Der türkische Präsident trifft heute Donnerstag in Berlin ein. Sein Ziel ist die Normalisierung der deutsch-türkischen Beziehungen – leichter gesagt als getan.
Die Flaggen der Bundesrepublik Deutschland, der Türkei und Europas wehen vor dem Brandenburger Tor im Wind.
Die Flaggen der Bundesrepublik Deutschland, der Türkei und Europas wehen vor dem Brandenburger Tor im Wind. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Der türkische Präsident Erdogan will die Beziehung zu Deutschland normalisieren.
  • Proteste von Bürger und Politiker hindern Erdogans Pläne.
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Bei seinem ersten Staatsbesuch in Deutschland will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan für einen Neustart der Beziehungen beider Länder werben. In einem Artikel für die «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» forderte er heute Donnerstag eine Partnerschaft auf Augenhöhe: «Wir sind verpflichtet, unsere Beziehungen auf Basis beiderseitiger Interessen und fern von irrationalen Befürchtungen vernunftorientiert fortzuführen.»

Erdogan wird heute Donnerstagmittag in Berlin erwartet und zunächst hinter verschlossenen Türen mit Vertretern türkischer Organisationen sprechen. Den Entscheid über die Vergabe der Fussball-Europameisterschaft 2024, um die Deutschland und die Türkei konkurrieren, wird er voraussichtlich von Deutschland aus verfolgen.

Aussenpolitisch spricht sich Erdogan in seinem Zeitungsbeitrag für einen «Schulterschluss» der Türkei und Deutschlands gegen die auf Abschottung und Strafzölle setzende Handelspolitik der USA aus. Eindringlich warnt er vor einem weiteren Erstarken des Rechtsextremismus und der Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa: «Zuweilen stellt Islamfeindlichkeit gleichzeitig die grösste Hürde bei den Beitrittsverhandlungen der Türkei zur EU dar.»

Boykott des Staatsbanketts

Das offizielle Programm beginnt dann am Freitagmorgen. Der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier empfängt Erdogan mit militärischen Ehren. Später gibt es ein Arbeitsmittagessen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und abends ein Staatsbankett im Schloss Bellevue. Der Besuch wird von zahlreichen Demonstrationen begleitet.

Die Grünen forderten Merkel auf, «eine klare Sprache» mit Erdogan zu sprechen. Die Türkei habe es sich mit sämtlichen Partnern verscherzt und stehe auch wirtschaftlich unter Druck. «Das muss die deutsche Regierung nutzen, um Erdogan einen Kurswechsel in Sachen Presse- und Meinungsfreiheit, Krieg gegen Kurden und auch bei der Bespitzelung von Türkeistämmigen durch türkische Imame in Deutschland abzuringen», sagte Fraktionschef Anton Hofreiter.

Erdogan hat Deutschland als Ministerpräsident und Staatschef bereits mehr als ein Dutzend Mal besucht. Jetzt kommt er erstmals zu einem Staatsbesuch mit allen protokollarischen Ehren.

Für Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht ist eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschland und Türkei nicht absehbar. «Eine Normalisierung kann es nur geben, wenn sich die Verhältnisse in der Türkei normalisieren», sagte sie. Wagenknecht boykottiert wie auch Politiker aus allen anderen Oppositionsparteien das Staatsbankett im Schloss Bellevue. «Mit einem solchen Mann sollte man nicht feierlich dinieren», sagte Wagenknecht.

Gemeinsame Interessen

Der frühere SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz findet das richtig. «Erdogan ist das Staatsoberhaupt eines befreundeten Landes», sagte der ehemalige Präsident des Europaparlaments dem «Kölner Stadt-Anzeiger» von heute Donnerstag. Er selbst habe Erdogan sowohl öffentlich als auch im persönlichen Gespräch kritisiert.

Bei einem Staatsbesuch müsse und solle man Gastfreundschaft aber auch tatsächlich gewähren. «Wenn wir jetzt eine Lex Erdogan schaffen würden, wie sollen wir dann demnächst mit US-Präsident Donald Trump, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban oder dem saudi-arabischen König umgehen», fragte Schulz rhetorisch.

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