Eine ausschweifende Partynacht bis zum nächsten Morgen muss in diesem Jahr ausfallen. Wegen der Corona-Auflagen in Frankreich feiern Kevin Krawietz und Andreas Mies ihren French-Open-Coup im kleinen Kreis. Der historischen Bedeutung werden sie sich so langsam bewusst.
Kevin Krawietz (l) und Andreas Mies feiern mit der Trophäe den Finalsieg. Foto: Michel Euler/AP/dpa
Kevin Krawietz (l) und Andreas Mies feiern mit der Trophäe den Finalsieg. Foto: Michel Euler/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Als die alten und neuen French-Open-Sieger in der Hotel-Lobby mit Bier und Wein auf ihr neuerliches Meisterstück anstiessen, lief auf den Bildschirmen im Hintergrund das Endspiel noch einmal in voller Länge.
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Ständig frotzelten Kevin Krawietz und Andreas Mies, warum der eine denn in dieser Situation das getan habe und der andere jenes. Weil die Corona-Auflagen in Paris keine ausschweifende Party-Nacht mit morgendlichem Ende in einem Szene-Club wie im Vorjahr erlaubten, feierten die deutschen Doppel-Heroen im kleinen Kreis.

«Es war ein sehr, sehr lustiger Abend, aber auch sehr entspannt», erzählte Krawietz (28) der Deutschen Presse-Agentur am Telefon, als er gerade auf dem Weg zum Flughafen war. Sie seien auch mental erschöpft gewesen nach den zwei Wochen, in denen sie sich in der sogenannten Corona-Blase nur zwischen Hotel und Tennis-Anlage bewegen durften. Doch all die Entbehrungen und Anstrengungen hatten sich gelohnt und entluden sich am Samstagabend um kurz vor halb acht.

6:3, 7:5 gewannen die deutschen Davis-Cup-Profis gegen die US-Open-Sieger Mate Pavic (Kroatien) und Bruno Soares (Brasilien). Waren sie im vergangenen Jahr noch synchron wie Maikäfer auf den Rücken geplumpst, fiel die Jubelgeste diesmal etwas differenzierter aus. Mies fiel wieder und streckte alle Viere von sich, Krawietz aber ging in die Hocke und beugte sich nach vorne. Es folgte eine lange und intensive Umarmung - erleichtert und euphorisiert zugleich.

Damit wiederholten sie nicht nur ihren wundersamen Titel aus dem Vorjahr, sondern schrieben «deutsche Sportgeschichte», wie es Boris Becker voller Adrenalin und Euphorie bei Eurosport formulierte.

Im vergangenen Jahr hatten Krawietz und sein zwei Jahre älter kongenialer Kölner Partner völlig überraschend als erstes deutsches Doppel seit Gottfried von Cramm und Henner Henkel 82 Jahre zuvor den Titel in Paris gewonnen. Mit mehr als 50 Freunden und Familienmitgliedern feierten sie damals, zogen durch die französische Hauptstadt und wollten den Eiffelturm abreissen. Dieses Mal fiel die Zeremonie kleiner aus, die Freude über das Erreichte umso grösser.

«Das ist etwas absolut Unglaubliches, ein historischer Sieg. Auch am Morgen danach ist es noch schwer zu begreifen, was wir erreicht haben. Den Titel zu holen, ist das eine, ihn zu verteidigen, noch einmal etwas ganz anderes», sagte Mies, der den Rückweg nach Köln im Auto antrat. In seiner Heimatstadt werden «Kramies», wie die beiden spätestens seit ihrem Coup im Frühling 2019 genannt werden, in der übernächsten Woche beim zweiten Turnier antreten. Für die nun anstehende Woche haben sie sich erst einmal eine Pause verordnet.

Nur vier Herren-Doppel hatten es in der Geschichte des Profi-Tennis geschafft, ihren Titel in Paris erfolgreich zu verteidigen. Mehr als ein Doppel-Titel bei Grand-Slam-Turnieren gelang zuvor nur zwei deutschen Tennisprofis: Claudia Kohde-Kilsch (1985 US Open, 1987 Wimbledon) und Philipp Petzschner (2010 Wimbledon, 2011 US Open) - allerdings mit Partnern, die nicht auch aus Deutschland kamen.

Über eine eher amüsante als gänzlich ernstzunehmende Zahlenspielerei konnten sich Krawietz und Mies auch noch freuen: Niemand ausser ihnen hat eine Zu-Null-Bilanz in Roland Garros. «Es ist schon verrückt, dass wir hier ungeschlagen sind», sagte Krawietz über die 12:0 Siege nach ihren beiden bisher einzigen gemeinsamen Auftritten.

«Unser Ziel ist es, am Ende unserer Karriere einen besseren Rekord zu haben als Rafa», scherzte Mies in Anspielung auf Titelverteidiger Rafael Nadal, dessen French-Open-Bilanz vor dem Endspiel gegen Novak Djokovic 99:2 Siege aufwies. Krawietz assistierte schlagfertig wie sonst auf dem Platz: «Gott sei Dank spielt Rafa kein Doppel mit.»

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