WM 2022: Sind die Tanz-Torjubel von Neymar und Co. respektlos?
Das Wichtigste in Kürze
- «Ich habe noch nie so viel Tanzerei gesehen, das ist respektlos», sagt Roy Keane.
- Der Ire kritisiert Neymar und Co. für ihre Jubel-Einlagen beim 4:1 im WM-Achtelfinal.
- Sind die Tor-Tänzchen respektlos? Die Nau.ch-Sportredaktion ist sich nicht einig.
Brasilien spielt Südkorea im Achtelfinal der WM 2022 an die Wand. Schon nach 36 Minuten steht es 4:0, am Ende steht die Seleção mit einem hochüberlegenen 4:1-Sieg im Viertelfinal.
ManUtd-Legende Roy Keane hatte aber irgendwann genug gesehen. Er wirft Neymar und Co. Arroganz vor. «Ich habe noch nie so viel Tanzerei gesehen», so der 51-Jährige beim TV-Sender «ITV».
Das sagte der ehemalige Champions-League-Sieger bereits zur Halbzeit. Weil jedes Tor mit Freudentänzen vor der Fankurve in Doha gefeiert wurde. «Ich mag das nicht, es wird gesagt, das ist ihre Kultur. Aber ich denke, das ist wirklich respektlos gegenüber dem Gegner – sie schiessen vier Tore und machen es jedes Mal.»
Finden Sie es respektlos, dass die Brasilianer alle Ihre Tore gegen Südkorea mit Tänzchen gefeiert haben?
Auf der Nau.ch-Sportredaktion ist man gespalten:
Matthias Neuhaus, Sport-Redaktor
«Respektlos? Die Aussage von Roy Keane klingt für mich nach purem, britischem Neid. Die Brasilianer haben gegen Südkorea gezaubert und den Gegner an die Wand gespielt. Wieso sollten sie dabei nicht ausgelassen jubeln dürfen?
An der WM 1990 tanzte sich der Kameruner Roger Milla in die Herzen der Fussball-Fans. Über 30 Jahre später ist sein legendärer Hüftschwung an der Eckfahne weiterhin unvergessen.
Das Tanzen gehört zur brasilianischen Kultur wie das Amen in die Kirche. Der Rhythmus liegt den Südamerikanern im Blut. Neymar & Co. sollen den Samba sowohl neben als auch auf dem Platz zelebrieren – gerne auch mit Trainer Tite.
Der Torjubel zeugt für mich von Spielfreude und Unbekümmertheit. Und diese Eigenschaften können Brasilien an dieser WM ganz weit nach vorne bringen.»
Andrea Schüpbach, Sport-Redaktor
«Tanzen gehört bei den Brasilianern an Fussball-Weltmeisterschaften dazu, seit ich Fussball schaue. Es gibt aber kleine, feine Unterschiede.
Vor zwei Jahrzehnten rannte Ronaldinho nach seinen Treffern zur Eckfahne und setzte zum Tänzchen an. Purer Instinkt, pure Lebensfreude, Spass am Fussball.
Dieses Jahr ist es anders. Raphinha kündet bereits in der Gruppenphase an, dass man zehn verschiedene Tänze eintrainiert hat, um die Treffer zu feiern.
Genauso wirkt es denn auch. Nach dem gemeinsamen Jubeln pfeift Neymar seine Truppe (Vinicius, Paqueta, Raphinha) zusammen. Und präsentiert dem Publikum, was man zuvor gelernt hat.
Statt purer Lust am Fussball sieht es plötzlich ganz schnell nach geplanter Verhöhnung des Gegners aus. Spätestens beim 3:0 von Richarlison und seinem Gockel-Jubel. Oder wenn Coach Tite nach 80 Minuten noch den dritten Goalie einwechselt.
In Brasilien wird man das aber anders sehen. Das ganze Land wünschte sich endlich wieder eine Mannschaft, die erfolgreich und spektakulär ist. Neymar und Co. bleiben bisher nichts schuldig.»