Corona-Einigkeit vorbei: Bundesliga-Kampf um Milliarden

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Der Profifussball erhält 4,4 Milliarden Euro zwischen 2021 und 2025 aus dem TV-Vertrag. Nun beginnt der grosse Kampf ums Geld. Von der Einigkeit und der Solidarität aus der Corona-Pause ist kaum etwas übriggeblieben. Der DFL-Chef fordert Anstand und Weitblick.

Christian Seifert erwartet eine anstrengende Verteilung der Gelder aus den Fernsehverträgen. Foto: Boris Roessler/dpa
Christian Seifert erwartet eine anstrengende Verteilung der Gelder aus den Fernsehverträgen. Foto: Boris Roessler/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Im gemeinsamen Corona-Existenzkampf rückte der deutsche Profifussball ein gewaltiges Stück zusammen, doch mit dem solidarischen Kuschelkurs ist es im Milliardengeschäft schon wieder vorbei.

Kaum hatte DFL-Boss Christian Seifert den Erlös von 4,4 Milliarden Euro aus den TV-Rechten für die Spielzeiten 2021/22 bis 2024/25 verkündet, brachten sich die Bundesligaclubs für den grossen Kampf ums Geld in Stellung. 

Die international gefragten Top-Vereine wie Abonnement-Meister Bayern München oder Verfolger Borussia Dortmund wollen ihre Millionen weiter nach dem bisherigen Verteilerschlüssel der Liga kassieren. «In Deutschland gibt es eine sehr solidarische, ausgewogene Verteilung der TV-Gelder: Der Meister erhält doppelt so viel TV-Einnahmen wie der Tabellenletzte», sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge dem «Handelsblatt».

Auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hält nichts von einem neuen Verteilerschlüssel. Der «Status quo» sei richtig, sagte er den Zeitungen der «Funke Mediengruppe» und betonte: «Wenn man versucht, die Zugpferde der Liga zu schwächen, dann schwächt man die ganze Liga

Das sehen die «Kleinen» der Branche ganz anders. Sie wollen künftig mehr vom ohnehin geschrumpften Kuchen - vor allem durch den Ausfall von Eurosport fehlen schon in der nächsten Spielzeit bis zu 150 Millionen Euro - abbekommen. «Ich denke, dass alle mittlerweile verstanden haben, dass es auch schön wäre, wenn eine Generation von Kindern aufwächst, die nicht nur Bayern München als Meister erlebt», sagte Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Filbry dem «Weser-Kurier» und forderte: «Wir müssen uns auf die Verteilung der nationalen und internationalen Medienerlöse konzentrieren, um einen fairen und integren Wettbewerb hinzubekommen.»

Für alle Vereine gilt: Die ungewisse Situation aufgrund der anhaltenden Coronavirus-Pandemie ist eine enorme Herausforderung. Seifert erwartet daher in den nächsten Wochen eine sehr intensive Debatte. Schon an diesem Mittwoch tagt das Präsidium der Deutschen Fussball Liga, um sich über die nahe Corona-Zukunft und die anstehende Gelder-Verteilung auszutauschen.

Die Gespräche darüber bezeichnete Seifert als «genauso anstrengend» wie die Verhandlungen mit den Medienpartnern, die - wohl auch wegen der Corona-Krise - diesmal rund 240 Millionen Euro weniger einbrachten als im aktuellen Rechtezyklus. Was er damit meinte, wurde bei einem Blick auf die ersten Reaktionen der Clubs sofort klar. Zwar wurde durchgehend das positive Ergebnis der DFL gelobt. Was mit dem Geld nun aber passieren soll, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.

Wie Filbry fordert auch Fortuna Düsseldorfs Vorstandschef Thomas Röttgermann eine Umverteilung. «Wir sprechen seit Jahren davon, dass die Schere zwischen den Vereinen immer weiter auseinander geht, wir unternehmen aber nichts dagegen. Die Krise hat uns den Spiegel vorgehalten und daher ist genau jetzt der Zeitpunkt, etwas zu ändern. Wir brauchen keine Geldverteilung, die die jetzigen Verhältnisse zementiert», sagte der 59-Jährige. Es sei ein Trugschluss, die Top-Clubs immer weiter mit Geld zu versorgen, um so die internationale Konkurrenzfähigkeit zu befördern.

In der Saison 2018/19 erhielt Bayern München als Liga-Krösus aus der nationalen Rechteverwertung mit 65,4 Millionen Euro mehr als zweieinhalb mal so viel Geld wie die Düsseldorfer, die rund 25 Millionen Euro kassierten. Jan Lehmann, kaufmännischer Vorstand des FSV Mainz 05, fürchtet durch den leichten Rückgang der TV-Gelder härtere Auswirkungen «vor allem für die kleineren Clubs, die wie wir im Verhältnis mehr von den Medienerlösen abhängig sind als von anderen Einnahmen».

Im laufenden Zyklus gibt es vier Säulen für die Ausschüttung der TV-Gelder. Mit 70 Prozent und damit mit grossem Abstand am meisten zählt eine nationale Fünf-Jahres-Wertung, bei der die vergangene Spielzeit das grösste Gewicht hat. Der Meister erhält 5,8 Prozent der Erlöse, für den Letzten gibt es noch 2,9 Prozent. Auch die Faktoren Nachhaltigkeit (5 Prozent), Nachwuchs (2 Prozent) und Wettbewerb (23 Prozent) spielen eine Rolle. 

Viele der Folgen, die vor allem die kleinen Clubs anprangern, sind in den vergangenen Bundesliga-Jahren deutlich sichtbar geworden. Neben Dauermeister Bayern (acht Titel in Serie) spielen mit Dortmund, Leverkusen, Schalke, Leipzig oder Gladbach meist die gleichen Clubs um die Qualifikation für die Champions League. Sich als langjähriger Zweitligist in der Bundesliga zu etablieren, scheint beinahe unmöglich. Fürth, Braunschweig, Paderborn, Ingolstadt, Darmstadt und Nürnberg stiegen in den vergangenen Jahrzehnt spätestens im zweiten  Bundesliga-Jahr wieder ab.

Über allen Forderungen zur Veränderung steht weiter eine grosse Unsicherheit wegen Corona. Mit der schnellen Saison-Fortsetzung wurde ein Worst-Case-Szenario zunächst zwar abgewendet, doch die Gefahr ist längst nicht vom Tisch. Kann es im September mit der neuen Saison weitergehen? Muss womöglich noch einmal unterbrochen werden? Wann dürfen die Vereine wieder ihre Fans ins Stadion lassen, mit welchen Zuschauereinnahmen kann geplant werden? All diese Fragen sind offen.

Wie in den Verhandlungen mit den aktuellen und künftigen TV-Partnern Sky, DAZN, ARD und ZDF wird es auch in den Gesprächen mit den 36 Erst- und Zweitligisten auf das Geschick von Seifert ankommen. «Ich wünsche mir, dass die Diskussionen mit Anstand und Weitblick geführt werden», sagte der DFL-Chef. «Ob man das nur daran festmachen sollte, ob jemand achtmal in Serie Meister wurde, sei mal dahingestellt. Das ist sicher nicht das einzige Kriterium.»

© dpa-infocom, dpa:200622-99-524837/6

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