Erneut setzt sich die deutsche Mannschaft für eine Verbesserung der Menschenrechte im WM-Gastgeberland Katar ein.
Mit nach vorne gerichteten Rückennummern wies die DFB-Auswahl symbolisch auf die 30 Artikel in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen hin. Foto: Stefan Constantin/dpa
Mit nach vorne gerichteten Rückennummern wies die DFB-Auswahl symbolisch auf die 30 Artikel in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen hin. Foto: Stefan Constantin/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Botschaften nehmen zu, aber der Adressat taucht (noch) auf keinem Trikot auf.
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Norwegen, Dänemark, die Niederlande und auch Deutschlands Fussball-Nationalmannschaft erhöhen mit Menschenrechtsaktionen den Druck auf WM-Gastgeber Katar, ohne das Emirat auf den Outfits zu erwähnen.

Mit nach vorne gerichteten Rückennummern wies die DFB-Auswahl vor dem 1:0 in Rumänien symbolisch auf die 30 Artikel in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen hin. Das dänische Team trug vor der Partie gegen Moldau wie schon die Niederländer Shirts mit der Aufschrift «Football Supports Change» («Fussball unterstützt Wandel»).

Es sind klare Zeichen gegen die oft kritisierten Arbeitsbedingungen im Emirat am Golf, wo im Winter 2022 die nächste Weltmeisterschaft ausgetragen wird. Genauso klar sind eigentlich die Regeln der FIFA: «Die vorgeschriebene Grundausrüstung darf keine politischen, religiösen oder persönlichen Slogans, Botschaften oder Bilder aufweisen», heisst es in den Spielregeln des Weltverbandes. Dass die deutsche Mannschaft vor ihrem ersten WM-Qualifikationsspiel vergangene Woche gegen Island Trikots mit der Botschaft «HUMAN RIGHTS» (Menschenrechte) bemalt hatte, hätte man demnach schon als Verstoss werten können. Bislang toleriert die FIFA diese Aktionen. Doch es scheint eine Toleranz mit Kalkül.

«Die FIFA glaubt an die Meinungsfreiheit und an die Kraft des Fussballs, den positiven Wandel voranzutreiben», hiess es vom Weltverband, nachdem die Norweger jüngst vor ihrem Spiel gegen Gibraltar weisse Shirts mit der Aufschrift «Respect - On and off the pitch» (Respekt - auf und neben dem Platz) getragen hatten. Bestraft wurde Norwegen dafür ebenso wenig wie Dänemark, Deutschland oder die Niederländer. «Die FIFA wird in diesem Zusammenhang kein Disziplinarverfahren einleiten», hiess es weiter. FIFA-Boss Gianni Infantino weiss genau: Würde man diese Botschaften sanktionieren, würde das die Proteste gegen die umstrittene Katar-WM nur verstärken.

Doch wo hört die Grenze auf, und wo fängt sie an? Bei der WM 2018 hatten die Schweizer Nationalspieler Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka und Stephan Lichtsteiner beim Jubeln im Spiel gegen Serbien mit den Händen den Doppeladler geformt, der die Flagge Albaniens ziert. Alle drei wurden von der FIFA mit einer Geldstrafe belegt; Serbien erkennt das albanisch geprägte Kosovo nach wie vor nicht als eigenständiges Land an. Als türkische Nationalspieler im Herbst 2019 per Militärgruss jubelten, erhielt man dafür eine Geldstrafe vom europäischen Verband UEFA, der politische Äusserungen in Stadien ebenfalls untersagt. Kann die FIFA in Sachen Katar also noch lange stillhalten?

Die Debatte ist kompliziert. Es ist wohl nicht davon auszugehen, dass die hohen Fussball-Funktionäre in Zürich von den zunehmenden Menschenrechtsaktionen europäischer Nationalteams begeistert sind. Doch weit über persönlichen Empfindungen steht für die FIFA der Schutz ihres Hochglanzprodukts: der Weltmeisterschaft, und die findet 2022 nun mal in Katar statt. Jede öffentliche Rüge jener gut gemeinten Botschaften würde der WM schaden. Dennoch wird die FIFA die Entwicklung genau beobachten. Der dänische Verband DBU nutzt die Aufmerksamkeit der Proteste etwa schon jetzt, um Geld für Gastarbeiter und ihre Familien in Katar zu sammeln.

Und wie würde die FIFA reagieren, wenn sich am Dienstagabend auch Irlands Nationalteam den Protestaktionen anschliessen sollte? Die Iren treffen dann auf Katar, das in der Gruppe A der europäischen WM-Qualifikation mitspielen darf, um für die Heim-WM Wettkampfpraxis zu sammeln. Was also, wenn die irischen Spieler vor diesem Duell ebenfalls auf Missstände im Land des WM-Gastgebers hinweisen würden? Viel mehr Aufmerksamkeit liesse sich kaum generieren. Das wird auch die FIFA wissen.

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