Röttgen: Bundeswehr und der Westen müssen gegen Taliban-Vormarsch einschreiten
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), fordert ein Einschreiten des Westens und der Bundeswehr gegen die in Afghanistan vorrückende Taliban.
Das Wichtigste in Kürze
- Habeck fordert Luftbrücke für in Lebensgefahr schwebende Ortskräfte in Afghanistan.
«Man darf nicht dabei zuschauen, wie Menschen, die uns lange verbunden waren, von den Taliban abgeschlachtet werden, wie Mädchen und Frauen alle hart erkämpften Rechte wieder verlieren», sagte Röttgen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Samstagsausgaben).
Tatenlosigkeit angesichts des Taliban-Vormarschs «wäre eine massive Selbstbeschädigung unserer Glaubwürdigkeit», warnte Röttgen. «Nach 20 Jahren Einsatz zu sagen, das sei eine afghanische Angelegenheit, ist wirklich absurd und beschämend», fügte der CDU-Politiker hinzu. Es gehe nicht darum, aus Afghanistan eine moderne Demokratie zu machen.
Röttgen betonte, dass er nicht dafür sei, den Truppenabzug aus Afghanistan rückgängig zu machen. «Trotzdem muss man der Offensive der Taliban jetzt etwas entgegensetzen, aus der Verantwortung nach 20 Jahren Einsatz heraus und aufgrund unserer eigenen Sicherheitsinteressen», sagte er dem RND. «Es reicht nicht, dass wir immer nur amerikanische Entscheidungen abnicken.»
«Der einseitige und übereilte Abzug aus Afghanistan war ein Fehler», urteilte Röttgen. Deutschland müsse dies «offen gegenüber den USA kommunizieren und darauf drängen, dass sie ihre bereits stattfindende Luftunterstützung der afghanischen Streitkräfte intensivieren». «Das können wir aber nur dann fordern, wenn wir auch selbst bereit sind, etwas zu leisten», mahnte der Aussenpolitiker.
Grünen-Co-Chef Robert Habeck forderte mehr Einsatz der Bundesregierung für Menschen, die als Ortskräfte die Bundeswehr oder deutsche Ministerien in Afghanistan unterstützt haben. «Es braucht jetzt eine Luftbrücke, um diese Menschen aus Lebensgefahr zu bringen», sagte Habeck der «Süddeutschen Zeitung» (Samstagsausgabe).
«Es ist unsere Pflicht, die Menschen vor den Taliban zu retten, die ihr Leben riskiert haben, um unseren Soldatinnen und Soldaten zu helfen», hob der Grünen-Politiker hervor. «Das ist eine Frage von Treue. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen, die Zeit läuft.»
Habeck forderte, bei den Ortskräften auch solche Menschen mit einzubeziehen, die über Firmen, also nicht direkt für die Bundeswehr oder andere deutsche Institutionen gearbeitet haben. Schliesslich interessierten sich die radikalislamischen Taliban für solche Vertragsverhältnisse «herzlich wenig». Die Visa sollten Habecks Meinung nach bei der Ankunft erteilt und die Verfahren vereinfacht werden.
Seit Beginn des vollständigen Abzugs der Nato-Truppen aus Afghanistan haben die Taliban weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. In den vergangenen Tagen nahmen die Islamisten rund die Hälfte der 34 afghanischen Provinzhauptstädte ein, darunter zuletzt auch die zweitgrösste Stadt Kandahar. Am Freitag standen sie nach Eroberung der Provinzhauptstadt Pul-i-Alam nur noch 50 Kilometer vor Kabul.