Sunaks Kabinet: Zu viele Hardliner – zu wenig Frauen
Der neue britische Premier wollte ein Kabinett der Integrität aufstellen. Nur einen Tag nach Amtsantritt wird genau das schon wieder infrage gestellt.

Das Wichtigste in Kürze
- Rishi Sunak wollte ein Kabinett der Integrität und Professionalität zusammenstellen.
- Einen Tag nach Amtsantritt sind die meisten Personalien vergeben.
- Einige Personalien in der Regierung lassen an Sunaks Aussage zweifeln.
Alle, die unter Premier Rishi Sunak eine gemässigtere Politik als das Chaos seiner populistischen Vorgänger erwartet haben, dürften sich getäuscht fühlen.
Mit einem Kabinett aus Unterstützern und Vertretern anderer Parteiflügel der Tories, will der 42-Jährige sich möglichst breite Unterstützung in der tief gespaltenen Konservativen Partei sichern. Sowohl Verbündete seiner Vorgängerin Liz Truss als auch seines Vor-Vorgängers Boris Johnson sitzen mit am Kabinettstisch.

Finanzminister Jeremy Hunt und Wirtschafsminister Grant Shapps sollen für die Stabilität an den Finanzmärkten sorgen.
Die für ihre Lust an Kulturkämpfen bekannte Kemi Badenoch als Ministerin für Frauen und Gleichstellung sowie Suella Braverman als Innenministerin sind hingegen ein Zugeständnis an die rechten Hardliner der Partei.
So hat Braverman beispielsweise den «Traum», ja sogar die «Obsession», noch vor Weihnachten so soviele Asylsuchende nach Ruanda abzuschieben, wie in einen Flieger passen. Konkret meint sie damit den Ruanda-Pakt zur Deportation Asylsuchender aus verschiedenen Ländern, den viele als Bruch internationalen Völkerrechts ansehen.
Mit diesen Kandidaten will Sunak Professionalität beweisen
Sunak versprach nach seinem Amtsantritt am Dienstag, eine Regierung mit Integrität und Professionalität zusammenzustellen. «Vertrauen muss verdient werden, und ich werde mir Ihr Vertrauen verdienen», sagte er in seiner ersten Rede als Premier.

Und genau das scheint ihm nur einen Tag später schon wieder auf die Füsse zu fallen. Braverman etwa war nur einen Tag vor Liz Truss Rücktritt mehr oder weniger aus dem Amt geflogen, weil sie offizielle Dokumente an ihre private E-Mail weitergeleitet hatte.
Die oppositionelle Labour-Partei wollte, dass sich Braverman noch am Mittwoch im Parlament zu ihrem vorübergehenden Rücktritt äussert. Zudem forderte sie eine unabhängige Untersuchung der Ernennung.
Auch bei anderen Kandidaten gibt es Zweifel über deren Kompetenzen. «Mann ohne Gehirn kehrt zurück», titelt etwa der «Daily Star» über Vizepremier Dominic Raab. Dieser war einst als Aussenminister wegen seiner Rolle beim Afghanistan-Abzug heftig umstritten. Später sorgte er im Justizministerium für Wirbel.

Und dann wäre da noch Gavin Williamson. Er galt schon unter Johnsons Regierung als Totalausfall – seine erneute Ernennung zum Bildungsminister sorgte für Stirnrunzeln.
Nur wenige Frauen im Kabinett Sunak
Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. So twitterte die rennomierte britische Menschenrechtsanwältin Jessica Simor: «Sie zerstören alles, was in diesem Land gut ist und machen alles, das schlecht ist, noch schlimmer.» Der «Moment der Hoffnung» liege schon wieder in Trümmern.
Währenddessen sucht ein Beobachter in der «Sun», vergeblich nach den Frauen im Kabinett. Nur rund ein Viertel der Posten habe Sunak an Frauen vergeben, so die Kritik.
Sunak schlägt keinen neuen Kurs ein
In Brüssel hofft man darauf, dass ein verlässlicherer Partner in die Downing Street einzieht als Truss oder Johnson. «In diesen schwierigen Zeiten für unseren Kontinent zählen wir auf eine starke Beziehung zum Vereinigten Königreich», sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Congratulations to @RishiSunak on your appointment as U.K. Prime Minister.
— Ursula von der Leyen (@vonderleyen) October 25, 2022
In these testing times for our continent, we count on a strong relationship with the U.K. to defend our common values, in full respect of our agreements.
Mit der Gestaltung seiner Regierung macht Sunak eines klar: Das Wirtschaftschaos soll enden. Den rechtskonservativen Kurs der Tories wird er aber nicht aufgeben. Nicht beim von ihm unterstützten Ruanda-Pakt, und vielleicht auch nicht im Nordirland-Streit. Dass der überzeugte Brexiteer einen weniger konfrontativen Kurs gegenüber der EU einschlägt, ist alles andere als gesetzt.