Ausnahmereiter Jung jagt den Gold-Hattrick auf der Müllhalde
Der Pferdesport sorgt verlässlich für deutsche Olympia-Medaillen. Nach zweimal Gold und einmal Silber in der Dressur soll nun Edelmetall in der Vielseitigkeit folgen.
Das Wichtigste in Kürze
- Alle schauen auf Michael Jung.
Der Ausnahmereiter steht bei Olympia in Tokio unter besonderer Beobachtung, denn er ist nicht nur der Topfavorit - so wie sonst auch.
Er jagt zudem einen historischen Hattrick, das dritte Einzel-Gold bei Olympischen Spielen nach 2012 und 2016. Das hat noch keiner geschafft, das erhöht den Druck. «Klar, der ist da», sagte der Vielseitigkeitsreiter kurz vor dem Start.
Jung wirkte dabei allerdings ganz gelassen. Der Reiter, der am Samstag 39 Jahre alt wird und den dreiteiligen Reit-Wettkampf mit der Dressur beginnt, neigt nicht zur Aufgeregtheit. Zumindest ist sie nicht sichtbar oder spürbar. Als sei es ein ganz normales Turnier, sagte der dreimalige Olympiasieger aus Horb: «Wichtig ist, dass man eine tolle Leistung abruft. Was dann dabei rauskommt, ist noch mal was anderes.»
Erfolgreichster Vielseitigkeitsreiter
Mit dieser simpel klingenden Devise ist Jung schon jetzt der erfolgreichste Vielseitigkeitsreiter der Geschichte geworden. So viele Gold-Medaillen bei Olympia, WM und EM besitzt niemand. Zu seinen zahlreichen Rekorden gehört bereits ein ganz besonderer Hattrick: Bei den Europameisterschaften 2011, 2013 und 2015 gewann er jeweils Doppel-Gold. Und er ist der einzige, der gleichzeitig Olympiasieger, Weltmeister und Europameister war.
Damit keine Missverständnisse aufkommen, sagte Jung vor der nun anstehenden Gold-Jagd mit dem 13 Jahre alten Wallach Chipmunk deutlich: «Klar wollen wir gewinnen und die Besten sein.» Das gelte für das Einzel wie für die Mannschaft, wie Bundestrainer Hans Melzer unmissverständlich erklärte. Es gehe nicht darum, «nur mitzumachen, es müssen alle richtig angreifen». Er wolle «drei Top-Einzelergebnisse, um am Ende ein Top-Mannschaftsergebnis zu haben».
Das Team liegt nach den ersten beiden Starterinnen in der Dressur allerdings nur auf Platz fünf. Nach einem guten Start durch Julia Krajewski aus Warendorf mit Amande zeigte Sandra Auffarth aus Ganderkesee mit Viamant zu viele Fehler. «Der Abstand ist grösser als wir erhofft hatten. Aber wir haben noch einen Trumpf im Ärmel», sagte Melzer vor Jungs Ritt am Samstag: «Der kann den Abstand reduzieren.»
Melzer ist ein Freund der Offensive und das, was im Pferdesport gerne als «Goldschmied» bezeichnet wird. Mit dem inzwischen 70-Jährigen aus Salzhausen gab es Doppel-Gold bei den Spielen 2008 und 2012 sowie bei der Weltmeisterschaft 2014. Zuletzt in Rio gewann das Team von Melzer Olympia-Silber und Jung dazu Einzel-Gold.
Geländeritt auf einer ehemaligen Mülldeponie
Nach seiner Dressur am Samstag wartet auf Jung sowie seine Teamkolleginnen Sandra Auffarth (Ganderkesee) und Julia Krajewski (Warendorf) der Geländeritt. Das Herzstück der Vielseitigkeit findet am Sonntag nicht im Baji Koen Equestrian Park in Setagaya statt, sondern auf einer Halbinsel mit dem englischen Namen Sea Forest. Auf einer ehemaligen Mülldeponie hat der Kurs-Designer Derek di Grazia «aus dem Nichts heraus» eine Geländestrecke bauen lassen. «Die Zeit ist knapp», sagte Jung zu dem Kurs.
Der siebenmalige Europameister kennt sich aus. Er hat sich für den erneuten Angriff auf die Medaillen besonders vorbereitet. Er war schon vor zwei Jahren in Tokio, schaute sich alles genau an und ritt beim Testevent mit. Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass er dabei auch gewann.