EU weist Vorgehen der Türkei im Flüchtlingsstreit entschieden zurück
Die EU hat der Türkei mit Blick auf die angespannte Lage an der Grenze zu Griechenland einen Missbrauch der Krise zu politischen Zwecken vorgeworfen.

Das Wichtigste in Kürze
- Innenminister betonten Entschlossenheit beim Schutz der EU-Aussengrenzen.
Die EU weise das Vorgehen Ankaras entschieden zurück, erklärten die EU-Innenminister am Mittwochabend nach einem Sondertreffen in Brüssel. Die Türkei hatte Brüssel zuvor Bedingungen für eine Lösung des Flüchtlingsstreits gestellt und bestritten, dass sie die EU mit der Grenzöffnung erpressen wolle.
Die EU lehne «die Nutzung von Migrationsdruck durch die Türkei zu politischen Zwecken entschieden» ab, hiess es in einer Erklärung der EU-Innenminister. Dies sei «nicht akzeptabel.» Die EU bleibe «entschlossen, die EU-Aussengrenzen wirksam zu schützen. Illegale Überquerungen werden nicht toleriert.» Dies solle aber «im Einklang mit EU- und internationalem Recht» erfolgen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, die Minister hätten «hohe Solidarität» gegenüber Griechenland gezeigt, an dessen Grenzen seit dem Wochenende tausende Migranten in der Hoffnung ausharren, nach Europa zu gelangen. Viele Länder, unter ihnen Deutschland, hätten bei dem Treffen in Brüssel erklärt, sie wollten den Griechen «bei ihrer schwierigen Aufgabe helfen».
«Griechenland erledigt für ganz Europa eine ganz wichtige Aufgabe, nämlich den Schutz unserer Aussengrenzen», sagte Seehofer. Dass Athen einen Monat keine Asylanträge mehr bearbeiten wolle, sei angesichts der besonderen Situation «in Ordnung».
Die EU werde alle Mittel einsetzen, um Länder mit unter Druck stehenden Grenzabschnitten zu unterstützen, hiess es in der Erklärung der EU-Innenminister. Dazu gehöre auch ein Athen bereits zugesagter Soforteinsatz von Beamten der EU-Grenzschutzbehörde Frontex sowie technische Unterstützung.
Wegen der Eskalation des militärischen Konflikts in Nordsyrien hält die Türkei seit dem Wochenende Flüchtlinge nicht mehr davon ab, von ihrem Territorium aus in die EU zu gelangen. Griechische Sicherheitskräfte hinderten seitdem zehntausende Migranten daran, über die Grenze zu kommen. Dabei kommt es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstössen. Am Mittwoch erschossen griechische Grenzschützer nach türkischen Angaben einen Flüchtling. Die Regierung in Athen wies dies entschieden zurück und sprach von «Falschnachrichten».
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan machte ein Einlenken im Flüchtlingsstreit von einer Unterstützung der EU für seinen Syrien-Kurs abhängig. Die Krise könne nur beendet werden, wenn die EU die «politischen und humanitären Bemühungen» seines Landes in Syrien unterstütze, sagte Erdogan.
Regierungssprecher Ibrahim Kalin wies den Vorwurf zurück, die Türkei wolle die EU durch die Grenzöffnung erpressen. Es gehe nicht darum, eine «künstliche Krise» zu schaffen und politischen Druck aufzubauen. Vielmehr stosse dir Türkei bei der Aufnahme von Flüchtlingen an ihre Grenzen.
Die EU-Innenminister riefen die Türkei ihrerseits auf, ihren Verpflichtungen aus dem Flüchtlingsabkommen mit der EU nachzukommen. Auch Seehofer betonte, die Vereinbarung müsse fortgesetzt und stabilisiert werden.
Diplomaten zufolge verhinderte Deutschland bei dem Innenministertreffen eine schärfere Reaktion der EU auf die Grenzöffnung durch die Türkei. Ursprünglich sollte das Vorgehen Ankaras «entschieden verurteilt» werden.
Hintergrund könnten diplomatische Bemühungen der Bundesregierung zu Nordsyrien sein. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte am Abend in Zagreb, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei mit den Präsidenten Russlands und der Türkei «im Gespräch (...) über eine international überwachte Sicherheitszone in Syrien zur Erleichterung der humanitären Situation.»
Die Türkei geht seit einigen Tagen mit einer grossen Militäroffensive gegen die syrischen Regierungstruppen im Nordwesten Syriens vor. Erdogan hofft nun auf einen raschen Waffenstillstand. Er hoffe, dass es nach seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Donnerstag «so schnell wie möglich» zu einer Feuerpause in Idlib komme, sagte er.
Die syrische Armee geht mit militärischer Unterstützung Russlands seit Dezember verstärkt gegen die überwiegend islamistischen und dschihadistischen Milizen in Idlib und benachbarten Provinzen vor. Einige der Milizen werden von der Türkei unterstützt. Durch die Gewalt wurden nach UN-Angaben seit Dezember fast eine Million Menschen vertrieben.