Wer muss in den zweiten Wahlgang? Wie schliesst die SVP mit ihrem moderaten Auftritt ab? Und was bedeutet der Alleingang der Grünen? Die Übersicht.
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Am Sonntag finden in Basel die Grossratswahlen statt. - Kanton Basel-Stadt

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Sonntag finden in Basel-Stadt die Gesamterneuerungswahlen statt.
  • Hier kommt – einen Tag vor der Wahl – die grosse Vorschau.
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Basel-Stadt wählt am Sonntag die Regierung und das Parlament neu. Nach den nationalen Wahlen im vergangenen Herbst und den Ersatzwahlen im Frühling mit zwei Wahlgängen werden die Stimmberechtigten zum vierten Mal innerhalb nur eines Jahres zum Wählen aufgefordert.

Das geht an die Kräfte – bei politisch Engagierten und den Medien. «BaZ»-Chefredaktor Marcel Rohr schrieb kürzlich in einem Leitartikel von einem «flauen Wahlkampf» und «verpassten Chancen». Das löste im Polit-Betrieb Diskussionen aus und führte zu zwei Repliken.

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Doch die Menschen in Basel sind offensichtlich nicht abgelöscht – bis am Donnerstag haben 40,4 Prozent der Wahlberechtigten bereits gewählt, was auf eine hohe Beteiligung hindeutet. Der Durchschnitt am Vergleichstag beträgt laut Staatskanzlei 36,8 Prozent.

Gewiss dürften aktuelle Themen wie Prämien, Klima, Kriege, Sicherheit, Wohnen, Steuern oder Verkehr die Menschen bewegen. Womöglich war aber der Wahlkampf gar nicht so langweilig wie behauptet, und stattdessen haben die Parteien stark mobilisiert.

Immerhin ist diesmal sogar die LDP auf die Strasse gegangen. Und weil Basta und Grüne separat antreten, weibeln allgemein mehr Kandidierende als bei den letzten kantonalen Wahlen um die Gunst der Wählerinnen und Wähler.

Tatsächlich stellen sich durchaus einige interessante Fragen.

Was macht Esther Keller?

Esther Keller war die grosse Überraschung der Gesamterneuerungswahlen 2020. Nach gerade einmal anderthalb Jahren im Grossen Rat wurde die Grünliberale in die Regierung gewählt. Sie bekam das Bau- und Verkehrsdepartement, das ihrem Vorgänger Hans-Peter Wessels viele Negativschlagzeilen beschert hatte.

Nun musste Keller in ihrer ersten Amtsperiode zwar nicht ganz so viel einstecken wie der Sozialdemokrat – das dürfte auch daran liegen, dass sie bisher keinen groben Fehler begangen hat. Dennoch ist die frühere «Telebasel»-Journalistin das wohl meist kritisierte Mitglied der Basler Regierung.

Kaum im Amt, musste sich Keller wegen der gefällten Kugelahorn-Bäume an der Margarethenstrasse rechtfertigen, zumal sie mit dem Anspruch angetreten war, dem Klima zuliebe die Stadt grüner zu gestalten. Mit der Begrünung gehe es zu langsam vorwärts, lautete die Kritik von links und rechts. Mit ein paar Blumentöpfen und Sonnensegeln im Sommer sei es nicht getan. Keller wird zudem vorgeworfen, eine Marionette der Verwaltung zu sein.

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Es geht auch ohne Bündnis: Esther Keller - OnlineReports.ch / Alessandra Paone

Auch deshalb sieht man Kellers Sitz am ehesten gefährdet. Und weil die 39-Jährige die einzige Kandidatin ist, die nicht in einem Bündnis antritt. Sie steht mit ihrer GLP allein in der Mitte. Links haben sich traditionsgemäss SP, Grüne und Basta zusammengeschlossen. Rechts bilden alle bürgerlichen Parteien eine Allianz – vor vier Jahren war die SVP noch nicht willkommen und musste allein antreten.

Ob der unfreiwillige Alleingang den Grünliberalen und ihrer Regierungsrätin schadet? Jedenfalls hat die Partei, die diese Wahl nach dem Rücktritt von Katja Christ als erfolgreiche Präsidentin unter deren Nachfolger Serge Meyer bestreitet, das Beste aus der Situation gemacht. Sie führte einen fokussierten und sichtbaren Wahlkampf. Dabei war die Stärke der GLP-Kampagne der hybride Auftritt: Die Kandidierenden für den Grossen Rat und Esther Keller traten als Einheit auf – auf Plakaten, in (72!) Selfies und bei Standaktionen auf der Strasse.

Das stärkt zum einen Kellers Position in der öffentlichen Wahrnehmung und demonstriert: Es geht auch ohne Bündnis. Zum anderen wirkt der hybride Wahlkampf für die Grossratskandidatinnen und -kandidaten motivierend, weil er ihnen einen Anreiz bietet, sich zu engagieren – ganz nach GLP-Manier.

Keller dürfte die Wiederwahl schaffen. Vielleicht sogar schon im ersten Wahlgang.

Geht die Strategie der SVP auf?

Die SVP ist immer noch die SVP, ihre Kernanliegen sind immer noch dieselben: mehr Sicherheit, weniger Migration. Und doch wirkt die Partei anders als noch bei den eidgenössischen Wahlen vor einem Jahr. Während damals laute Kampfansagen und grenzwertige Parolen dominierten, gibt sich die Partei nun moderat.

Beim Kampagnenstart der SVP auf der Dreirosenanlage, einem Gewalt-Hotspot der Stadt, sagte der Wahlkampfleiter und Fraktionschef im Grossen Rat, Lorenz Amiet: «Die Menschen in unserer Stadt sind bereits aufgerüttelt. Es braucht keine weiteren Provokationen mehr.»

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Geben sich moderat: Hablützel, Messerli, Amiet. - OnlineReports.ch / Alessandra Paone

Tatsächlich haben die Gewaltexzesse (vor allem im Kleinbasel) die Bürgerinnen und Bürger sensibilisiert. Die Stadtbevölkerung wünscht sich unabhängig von der politischen Gesinnung mehr Sicherheit. Die SVP hat aufs richtige Thema gesetzt. Und mit ihrem gemässigten Ton könnte es ihr sogar gelingen, auch Stimmberechtigte ausserhalb der klassischen SVP-Wählerschaft anzusprechen.

Gemeint sind damit in erster Linie LDP-Wählerinnen und -Wähler.

Die FDP konnte sowohl bei den Einwohnerratswahlen in Riehen als auch bei den Nationalratswahlen leicht zulegen. Mit der starken Liste im Wahlkreis Grossbasel-Ost könnten die Freisinnigen ein Mandat im Kantonsparlament gewinnen. Mit einer Kandidatur der Regierungsanwärterin Eva Biland in Riehen wäre sogar ein zweiter Sitz möglich gewesen.

Ähnlich sieht es bei der Mitte aus. Die einstige CVP konnte schon bei den Grossratswahlen 2020 und bei den nationalen Wahlen im vergangenen Herbst Erfolge feiern – wenn auch kleine. Der neue Name, unter dem sie zum ersten Mal auf kantonaler Ebene antritt, könnte ihr zusätzlich Schwung verleihen.

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«Kommunikation verbessern»: von Falkenstein, Hug, Kuster - OnlineReports.ch / Alessandra Paone

Die Liberalen haben hingegen bei den nationalen Wahlen 2023 massiv verloren. Ihr Stimmenanteil sank gegenüber 2019 samt Unterlisten von 15,3 auf 10,3 Prozent. Davon profitierte am meisten die SVP, die mit neu 14,1 Prozent zur stärksten bürgerlichen Kraft in Basel-Stadt aufstieg.

Um den Abwärtstrend zu durchbrechen, hat die LDP einen für sie ungewöhnlich engagierten Wahlkampf geführt – und dabei ebenfalls das Thema Sicherheit gepusht. Wohl mit der Absicht, möglichst keine Wählerinnen und Wähler an die SVP zu verlieren und zudem ihre Regierungsrätin, Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann, zu unterstützen. Weil man aber in der Regel das Original bevorzugt, könnte der Schuss auch nach hinten losgehen.

Mit ihrem moderaten Auftritt stärkt die SVP auch ihren Regierungskandidaten Stefan Suter. Er gilt als pragmatischer und gemässigter Politiker. Der Grossrat und Anwalt geniesst über die Parteigrenzen hinaus Sympathien. Eine reisserische Kampagne hätte nicht zu Suter gepasst. Genauso wenig hätten vermutlich die verbündeten Parteien eine aggressive SVP toleriert.

Die Strategie der SVP könnte am Ende aufgehen. Zwar sind die Chancen der Rechtspartei, es in die Regierung zu schaffen, bescheiden. Bei den Grossratswahlen dürfte sie aber zu den Siegerinnen gehören.

Wie verhalten sich Basta und Grüne nach ihrer Trennung?

Erstmals seit 20 Jahren treten Basta und Grüne separat an und nicht mehr als Grün-Alternatives Bündnis. Wie sich das auswirkt, ist offen und sorgt in der ganzen Linken für Spannung. SP-Präsidentin Lisa Mathys sprach gegenüber «OnlineReports» von einer «Blackbox».

Die politische Grosswetterlage spricht nicht für die Grünen. Am Sonntag zeigt sich, ob die Partei dank des Alleingangs Einbussen abfedern kann. Denn eine eigene Liste bedeutet auch, dass mehr Menschen kandidieren – und möglicherweise mehr mobilisieren. Die sich abzeichnende hohe Wahlbeteiligung könnte der Linken zugutekommen.

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Basta mit Zürcher, Goepfert, Bolliger, Deiss und Bernasconi (von links). - OnlineReports.ch / zVg

Die Grünen haben im Grossen Rat aktuell 13 Sitze, Basta 5. Während die Grünen ähnliche Positionen wie die Sozialdemokraten vertreten, kann sich Basta als dezidiert linke Stimme klarer positionieren. Das kann gerade in Zeiten von hoher Prämienlast und Inflation helfen.

Es ist daher durchaus möglich, dass sich Basta halten oder gar Sitze gewinnen kann. Für die Partei steht viel auf dem Spiel: Müsste sie Mandate abgeben, würde sie die Grösse, die für die Fraktionsstärke nötig ist, nicht erreichen. Noch ist nicht bestimmt, wie sich die Parteien im Grossen Rat organisieren werden.

Was passiert im zweiten Wahlgang?

Basel-Stadt hat bei Regierungswahlen ein strenges absolutes Mehr. Deshalb kommt es in aller Regel zu einem zweiten Wahlgang. 2020 haben es mit Conradin Cramer (LDP), Lukas Engelberger (Mitte), Tanja Soland und Beat Jans (beide SP) vier Kandidierende auf Anhieb geschafft, die anderen mussten in die Zusatzrunde.

Der Wahlausgang am kommenden Sonntag hat einen direkten Einfluss auf die Strategien der Parteien. Im zweiten Wahlgang gilt das relative Mehr. Die Parteien in den politischen Blöcken müssen sich zusammentun, damit sich die Stimmen nicht verzetteln.

Es ist davon auszugehen, dass die amtierenden Regierungsmitglieder gute Resultate erzielen und auf den vorderen Plätzen landen werden. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass allen Bisherigen die Wiederwahl auf Anhieb gelingt. Wer es nicht schafft, wird am 24. November wieder zur Wahl stehen.

Wer von den Herausforderern im Rennen bleibt, ist offen und hängt von zwei Faktoren ab: Welche Bisherigen müssen in den zweiten Wahlgang, und wie haben die neuen Anwärter jeweils abgeschnitten?

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Im zweiten Wahlgang noch dabei? Anina Ineichen. - OnlineReports.ch / Michael Fritschi

Wenn zum Beispiel nur Sozialdemokraten (Kaspar Sutter und Mustafa Atici) und Esther Keller in den zweiten Wahlgang müssen, dürften sich die Grünen und Basta mit ihren Kandidierenden Anina Ineichen und Oliver Bolliger einen taktischen Rückzug überlegen. Denn sie werden kaum riskieren wollen, dass das heutige Mehrheitsverhältnis auf die bürgerliche Seite kippt. Nach dem Motto: Lieber mit Esther Keller eine halbe Linke statt ein SVPler im Regierungsrat.

Die Bürgerlichen hingegen hätten in diesem Szenario nichts zu verlieren und könnten erneut angreifen. Ob das mit Stefan Suter von der SVP oder mit der Freisinnigen Eva Biland geschehen soll, entscheidet die Rangliste. Und falls beide schlecht abschneiden, könnten die Bürgerlichen auch eine neue Kandidatur erwägen (und etwa auf den grün angehauchten Christian Egeler zurückkommen). Anders sähe es aus, wenn mehrheitlich bürgerliche Bisherige und Keller in den zweiten Wahlgang müssten. Dann stellte sich hier die Frage nach einem taktischen Rückzug der neu kandidierenden Bürgerlichen.

Auch wenn grosse Verschiebungen am Sonntag unwahrscheinlich sind – spannend sind diese Wahlen allemal.

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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.

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