Wahlrat bestätigt: Erdogan gewinnt türkische Präsidentenwahl
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich bereits vor Ende der Stimmauszählung zum Wahlsieger in der Präsidentschaftswahl erklärt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Wahl-Stimmen in der Türkei zur Präsidentenwahl sind zu 99 Prozent ausgezählt.
- Erdogan hat laut Wahlrat gewonnen und seinen Sieg bereits verkündet.
- Der langjährige Präsident feierte mit seinen Anhängern in Istanbul.-
In der Türkei kam es am Sonntag zur Stichwahl zwischen Präsident Recep Tayyip Erdogan und Herausforderer Kemal Kilicdaroglu. Nun sind die Ergebnisse bekannt: Erdogan wurde zum 13. Präsidenten der Türkei gewählt. Dies gab der Chef der Wahlbehörde, Ahmet Yener, am Sonntag in Ankara bekannt.
Laut der staatlichen Nachrichtenagentur kam der türkische Präsident nach Auszählung von knapp 99 Prozent der Stimmen auf 52 Prozent, Kilicdaroglu auf 48 Prozent. Die oppositionsnahe Agentur Anka verzeichnete fast gleiche Werte.
Noch vor Auszählung aller Stimmen hat sich Erdogan zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. Er danke allen, die es ihm ermöglicht hätten, die nächsten fünf Jahre zu regieren, sagte der 69-Jährige vor jubelnden Anhängerinnen und Anhängern in Istanbul. Er werde «bis ans Grab» bei seinen Anhängern sein. In Ankara füllten am frühen Abend bereits Autokorsos mit wehenden Fahnen die Strassen. Auch in Istanbul waren Hupkonzerte zu hören.
Wie bereits im Wahlkampf hetzte Erdogan gegen lesbische, schwule, bisexuelle und transidente Menschen. «Meine Brüder, ist diese CHP denn nicht für die LGBT?», sagte er auch am Sonntag mit Bezug auf die Partei Kilicdaroglus. In seinem eigenen Wahlbündnis gebe es so etwas nicht, so Erdogan. Er erhielt dafür laute Zustimmung aus dem Publikum.
Oppositionsführer räumt Niederlage nur indirekt ein
Oppositionsführer und Herausforderer Kilicdaroglu hatte seine Wahlniederlage bisher nur indirekt eingeräumt. Er bedauere «die weit grösseren Probleme», die das Land nun erwarteten, sagte Kilicdaroglu am Sonntag in Ankara. Damit deutete er an, dass Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan die Stichwahl gewonnen hat, sagte dies aber nicht direkt.
Er werde weiter für Demokratie kämpfen, sagte Kilicdaroglu. «Bei dieser Wahl ist der Wille des Volkes für den Wechsel einer autoritären Regierung trotz aller Repressionen deutlich zum Ausdruck gekommen.»
«Wir haben den unfairsten Wahlkampf der letzten Jahre erlebt», sagte Kilicdaroglu. «Alle Staatsmittel wurden für eine politische Partei mobilisiert und einem Mann zu Füssen gelegt.»
Gratulationen von den Taliban, Putin und Orban
Erste Gratulationswünsche erhielt Erdogan von seinem ungarischen Amtskollegen Viktor Orban. Dieser schrieb auf Twitter von einem «unbestrittenen Wahlsieg».
Congratulations to President @RTErdogan on his unquestionable election victory! Tebrikler, Sayın Cumhurbaşkanı! pic.twitter.com/I1IR7g3EWe
— Orbán Viktor (@PM_ViktorOrban) May 28, 2023
Die militant-islamistischen Taliban haben Erdogan ebenfalls bereits zum Sieg gratuliert. Der Regierungschef der Taliban, Mullah Mohammed Hassan Achund, hoffe auf eine Fortsetzung «freundlicher Beziehungen» mit der Türkei, wie der Sender Tolonews am Sonntag berichtete.
Auch der iranische Präsident übermittelte Erdogan seine Glückwünsche. Ebrahim Raisi sei zuversichtlich, die Beziehungen der beiden Nachbarländer zu stärken, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur IRNA am Sonntag.
Am späten Abend gratulierte auch Kreml-Chef Wladimir Putin. «Der Wahlsieg war gesetzmässiges Resultat Ihrer selbstlosen Arbeit auf dem Posten des Staatschefs der türkischen Republik», heisst es im am Sonntag veröffentlichten Glückwunschtelegram des Kremls. Der Wahlsieg demonstriere zudem die Unterstützung des türkischen Volkes für den Kurs «nationaler Souveränität und unabhängiger Aussenpolitik.»
Aus Paris erreichten Erdogan ebenfalls bereits Glückwünsche. «Mit Präsident Erdogan, dem ich zu seiner Wiederwahl gratuliere, werden wir weiter voranschreiten», schrieb Präsident Emmanuel Macron am Sonntagabend auf Twitter.
La France et la Turquie ont d'immenses défis à relever ensemble. Retour de la paix en Europe, avenir de notre Alliance euro-atlantique, mer Méditerranée. Avec le Président Erdogan, que je félicite pour sa réélection, nous continuerons à avancer.
— Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) May 28, 2023
«Frankreich und die Türkei haben gemeinsam immense Herausforderungen zu bewältigen.» Macron nannte als Stichworte die Rückkehr des Friedens nach Europa, die Zukunft der euro-atlantischen Allianz und das Mittelmeer.
Angriffe auf Wahlhelfer
Schilderungen zufolge hat es bei der Stimmabgabe Angriffe auf Wahlhelfer gegeben. Mehrere Politiker der oppositionellen CHP berichteten am Sonntag von körperlichen Angriffen gegen sie selbst und Wahlhelfer.
Der CHP-Politiker Ali Seker sagte, er und Wahlhelfer der Opposition seien in der Provinz Sanliurfa von einer Gruppe angegangen worden, nachdem sie Unregelmässigkeiten beanstandet hätten. Auch aus Istanbul, Mardin und Diyarbakir gab es Meldungen von Übergriffen.
Der Chef der Wahlbehörde erklärte seinerseits nach Schliessung der Wahllokale, es habe bisher keine «negativen Entwicklungen» gegeben. In der hart umkämpften Stichwahl um das Präsidentenamt traten am Sonntag Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und der Oppositionskandidat Kemal Kilicdaroglu gegeneinander an.
Erdogan galt laut Umfragen als Favorit. Rund 61 Millionen Menschen waren in der Türkei zur Abstimmung aufgerufen. Wahlberechtigte in Deutschland hatten bereits vorher abgestimmt.
Schnellere Auszählung
Die Wahllokale schlossen um 16.00 Uhr MESZ. Der Chef der Wahlbehörde Ahmet Yener hatte am Morgen erklärt, er erwarte eine deutlich schnellere Auszählung der Stimmen als bei der Wahl vor zwei Wochen. Die Wahlbehörde hatte die vorläufige Endergebnisse der Abstimmung vom 14. Mai erst am Folgetag bekannt gegeben.
Die Wahl gilt als richtungsweisend. Erdogan ist seit 20 Jahren an der Macht. Seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 hat er so viel Macht wie nie zuvor. Kritiker befürchten, dass das Land mit rund 85 Millionen Einwohnern vollends in die Autokratie abgleiten könnte, sollte er erneut gewinnen.
Kilicdaroglu tritt für eine Allianz aus sechs Parteien unterschiedlicher Lager an und verspricht, das Land zu demokratisieren. Nicht nur in der Region, sondern auch international wird die Abstimmung in dem Nato-Land aufmerksam beobachtet.
Präsidentschaftsanwärter und Zweitplatzierter der ersten Runde, Kilicdaroglu, warb am Sonntagmorgen noch einmal für einen Wandel. «Ich lade alle Bürger dazu ein, an die Urne zu gehen, um die Unterdrückung und die autoritäre Führung abzuschaffen und diesem Land echte Freiheit und Demokratie zu bringen.»
Kilicdaroglu hoffte auf die Stimmen der Nicht-Wähler der ersten Runde. 2,5 Millionen Stimmen lag er hinter Erdogan. Er rief seine Anhänger zudem dazu auf, die Wahlurnen zu schützen, «denn diese Wahl findet unter sehr schweren Bedingungen statt.» Die Opposition sei etwa diffamiert worden.
Unregelmässigkeiten in Istanbul
Auch aus Istanbul gab es Berichte über Unregelmässigkeiten. Die CHP legte Einspruch gegen Wählerlisten ein, die der Darstellung nach leicht manipulierbar waren. Der Sender Halk TV berichtete, dass in den Bezirken Gaziosmanpasa und Ümraniye Wahlhelfer der Opposition angegriffen worden seien.
Das Online-Medium senika.org schrieb, dass an einer Schule im Bezirk Bagcilar Anwälte nicht in die Wahllokale gelassen worden seien. Dabei sei es zu Auseinandersetzungen gekommen. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hatte bereits vor der zweiten Abstimmungsrunde erklärt, Wahlbeobachter der Organisation Oy ve Ötesi davon abhalten zu wollen, an den Wahlurnen vertreten zu sein. Besonders bei der Opposition löste die Aussage Sorge aus.
Erdogan sagte bei seiner Stimmabgabe in Istanbul, dass es sich um die erste Stichwahl in der Geschichte der Türkei handele. Er lobte die hohe Wahlbeteiligung in der ersten Runde am 14. Mai und sagte, er rechne erneut mit einer hohen Teilnahme.
Die erste Wahlrunde galt als unfair. Internationale Wahlbeobachter bemängelten etwa die Medienübermacht der Regierung und mangelnde Transparenz bei der Abstimmung. Die Wahlbehörde YSK gilt zudem als politisiert.