Critical Mass ist abgesagt – aber irgendwie auch nicht
Critical Mass hätte eine Bewilligung gebraucht, um in Zürich stattfinden zu können. Trotzdem wird heute mit vielen Velofahrern gerechnet. Was macht die Polizei?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Velokundgebung Critical Mass hat für den Juli-Termin keine Bewilligung eingereicht.
- Teilnehmende müssen mit Bussen und Verzeigungen rechnen, sagt die Polizei.
- Wie aber gegen Hunderte Velofahrer vorgegangen werden soll, ist unklar.
«Die Critical Mass ist abgesagt!» Aber irgendwie auch nicht. In Zürich findet schon seit Jahren jeden letzten Freitag im Monat eine Demonstration statt, die keine ist.
Die Critical Mass soll «ein spontanes, grosses Verkehrsaufkommen von Velos» sein, wie auf der Webseite «Criticalmass-ZH» steht. Ziel wäre es, aufzuzeigen, dass Radfahrer genauso wichtige Verkehrsteilnehmer sind wie Autofahrer oder Motorradfahrer. Es gibt aber keine Organisatoren, keine Verantwortlichen, keine festgelegte Route.
Auch deswegen reichte Critical Mass bisher keine Bewilligung ein, obwohl sie dazu aufgefordert wurde. Die Stadtpolizei Zürich warnte deshalb auf Twitter, Verzeigungen zu verteilen, sollte es trotzdem zur «Demonstration» kommen. Kurz gesagt: Wer heute in Zürich in der Masse Velo fährt, könnte gebüsst werden.
Bis jetzt wurde für die Critical Mass kein Bewilligungsgesuch für Freitag eingereicht. Die Teilnehmenden der Critical Mass müssen mit Verzeigungen rechnen. pic.twitter.com/0f0T7UIbDE
— Stadtpolizei Zürich (@StadtpolizeiZH) July 26, 2023
Auf Twitter fragen nun Zürcherinnen und Zürcher, ob denn ein absolutes Velofahrverbot herrsche. Wie wird die Polizei gegen eine allfällige Critical Mass vorgehen? Wird jeder Velofahrer, jede Velofahrerin verzeigt?
Die Medienstelle der Zürcher Stapo sagt dazu: kein Kommentar. Taktiken und Vorgehen bleiben geheim.
Anwältin: Polizeiliches Eingreifen bei Critical Mass wäre unverhältnismässig
Gegenüber «Tsüri.ch» sagt Anwältin Manuela Schiller, sie könne sich nicht vorstellen, dass die Demonstration von der Polizei aufgelöst werden könnte: «Das Chaos, das dann ausbrechen würde, würde den ÖV und den motorisierten Individualverkehr viel mehr tangieren.» Eingreifen wäre ebenfalls völlig unverhältnismässig, da die Teilnehmenden friedlich seien und zum Teil auch Kinder dabei hätten.
Die Polizei könnte lediglich die Velofahrenden darauf aufmerksam machen, dass sie sich entfernen sollen. Auch könnten sie alle filmen und später ausfindig machen, aber «das wäre absurd».
Es ist erwartbar, dass die polizeiliche Drohung wenig Effekt haben wird. Auf der Webseite der Velofans steht: «Die Fans der Critical Mass Zürich nutzen nun die freie Zeit, um einen kleinen Ausflug durch Zürich zu machen. Fährst du auch mit?»
Wie viele Velofahrerinnen und -fahrer sich trotzdem auf das Velo getrauen, ist ungewiss. Weil es eben keine Organisatoren gibt, macht die Bewegung nie Angaben über die Anzahl Teilnehmende. Es gibt nur Schätzungen.