Rummenigge: «Fussball produziert quasi nur noch Verluste»

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Vor sieben Monaten ist Karl-Heinz Rummenigge als Chef des FC Bayern abgetreten. Der 66-Jährige äussert sich zu seinem veränderten Leben und bezieht Position zu Kahn, Nagelsmann, Sané, DFB und DFL.

Karl-Heinz Rummenigge ist vor sieben Monaten als Chef des FC Bayern abgetreten. Foto: Sven Hoppe/dpa
Karl-Heinz Rummenigge ist vor sieben Monaten als Chef des FC Bayern abgetreten. Foto: Sven Hoppe/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Fast zwei Jahrzehnte hat Karl-Heinz Rummenigge den FC Bayern München erfolgreich als Vorstandsvorsitzender angeführt.

Nach seinem Rückzug beim deutschen Fussball-Rekordmeister hat sich der 66-Jährige inzwischen im neuen Leben eingerichtet.

Beim Treffen in seinem Wohnort Grünwald bezeichnet er es als «stressfreier». Den Fussball und den FC Bayern verfolgt das UEFA-Exekutivmitglied weiter intensiv - und er bleibt ein meinungsstarker Gesprächspartner.

Herr Rummenigge, seit sieben Monaten sind Sie nicht mehr Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München. Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt Entzugserscheinungen bei Ihnen?

Mein Leben hat sich natürlich verändert. Es ist weniger aufregend, stressfreier. Als ich aufgehört habe Mitte letzten Jahres, bin ich für acht Wochen auf meine Lieblingsinsel Sylt gegangen, um möglichen Entzugserscheinungen entgegenzuwirken. Das war ein gutes Rezept. Der Sommer dort war extrem schön. Und da ich eine sehr grosse Familie habe, die uns peu à peu besucht hat, hat sich das als eine wirklich gute Entscheidung herausgestellt.

Und jetzt?

Ich verfolge natürlich den Fussball weiter. Ich verfolge auch den FC Bayern weiter, schaue mir jedes Spiel an, aber entspannter. Ich bin noch emotional dabei, aber alles auf einer Ebene, so dass ich mich nicht mehr so aufrege. Ich habe selbstbestimmt entschieden, dass ich etwas früher als Vorstandschef aufhören möchte als geplant. Ich habe gespürt, dass es der bessere Zeitpunkt war, schon im Sommer aufzuhören und damit meinem Nachfolger die Verantwortung für die gesamte Saison zu überlassen und nicht nur für die halbe.

Sie standen 20 Jahre an der Spitze des FC Bayern. Können Sie aus Ihren Erfahrungen den abrupten Rückzug von Geschäftsführer Max Eberl bei Borussia Mönchengladbach nachvollziehen? Hat der Druck auf die Entscheider im Fussball - in Corona-Zeiten - nochmals zugenommen?

Der Druck im Fussball war und ist immer gross. Corona hat finanzielle Schäden verursacht. Und das hat Konsequenzen für Vorstände oder Sportdirektoren. Sie müssen damit umgehen. Sie müssen sehr umsichtig agieren auf dem Transfermarkt, insbesondere bei Gehältern, im Umgang mit Beratern und Spielern, die nach wie vor nicht akzeptieren wollen, dass sich der Markt verändert hat, speziell in Deutschland. Ich habe in den 20 Jahren als Vorstandschef bei Bayern München auch nicht nur Sonnenschein erlebt. Man muss ein dickes Fell haben in diesem Geschäft. Uli Hoeness und ich haben das nach aussen immer ausgestrahlt. Aber ich weiss schon, was es bedeutet, wenn du am Samstag in der Bundesliga ein Spiel verloren hast. Dann war das Wochenende hinüber.

Sie haben Ihrem Nachfolger Oliver Kahn etwas früher Platz gemacht, wie Sie sagten. Was denken Sie: Wie will er den FC Bayern ausrichten? Er wird kaum nur Ihren Kurs fortsetzen wollen, oder?

Wenn man neu beginnt, muss man Dinge ein Stück weit modernisieren und neu ausrichten, ohne das Bewährte aufzugeben. Das ist die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe, die Oliver hat. Wir blicken auf zehn Jahre zurück, die für Bayern München unglaublich erfolgreich waren - sportlich und auch finanziell. Wir waren ein Vorbild im europäischen Fussball. Diese Stellung zu halten ist - speziell durch Corona - schwieriger geworden. Aber auch durch die Gesellschaft, die sich verändert hat und möglicherweise gegenüber dem Fussball kritischer geworden ist.

Woran machen Sie das fest?

Ich mache das daran fest, dass Fan-Gruppierungen kritischer mit dem Fussball umgehen. Das hat man nicht nur bei Bayern München auf der jüngsten Jahreshauptversammlung gespürt. Wir sind an einem Punkt, an dem man seriös diskutieren muss: Quo vadis deutscher Fussball? Es ist natürlich für den FC Bayern toll, wenn er jetzt wahrscheinlich zum zehnten Mal nacheinander deutscher Meister wird. Aber für das Thema Emotion im Fussball und in der Bundesliga ist das wiederum nicht gut. Ich empfehle, einen Blick über die Grenzen zu werfen, etwa nach England. Wir haben in Deutschland jahrelang versucht, einige Dinge auszusitzen. Das führt zwangsläufig zu Problemen, national wie international.

Stehen Sie mit Oliver Kahn weiterhin regelmässig im Austausch?

Ich möchte nicht als Besserwisser dastehen und ihm Ratschläge geben. Wir haben ein respektvolles und gutes Verhältnis. Er muss seinen Weg gehen. Dazu wird auch gehören, Fehler zu machen, und das muss man ihm im Zweifelsfall auch zugestehen.

Die Champions League startet in die K.o.-Phase. Von den 16 Vereinen im Achtelfinale kommen vier aus England, drei aus Spanien, je zwei aus Italien, Frankreich und sogar Portugal - aber nur einer aus Deutschland. Ist das eine Momentaufnahme oder doch mehr?

Beides. Im letzten Jahr waren noch alle vier Bundesligisten im Achtelfinale. Aber es ist ein negativer Trend erkennbar. Wir können uns die Europa League mit noch vier deutschen Teilnehmern schönreden. Aber der grosse Fussball findet nunmal in der Champions League statt. Da ist nur noch Bayern München dabei - und das hoffentlich lange.

Was sind die Gründe für den Abwärtstrend?

Die Gründe liegen immer im Faktor Qualität. Und der hat auch mit Finanzen zu tun. Wobei ich sagen muss: Das Dortmunder Aus in der Champions League war für mich eine Überraschung. Die Gruppe mit Ajax Amsterdam, Sporting Lissabon und Besiktas Istanbul erschien mir machbar. Klar war dagegen von Anfang an, dass es der VfL Wolfsburg und speziell auch Leipzig, in einer Gruppe mit den beiden grossen Kalibern Paris Saint-Germain und Manchester City, schwer haben würden.

Wer ist Ihr Favorit auf den Titelgewinn?

Die beste Gruppenphase hat Bayern München gespielt mit wieder mal sechs Siegen. Die Mannschaft funktioniert gut. Trotzdem muss das noch nichts heissen. In der Champions League muss man im K.o.-System ganz neu denken. Du musst jedes Spiel super konzentriert angehen, dazu ein wenig Glück haben. Alles muss passen, so wie bei unserem Titelgewinn 2020. Da passte alles auf den Punkt. Die Mannschaft war topfit, ihr Charakter herausragend. Und Hansi Flick hatte das Finalturnier in Lissabon Weltklasse vorbereitet. Vor einem Jahr dagegen hatten wir beim Aus gegen Paris Saint-Germain das Pech, dass vorher das weltbewegende Länderspiel Polen gegen Andorra stattgefunden hatte, bei dem sich Robert Lewandowski verletzt hat. Dann fehlten gegen PSG weitere verletzte Akteure wie Serge Gnabry, Niklas Süle und im Rückspiel Leon Goretzka. Es muss also alles passen. Zudem empfehle ich Demut. Alle Clubs im Achtelfinale haben sich nicht zufällig qualifiziert.

Demut passt vermutlich gut zum Bayern-Gegner Red Bull Salzburg, oder? Ein Weiterkommen gilt als Pflichtaufgabe.

Natürlich ist Bayern München der grosse Favorit. Aber Salzburg hat sich als Gruppenzweiter gegen einen Club wie den FC Sevilla durchgesetzt. Ich empfehle, sehr respektvoll mit Salzburg umzugehen. Dann wird Bayern München natürlich ins Viertelfinale einziehen. Aber ich sage voraus: Bayern München wird nicht arrogant auftreten, nicht mit diesen Spielern und nicht mit diesem Trainer.

Robert Lewandowski, der aktuell verletzte Torwart und Kapitän Manuel Neuer und Thomas Müller sind weiterhin die Anführer beim FC Bayern. Die Entdeckung der bisherigen Saison ist aber ein gereifter Leroy Sané. Folgt für ihn jetzt in der K.o.-Phase der Champions League die Reifeprüfung zum europäischen Topstar?

Als wir Leroy 2020 verpflichtet haben, haben wir viel Glauben und viel Geld in ihn investiert. Er hat vielleicht das erste Jahr gebraucht. Gar nicht so sehr wegen seiner Kreuzbandverletzung zuvor. Er musste ein wenig heraus aus seiner Bequemlichkeit. Das, was Anfang dieser Saison passiert ist, mit den Pfiffen der Fans, den Kritiken der Experten, war hilfreich. Das war offenbar ein Weckruf für ihn nach dem Motto: 'Ich muss Dinge verändern, und die Erwartungen des Clubs und das Talent, das mir der Liebe Gott in die Wiege gelegt hat, auch erfüllen.' Jetzt erfüllt er sie. Der ganze Verein ist happy, er ist happy. Er ist ein ganz anderer Spieler geworden. Er partizipiert ganz anders am Spiel. Er hat in der letzten Saison auf Rechtsaussen oft ein Mauerblümchendasein geführt. Jetzt will er den Ball haben. Er ist nicht nur schnell und torgefährlich, er ist auch laufstark und hilft in der Defensive aus.

Eine grosse Veränderung steht in der K.o.-Phase an: Nach 56 Jahren gilt im Europapokal die Auswärtstorregel nicht mehr. Steht es also im Gesamtvergleich aus Hin- und Rückspiel unentschieden, geht es nun in die Verlängerung. Was erwarten Sie von der Regeländerung?

Wir haben in der UEFA-Exekutive lange über dieses Thema diskutiert. Ich war für die Abschaffung - nicht, weil wir mit Bayern München letztes Jahr gegen Paris Saint-Germain so noch in die Verlängerung gekommen wären. Ich bin überzeugt, es wird für mehr Spannung sorgen. Es werden mehr Spiele in die Verlängerung gehen. Die Champions League fängt mit dem K.o.-System für mich erst so richtig an. Und die Abschaffung der Auswärtstorregel wird helfen, den Wettbewerb sportlich noch attraktiver zu machen.

Ist Julian Nagelsmann trotz seiner erst 34 Jahre schon ein Trainer, der Champions-League-Siegerformat besitzt wie Jürgen Klopp (FC Liverpool), Hansi Flick (Bayern München) und Thomas Tuchel (FC Chelsea), die deutschen Sieger in den vergangenen drei Spielzeiten?

Ich habe einen positiven Eindruck von Julian Nagelsmann. Er musste in sehr grosse Fussstapfen treten, die ihm Hansi mit sieben Titeln in 14 Monaten hinterlassen hat. Er hat sich davon aber nicht irritieren lassen. Er hat den FC-Bayern-Stil, der seit Louis van Gaal Bestand hat, ein Stück weit auf seine Philosophie angepasst. Und unsere Mannschaft verlangt genau so etwas von einem Trainer.

Können Sie das näher erläutern?

Ich habe es erlebt, wenn die Spieler merken, dass ein Trainer dieses Niveau nicht hat. Dann wird es - ich nenne es mal so - kälter in einer Kabine. Die Mannschaft vermittelt mir den Eindruck, dass sie mit Julian sehr happy ist, dass die Partnerschaft zwischen Trainer und Mannschaft sehr gut funktioniert. Er besitzt natürlich ein Manko an Erfahrung gegenüber Jürgen Klopp, Pep Guardiola oder Thomas Tuchel, um drei Trainer zu nennen, die ebenfalls grosse Mannschaften trainieren, mit denen sie schon viel gewonnen haben. Erfahrung ist wichtig. Aber jugendlicher «Leichtsinn» ist auch ein Attribut, das helfen kann. Also: Alles ist möglich.

Sie haben Hansi Flick angesprochen. Trauen Sie ihm zu, wie beim FC Bayern auch die Nationalmannschaft im Eiltempo wieder so in die Spur zu bringen, dass sie nach zwei vermurksten Turnieren schon bei der WM Ende dieses Jahres wieder um den Titel mitkämpfen kann?

Hansi hat bei uns einen herausragenden Job gemacht. Er hat die Mannschaft übernommen, da stand sie auf Platz sechs. Er hat dann sechs Titel in dem Jahr gewonnen. Dazu hat er einen grossartigen Beitrag geleistet. Da muss eine Mannschaft perfekt funktionieren. Hansi hat sie dazu gemanagt. Wenn man sich nun seine ersten Monate als Bundestrainer ansieht, muss die Antwort lauten: Ja, klar!

Hat er für einen Stimmungswandel im Land gesorgt?

Er hat sieben Spiele gewonnen und als Bundestrainer einen Startrekord hingelegt. Aber das Wichtigste ist für mich: Der Glaube an die Nationalmannschaft ist zurück. Den hatten wir doch spätestens nach der verkorksten Europameisterschaft verloren. Hansi hat mit seiner Spielweise wieder Zug reingebracht. Er ist Gold wert für den DFB, ein echter Glücksgriff.

Hat sich der Fussball in den zwei Jahren der Pandemie aus Ihrer Sicht verändert?

Auf dem Platz hat er sich nicht verändert. Ausserhalb des Platzes kommt es mir immer noch so vor, als wenn viele Corona, gerade bei den finanziellen Auswirkungen, nicht wirklich wahrnehmen wollen.

Wen meinen Sie mit viele?

Wenn ich mir allein die Transferausgaben anschaue, habe ich den Eindruck, dass man insbesondere in England aus dem Malus einen Bonus machen wollte. Die Clubs der Premier League verfügen über ein x-faches an Fernsehgeldern im Vergleich zur Bundesliga, allein aus der Auslandsvermarktung erzielen sie das Zehnfache. Und dann sind da noch die schwerreichen Besitzer, die notfalls die Zeche bezahlen können. Insofern ist der Transfermarkt zumindest im Spitzenbereich noch sehr intakt. Aber mit einem grossen Problem. Der Fussball entwickelt sich immer mehr zu einer Industrie, in der quasi nur noch Verluste produziert werden.

Beim FC Bayern wird aber trotz Corona-Einbussen auch nicht gekleckert. Wenn man die jüngsten Vertragsverlängerungen mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Kingsley Coman betrachtet, dann kennen die Gehälter der Stars weiter nur eine Richtung - nach oben.

Gegenfrage: Was wäre die Alternative gewesen? Sich mit den Spielern nicht zu einigen und sie dann zu verlieren? Das kann nicht die Lösung sein. Der Verein hat sich darauf konzentriert, mit den Spielern, die er unbedingt braucht, zu verlängern. Und der Markt ist nun mal so, wie er ist. Das ist für alle ein Problem, auch für Bayern München.

Glauben Sie, dass die Fans wieder wie vor Corona in die Stadion strömen werden, wenn die Pandemie im Griff ist?

Ich glaube, es kommt alles zurück. Sobald die Leute sich sicher vor Corona fühlen, werden sie wie früher ins Stadion gehen und die Spiele geniessen. Und der grosse Vorteil, den Deutschland dabei hat, ist: Die Stadionqualität ist die beste in Europa, ebenso die Stadionkultur.

Sie haben kein Amt mehr beim FC Bayern, sind aber als Vertreter der Clubvereinigung ECA Mitglied im Exekutivkomitee des europäischen Dachverbandes UEFA. Was sind dort Ihre Anliegen?

Ich fühle mich dort weiterhin für die Vereinsinteressen verantwortlich. Das habe ich schon in meinen zehn Jahren als ECA-Vorsitzender so gehalten. Die Basis von allem, was im Fussball stattfindet, ist der Vereinsfussball. Die Vereine bezahlen die Spieler. Damit haben sie auch Rechte. Und das muss man auch den Verbänden immer wieder mal kundtun. Es kann nicht sein, dass wir immer nur Nationalmannschaftswettbewerbe ausweiten und noch häufiger spielen. Nicht Quantität sondern Qualität ist im Fussball die Lösung.

Ist das Projekt Super League, das federführend von Vereinen wie Real Madrid, FC Barcelona und Juventus Turin angestrebt wurde, vom Tisch? Oder ist es nur vorübergehend in der Schublade verschwunden?

Die Super League war finanziellen Problemen geschuldet. Das ganze Thema hat von Anfang an den Eindruck vermittelt, dass es jemand unter grossem Zeitdruck mit ganz heisser Nadel zusammengestrickt hat. Es ist kein Zufall, dass insbesondere die spanischen und italienischen Clubs, die dabei waren, die grösste finanzielle Not hatten. Das Thema ist vom Tisch. Es wird nie wieder eine privat organisierte Superleague geben. Die Benchmark im Club-Fussball ist die Champions League. Die Gründer waren für mich die grössten Visionäre.

Der Deutsche Fussball-Bund und die Deutsche Fussball Liga stellen sich gerade an der Spitze personell neu auf. Was trauen Sie der neuen DFL-Geschäftsführerin Donata Hopfen und Dortmund-Boss Hans-Joachim Watzke als Aufsichtsratschef der Liga zu? Was sind Ihre drängendsten Aufgaben?

Ich kenne Frau Hopfen noch nicht persönlich. Sie hat grosse Fussstapfen vor sich, die Christian Seifert hinterlassen hat. Er hat den Job top gemacht, insbesondere in Zeiten von Corona. Aki (Watzke) wiederum ist ein ausgeschlafener, erfahrener Manager im Fussball. Die wichtigste Aufgabe - nicht nur der beiden, sondern der Bundesliga - wird sein, Sorge zu tragen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Vereine zu gewährleisten und gleichzeitig wieder mehr nationalen Wettbewerb herbeizuführen. Für beides braucht man Geld. Eine Umverteilung von oben nach unten wird die Bundesliga in der Spitze eher schwächen als stärken. Deshalb ist auch bei der 50+1- Regel mein Ansatz ein anderer als von zahlreichen anderen Protagonisten in der Liga.

Bayern München und Sie plädieren für eine Öffnung der Bundesligavereine für Investoren?

Wenn man sich die Entwicklung des englischen Fussballs anschaut, oder auch die Entwicklung von Paris Saint-Germain: Wo standen diese Clubs vor zehn, 15, 20 Jahren? Wo stehen sie heute? Sie sind alle wesentlich wettbewerbsfähiger. Manchester City war zur Jahrtausendwende nur drittklassig!

Am 11. März wählt der DFB einen neuen Präsidenten. Bernd Neuendorf, der Präsident des Fussball-Verbandes Mittelrhein, geht dabei als Favorit in den Zweikampf mit Peter Peters, dem früheren Schalker Finanzvorstand. Glauben Sie an einen Befreiungsschlag?

So lange sich die Spitze des DFB weiterhin illoyal und disharmonisch zeigt, gehe ich nicht von einem Befreiungsschlag aus. Das liegt an den handelnden Personen. Ich denke, dass Herr Neuendorf als Favorit ins Rennen geht, weil zwei Drittel der Stimmen aus dem Amateurlager kommen. Die wird er auf sich vereinen können. Aber ich würde dem DFB trotzdem dazu eine starke Frau in der Führung wünschen, weil eine Frau speziell in den Punkten Loyalität und Harmonie dem DFB gut zu Gesicht stehen würde und auch der positiven Entwicklung des Frauenfussballs Rechnung tragen würde.

Kann allein ein neuer DFB-Präsident die Gräben zwischen Profis und Amateuren wieder zuschütten?

Aktuell will der Profifussball mit dem DFB doch gar nichts mehr zu tun haben, weil das Image des DFB längst zu einem Malus für den deutschen Fussball geworden ist. Aber man sollte der demnächst neugewählten Führung eine seriöse und faire Chance geben, Dinge auch wieder zu verbessern.

Karl-Heinz Rummenigge, geboren am 25. September 1955 in Lippstadt, war von 2002 bis Mitte 2021 Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG. Zuvor war er Vizepräsident. In seine Amtszeit fielen auch die Triple-Gewinne 2013 und 2020. Als Weltklassestürmer gewann er in seiner Profi-Karriere mehrere Titel mit dem FC Bayern. Er spielte zudem für Inter Mailand und Servette Genf. Mit Deutschland wurde er zweimal WM-Zweiter (1982, 1986) und 1980 Europameister.

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