Ivo Liechti (Die Mitte) plädiert für neue Lärmmessung statt Tempo 30

Miguel Pereiro
Miguel Pereiro

Stadt St. Gallen,

Ivo Liechti, Präsident der Ortspartei Die Mitte St. Gallen, fordert, dass an der Ost-West-Achse die sogenannte Lüftungsfensterpraxis zum Einsatz kommen soll.

Ivo Liechti Tempo 30
Ivo Liechti, Ortsparteipräsident Die Mitte Stadt St. Gallen. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Auf der Hauptverkehrsachse St. Gallens soll es zu laut sein.
  • Der Stadtrat will dies mit der Einführung von Tempo 30 lösen.
  • Mitte-Chef Ivo Liechti erklärt im Interview, die gewählte Messmethode sei zu streng.

Entlang der Hauptverkehrsachse ist es in St. Gallen lauter als erlaubt. Der Stadtrat will das Problem lösen, indem flächendeckend Tempo 30 eingeführt wird. Doch der Kantonsrat, in wessen Verantwortung die betroffenen Kantonsstrassen fallen, will die Geschwindigkeit nicht drosseln.

Auch die Mitte-Fraktion des Stadtrates will keine Temporeduktion auf der Ost-West-Achse. Stattdessen verlangen sie eine Änderung der Lärm-Messpraxis, wie Ortsparteipräsident Ivo Liechti im Interview ausführt.

Nau.ch: Braucht es an der Ost-West-Achse Lärmschutzmassnahmen?

Ivo Liechti: Entlang der städtischen Hauptstrassen stellt sich die Interessenfrage zwischen einer lebendigen, mitunter lauten Stadt und den Interessen der Bewohnenden. Massgebend für den Lärmschutz sind dabei die Werte der Lärmschutzverordnung. In deren Umsetzung ist es für uns nicht richtig, dass die Lärmwerte am offenen Fenster eingehalten werden müssen.

St. Gallen Hauptstrasse
Die Hauptstrasse in St. Gallen. - Google Maps

Diese vollständige Freiheit, zu jeder Zeit das Fenster offen halten zu können, schränkt die erforderliche Verbindungsfunktion der Strassen zu stark ein. Weil das Gericht die Lüftungsfensterpraxis – für das Lüften eines Raumes müssen nur an einem offenen Fenster die Lärmwerte eingehalten werden – verboten hat, soll nun mit einer Anpassung des Umweltschutzgesetzes und der Lärmschutzverordnung diese Möglichkeit wieder eingeführt werden.

Städtebaulich würde dies entlang der lärmbelasteten Strassenzüge wieder angepasste bauliche Situationen ermöglichen, bei denen das Lüften einer Wohnung über lärmabgewandte Lüftungsfenster möglich ist. Wohnsituation, Städtebau, Lärmbelastung und die Strasse als starke und schnelle Zu- und Wegfahrtsachse könnten optimal aufeinander angestimmt werden. Entlang der Ost-West-Achse hat für unsere Fraktion die Verkehrsfunktion ein hohes Interesse.

Nau.ch: Fänden Sie die Einführung von Tempo 30 auf dieser Verkehrsachse sinnvoll?

Liechti: Die Einführung von Tempo 30 auf der ganzen Achse ist nicht sinnvoll, da die Strasse dadurch ihre Verbindungsfunktion verliert. Und nicht nur der motorisierte Individualverkehr wird dadurch verlangsamt, sondern auch der öffentliche Verkehr und mitunter auch die schnell fahrenden Velos und die Blaulichtorganisationen.

Tempo 30 kann aus Sicht der Mitte Stadt St. Gallen aber dort zur Anwendung gelangen, wo Sicherheitsaspekte der Grund sind. An Stellen mit hohen Querungsfrequenzen kann oftmals ohnehin nicht schneller als 30 gefahren werden. Auf diesen in der Länge limitierten Abschnitten kann Tempo 30 ein durchaus angebrachtes Mittel sein.

«Leitsatz: Starke Verbindungsachsen für den Schutz der Quartiere vor Durchgangsverkehr»

Nau.ch: Welche Auswirkungen hätte dies auf den Verkehr der Stadt, auch neben der betroffenen Ost-West-Achse?

Liechti: Wenn die Hauptverkehrsachse verlangsamt wird, weicht der Verkehr auf kürzere Verbindungen durch die Quartiere aus. Damit verlagern sich Lärm und Gefahren an sensiblere Orte. Prekär wird es dort, wo Fussgängerinnen und Fussgänger sowie Velofahrerinnen und Velofahrer nicht mit Durchgangsverkehr rechnen.

Tempo 30
Ein Angestellter der Stadt Lausanne stellt 2021 in einer Strasse in Lausanne Tempo-30-Schilder auf. (Symbolbild) - keystone

Aus diesem Grund handelt die Mitte Stadt St. Gallen nach dem Leitsatz: starke Verbindungsachsen für den Schutz der Quartiere vor Durchgangsverkehr. Wir unterstützen ein funktionsgerechtes Strassen- und Wegnetz, das über die starken Verbindungsachsen die Erschliessung des Stadtgebietes sicherstellt und gleichzeitig die Quartiere vor dem Verkehr schützt, der nicht ins Quartier gehört.

Nau.ch: Welche alternativen Massnahmen entlang dieser Strassen würden Sie unterstützen?

Liechti: Mit der Wiedereinführung der Lüftungsfensterpraxis und der Sanierung der Fenster kann ein guter Lärmschutz erreicht werden. Neubauten können mit einer optimalen Grundrissorganisation so erstellt werden, dass das Lüftungsfenster lärmabgeschirmt liegt. Wo die Anordnung eines Lüftungsfensters an Bestandesbauten nicht möglich ist, soll mit Lärmschutzfenstern entgegengewirkt werden. Da die öffentliche Hand als Infrastrukturinhaber sanierungspflichtig ist, soll eine Unterstützung der entsprechenden Liegenschaftsbesitzenden geprüft werden.

«Entscheid ist auch von denjenigen zu akzeptieren, die unterlegen sind»

Nau.ch: Der Stadtrat will Tempo 30, der Kantonsrat lehnt dies ab. Wie lässt sich dieser Streit nun beilegen?

Liechti: Grundsätzlich ist der Infrastrukturbesitzer für die Massnahmen verantwortlich. Der Kanton hat die Einführung von Tempo 30 auf der Ost-West-Achse als «günstige» Lärmsanierungsmassnahme vorgeschlagen. Aufgrund der Resultate der Mitwirkung hat sich die Regierung als Besitzerin der Strassen dazu entschieden, auf die Einführung von Tempo 30 auf der Ost-West-Achse zu verzichten.

Würden Sie die Einführung von Tempo 30 auf der Ost-West-Achse in St. Gallen begrüssen?

Diese Handlung der Regierung als Resultat der Mitwirkung ist auch von denjenigen zu akzeptieren, die unterlegen sind. Die Mitte Stadt St. Gallen sieht nicht ein, dass der Stadtrat hier aktiv werden muss. Somit gibt es aus unserer Sicht keinen Grund zu streiten.

Zur Person: Ivo Liechti (41) ist Ortsparteipräsident Die Mitte Stadt St. Gallen, Mitglied des Stadtparlaments und der Liegenschaften- und Baukommission. Er ist ausserdem Teilhaber der ERR Raumplaner AG mit Sitz in St. Gallen sowie Städtebauer und Raumplaner.

Kommentare

Barny144

Lärm wann wir schon drann sind warum muss eine Kirchenglocke 252 mal leuten in 24 stunden und da ist aber noch das leuten für messen usw nicht dabei und stärke von über 100 dezibel da sagt niemand was

User #2922 (nicht angemeldet)

Man sollte Lärmblitzer aufstellen. Das wäre ein Fortschritt!

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