Fussball-Talk: «FCB-Vogel ist kein Vorbild!» – «YB bangt um Itten»
In Zürich sorgt Blerim Dzemaili für einen kitschigen Moment. Der FCB sieht wieder mal Rot und ist hässig auf den Schiri. Willkommen beim Fussball-Talk.
Das Wichtigste in Kürze
- Heiko Vogel und Riccardo Calafiori vom FCB sehen beim 1:1 gegen Lugano Gelb-Rot.
- Bei YB kehren kurz vor dem Cupfinal zwei Verletzte zurück, dafür ist Itten fraglich.
- Das Derby zwischen dem FCZ und GC entscheidet mit Blerim Dzemaili eine Club-Legende.
- Sportchef Christoph Böhlen und Fussball-Chefreporter Mischi Wettstein im Gespräch.
Nau.ch: Glaubt Ihr eigentlich an Fussball-Märchen? Oder wie erklärt Ihr euch, dass ausgerechnet Blerim Dzemaili den FCZ zum Derbysieg schiesst?
Mischi Wettstein: Es gibt Märchen, die man sich verdient! Und bei Blerim und seiner grossen Karriere ist das definitiv der Fall. Für mich ist Blerim eine imponierende Figur im Schweizer Fussball, er wird beim FCZ eine Lücke hinterlassen, die schwer zu schliessen ist. Er kehrte zurück, um einen Titel zu holen. Das gelingt ihm in der letzten Saison. Und jetzt auch noch das Tor zum absolut verdienten Sieg im letzten Derby gegen ein fehlerhaftes GC. Ich gönne es ihm von Herzen. Und es beweist: Glück kann man sich im Leben auch verdienen.
Christoph Böhlen: Es erinnerte mich an Steve von Bergen, der in seinem letzten von 236 Spielen für YB sein einziges Tor erzielt hat. Grosse Spieler haben einen grossen Abgang verdient. Noch emotionaler wäre es für Dzemaili wohl nur noch gegen den Erzrivalen FC Basel gewesen.
Nau.ch: A propos Basel: Der FCB scheitert bitter an Florenz und kommt zuhause gegen Lugano nicht über ein 1:1 hinaus. Schwimmen den Bebbi die Felle davon?
Mischi Wettstein: Abgerechnet wird erst am Schluss! Es ist mir viel zu einfach, jetzt beim FC Basel alles negativ zu sehen. Es sind noch zwei Runden zu spielen, erst dann können wir eine Bilanz ziehen. Auch nach dem 1:1 ist für Rotblau noch alles drin. Aber der FCB ist sicher gut beraten, in den letzten beiden Spielen sechs Punkte zu holen. Sonst könnte tatsächlich ein Worst-Case-Szenario drohen.
Christoph Böhlen: Die Doppelbelastung der letzten Wochen ging nicht spurlos an den Spielern vorbei. In der zweiten Halbzeit kann sich der FCB erneut beim überragenden Marwin Hitz bedanken – sonst wäre man gegen Lugano leer ausgegangen. Ich zweifle daran, ob für die letzten beiden Spiele noch genügend Benzin im Tank ist. Zumal man sich ja wieder selber mit Platzverweisen schwächt.
Nau.ch: Erneut sieht der FCB zweimal Gelb-Rot, Calafiori und Heiko Vogel fehlen in Genf gesperrt. Der Trainer beklagt sich danach heftig über den Schiri. Werden die Basler wirklich benachteiligt?
Christoph Böhlen: Ich weiss nicht, was mit dem FC Basel in den letzten Monaten passiert ist. Aber das ständige Beklagen ist überhaupt nicht «FCB-like». Dass sich erneut ein Spieler die Ampel-Karte abholt, liegt aber auch am Verhalten von Heiko Vogel! Sein ständiges Lamentieren färbt auf die Mannschaft ab, damit ist er kein Vorbild. Weder für die Spieler, noch für die Fans.
Mischi Wettstein: Bei dem Mammutprogramm, das der FCB in dieser Saison absolviert, muss man auch verstehen, dass das Nervenkostüm leidet. Deinen Ärger über Heiko Vogel verstehe ich nicht. Es ist wie bei Taulant Xhaka: Wir fordern immer Emotionen im Fussball. Und wenn die mal da sind, übersäuern einige wieder und spielen den Moral-Apostel.
Christoph Böhlen: Es geht doch nicht nur um Emotionen, sondern auch darum, dass man die eigenen Leistungen kaschiert? Wenn Du die hervorragende Europa-Kampagne für einmal ausklammerst, stehen gerade mal zehn Siege bei 34 Liga-Spielen zu Buche. Das ist eine FCB-unwürdige Bilanz. Dort könnte man auch mal ansetzen, statt ständig nur mit dem Finger auf die Schiris zu zeigen.
Mischi Wettstein: Machen wir kein Drama draus. Vogel trägt die Konsequenzen, er wird gesperrt – fertig. Alles halb so wild. Allerdings kam es bei seiner letzten Sperre beim 1:6 in St.Gallen nicht so gut heraus… und jetzt müssen die Basler am Donnerstag nach Genf.
Nau.ch: Bei Meister YB läuft derzeit das Casting, wer im Cupfinal gegen Lugano auflaufen darf. Wie schwierig wird die Auswahl für Trainer Wicky und seinen Staff?
Christoph Böhlen: Mit Kevin Rüegg und Ali Camara haben zwei Abwehrspieler beim 2:0 in Sion ihr Comeback nach langer Verletzungspause gegeben. Ob es für die Startelf im Cupfinal reicht, wage ich aber noch zu bezweifeln. Die fehlende Spielpraxis war gegen Sion sichtbar, die Walliser kamen in der zweiten Halbzeit zu einigen Grosschancen.
Viel mehr sorgen sich die Berner Fans um Stürmer Cedric Itten. Der war gegen Sion nicht dabei, weil er nach einem Schlag in den Nacken über Schwindel klagt. Sein Ausfall wäre ein herber Verlust, auch wenn Jean-Pierre Nsame mit seinem Doppelpack in der Torschützenliste wieder an ihm vorbeigezogen ist.
Nau.ch: Was habt Ihr sonst noch auf dem Fussball-Herz?
Mischi Wettstein: Was auffällt: Das Rennen um den begehrten fünften Tabellenplatz ist offen wie nie zuvor! Zwei Spiele vor Schluss mischen bis zum achten Platz noch alle mit. Das ist unglaublich! Wer jetzt noch zweimal gewinnen kann, wird in der Verlosung um das europäische Geschäft dabei sein.
Christoph Böhlen: Oder: In den letzten beiden Runden kann jeder Punktverlust entscheidend sein! Wer jetzt noch patzt, bringt sich vielleicht um den Lohn einer gesamten Saison. Und damit auch um einen wichtigen Batzen Geld, den das europäische Geschäft einbringen kann.
Mischi Wettstein: Ähnlich spannend sieht es ja eine Liga tiefer aus. Im Aufstiegsrennen ist zwei Runden vor Schluss noch nichts entschieden. Selbstverständlich hat Leader Yverdon immer noch die besten Karten, sie können morgen zuhause gegen Aarau den Sack zumachen. Verfolger Lausanne kann zuhause gegen Wil nochmal Druck aufbauen.
Die besten Karten für den Barrageplatz hat auf dem Papier jetzt Lausanne-Ouchy. Mit dem Restprogramm Vaduz und Bellinzona sollte man Platz drei schaffen, wenn man ernsthaft ein Wort um den Aufstieg mitreden will.