Hörfunk-Reporterin Töpperwien: Noch «nicht gleichberechtigt»
Ihrer Sonderrolle als Frau im Sportjournalismus und speziell im Fussball ist sich Sabine Töpperwien früh bewusst. Die Radioreporterin öffnet Kolleginnen Türen. Sie hat aber auch Forderungen an die nächste Generation.
Das Wichtigste in Kürze
- Auch an ihrem ersten Tag als Rentnerin wird Sabine Töpperwien dort sein, wo sie sich mit am wohlsten fühlt: am Mikrofon.
Die langjährige Leiterin der Sportredaktion im WDR-Hörfunk wird am 1. März um 12.00 Uhr im Podcast ihres dann ehemaligen Kollegen Stephan Kaussen über ihre mehr als drei Jahrzehnte als Frau in den Männerwelten Sportjournalismus und Fussball plaudern. «Ich werde noch einmal mehr zurück als nach vorne blicken und in Erinnerungen schwelgen», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Dass das verkündete Ende ihrer Laufbahn ein grosses Echo ausgelöst hat, kam für die 60-Jährige unerwartet. «Ich bin gerührt. Ich bin stolz. Ich bin überrascht, weil ich mit so einer riesigen und unglaublichen Resonanz nicht gerechnet habe», sagte Töpperwien, die sich aus gesundheitlichen Gründen verabschiedet.
In ihrer letzten Arbeitswoche ist sie in mehrere Hörfunk- und TV-Sendungen eingeladen, um über ihre Erfahrungen zu sprechen. Vielen TV- und Radio-Kolleginnen gilt sie als Vorbild. «Ich fand Sabine Töpperwien immer toll», schrieb ZDF-Journalistin Katrin Müller-Hohenstein in der Wochenzeitung «Die Zeit». Töpperwien sei eine «Pionierin, die vielen anderen Frauen nach ihr die Tür ein Stück aufgestossen hat. Etwa mir.»
Ähnlich geht es Stephanie Baczyk, seit 2019 als erste Frau im Kommentatoren-Einsatz für die «Sportschau» in der ARD. «Wie besonders ihre Rolle tatsächlich ist, realisiere ich erst Jahre später, als ich selbst Sportjournalistin werden will», schrieb sie im Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». «Dass Frauen im Fussball heute selbstverständlicher am Start sind, ist mit Sabines Verdienst.» WDR-Intendant Tom Buhrow nannte Sabine Töpperwien nicht nur eine «Pionierin», sondern gar eine «Legende des Sportjournalismus».
«Das ist ein fantastischer Schlusspunkt für meine Laufbahn», sagte Töpperwien über die Würdigungen, «weil ich sehr viele Steine in den Weg bekommen habe.» Es sei «ein harter Weg gewesen über drei Jahrzehnte», meinte die «leidenschaftliche Reporterin» (Töpperwien über Töpperwien).
Früh in ihrer Laufbahn wurde ihr die Sonderrolle als Frau im Sportjournalismus mit der Passion Fussball bewusst. «Es war so etwas Ungeheuerliches, dass man sich als Frau in Deutschland für die liebste Sportart, bei der die Männer am liebsten alles selber machen wollten, interessierte», sagte sie. «Von da an hat mich das ein Leben lang begleitet.» Ohne den Beistand und den «unglaublich wertvollen Tipps» ihres Bruders, des früheren ZDF-Sportreporters Rolf Töpperwien, hätte sie es «nicht gepackt».
Für ZDF-Sportreporterin Claudia Neumann ist Töpperwien eine Schwester im Geiste. «Ich bin in den Fussball soft reingewachsen», sagte Neumann der dpa. «Ich habe nichts Negatives erfahren.» Erst als sie als erste Frau live bei einer Männer-WM kommentierte, erlebte sie Beleidigungen und Beschimpfungen. «Es ist schön, dass sich Claudia durchgeboxt hat», sagte Töpperwien. «Das ZDF ist stabil geblieben und hat sich hinter sie gestellt.»
Grundsätzlich freue sie sich, dass es heute mittlerweile mehr Sportjournalistinnen gibt. «Aber ich stelle auch fest, dass es im Sportjournalismus und im Fussball-Journalismus im Speziellen noch immer nicht gleichberechtigt zugeht», sagte Töpperwien, die über 700 Fussball-Spiele kommentierte, knapp 600 davon in der Bundesliga.
Im Hörfunk und im Fernsehen komme man nicht einmal «auf zwei Hände voll an Reporterinnen». «Das ist für 2021 eigentlich ein Skandal», meinte sie. Sie habe 1998 erstmals ein WM-Spiel im ARD-Hörfunk kommentiert, ein Jahr zuvor den UEFA-Pokal-Sieg von Schalke 04. «Wie wenig ist seitdem passiert?», beklagte sie. Es dürfe nicht sein, «dass man in dieser Dekade nur einzelne Kolleginnen vor Augen hat».
Auch beim Publikum sieht sie noch Vorbehalte. «Ich glaube, das liegt auch daran, weil es diese einzelnen Frauen sind. Damit ragen sie schon heraus, allein schon wegen der Stimme.» Das sei noch immer etwas Ungewohntes. Das klinge dann fremd und sei unerwünscht. «Und dann kommen noch die Chauvinisten dazu, die anderen die Fachkompetenz absprechen», sagte Töpperwien.