungsreferendum gekoppelt.
Bei der Volksbefragung stimmten wohl viele Italiener gegen das Referendum, einfach weil sie Renzi loswerden wollten. Italien wählte schon damals den Stillstand.