Fussball-Talk: «Kopfschütteln wegen YB, FCB kocht nur mit Wasser»
YB glänzt europäisch, enttäuscht aber in der Liga. Die FCB-Euphorie erhält einen Dämpfer. Die Nati trifft auf den Europameister. Willkommen beim Fussball-Talk.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem 1:0-Sieg bei Galatasaray kommt YB gegen Lausanne nicht über ein 1:1 hinaus.
- Der FCB und Sion trennen sich 1:1, auch der FCZ und Luzern teilen sich die Punkte.
- In dieser Woche legt Murat Yakins Nati in der Nations League los.
- Sportchef Christoph Böhlen und Fussball-Chefreporter Mischi Wettstein im Gespräch.
Nau.ch: YB überzeugt in der Champions League gegen Galatasaray – und enttäuscht zu Hause gegen Lausanne. Könnt ihr euch das erklären?
Mischi Wettstein: Zuerst möchte ich YB mal gratulieren zum Einzug in die Gruppenphase. Das war nicht selbstverständlich! Aber was ich nicht verstehe: Wieso muss ich mir am Samstag die Augen reiben, weil ich die Mannschaft nicht wiedererkenne?
Nach dem 1:1 gegen Lausanne frage ich mich: Fehlen dem Team ohne Loris Benito und Ali Camara nicht einfach die Persönlichkeiten? Anders kann ich mir solche Auftritte fast nicht erklären.
Christoph Böhlen: Diese Woche kann man den Fans nur schwer verkaufen! Eine Top-Leistung in Istanbul und dann so ein blutleerer Auftritt zu Hause gegen Lausanne. YB hat nur einen Torschuss abgegeben …
Wo waren beispielsweise Colley, Monteiro oder Itten? Man muss sicher auch sagen, dass Lausanne eine gute Mannschaft hat. Aber gerade zu Hause war das von YB richtig schwach.
Mischi Wettstein: Gestern fielen deine Whatsapp-Nachrichten aber klar deutlicher aus?
Christoph Böhlen: Was habe ich geschrieben?
Mischi Wettstein: Dass es eines der schlechtesten YB-Heimspiele war, an das du dich erinnern kannst …
Christoph Böhlen: Ja, das stimmt. Gefühlt war der Auftritt in den «Flop-3» der letzten Jahre.
Nau.ch: YB bleibt als einziges Team ohne Sieg am Tabellenende. Traut ihr dem Meister noch eine Aufholjagd zu?
Mischi Wettstein: Klar, für die internationalen Plätze wird es am Ende reichen: Punkt 1: Ich glaube an Päti Rahmen. Punkt 2: Die Mannschaft verändert sich automatisch, wenn das Duo Camara/Benito zurückkehrt. Und Punkt 3: Ein Blick auf die Tabelle zeigt, dass kein Team derzeit die Gunst der Stunde ausnutzen kann und unwiderstehlich davonzieht.
Christoph Böhlen: Um die Top 6 mache ich mir auch keine Sorgen. Aber weiter nach vorne will ich nach diesem Auftritt gar nicht blicken. Es geht jetzt darum, Schritt für Schritt in die Spur zu finden.
Nach der Nati-Pause wartet das Cup-Spiel in Vevey, dann der Kracher gegen Aston Villa. Aber viel wichtiger: Ende September müssen gegen Winterthur und GC unbedingt sechs Punkte her!
Mischi Wettstein: Mit jetzt noch mehr Spielen im neuen Champions-League-Modus wird es sicher nicht einfacher.
Christoph Böhlen: Das stimmt. Aber auch Lugano und der FC St. Gallen werden mit der Doppelbelastung in der Conference League zu kämpfen haben.
Mischi Wettstein: Dann spricht eigentlich viel für Servette! Die Genfer müssten jetzt die Gunst der Stunde ausnützen …
Nau.ch: A propos Gunst der Stunde: Die FCB-Euphorie nimmt einen kleinen Dämpfer, in Sion reicht es nur zum 1:1.
Mischi Wettstein: Ich habe mir das Spiel am TV angeschaut. Es hat mich überhaupt nicht vom Hocker gehauen. Vor allem die zweite Halbzeit war biedere Hausmannskost.
Christoph Böhlen: Dabei konnte Fabio Celestini mit Shaqiri und Kevin Carlos gleich zwei prominente Neuzugänge einwechseln. Aber man hat gesehen, dass die beiden noch Zeit brauchen. Aber bleiben wir beim Samstag, Mischi: Was hat GC zum Sieg in Yverdon gefehlt?
Mischi Wettstein: Es ist wie immer: Am Anfang sah das recht vernünftig aus, GC war klar die bessere Mannschaft. Aber wenn man diese Überlegenheit nicht ausnutzt, passiert es oft, dass man den Gegner dadurch stark macht. Und genau das ist passiert. Aber mich ärgert etwas anderes viel mehr!
Christoph Böhlen: Was denn?
Mischi Wettstein: Jetzt kommt Noah Persson von YB zu GC. Diesen Wechsel kann ich nicht nachvollziehen: Bei YB reicht er nicht und für GC soll er aber eine Verstärkung sein? Ich bezweifle, dass das das Ei des Kolumbus ist …
So einen Spieler kann man auch aus dem Nachwuchs hochziehen. Bis jetzt habe ich noch nicht gesehen, dass er ein Spieler ist, der den Unterschied machen kann.
Christoph Böhlen: Persson ist ein solider Verteidiger mit Potenzial. Er hat bei YB mit Hadjam und neu auch Conté einfach sehr starke Konkurrenz. Aber du wirst noch staunen: Er kann GC bestimmt weiterhelfen.
Mischi Wettstein: Ich freue mich für GC, wenn du recht bekommst. Und lasse mich gerne eines Besseren belehren. Reden wir in ein paar Wochen nochmal.
Nau.ch: Bleiben wir in Zürich: Der FCZ und Luzern trennen sich 1:1, dabei soll die erste Halbzeit der Zürcher nicht so gut gewesen sein?
Mischi Wettstein: Musst du mich am Montag früh schon so provozieren? Es war unterirdisch! Ich glaube, die Hitze hat das Team im Letzigrund eingeschläfert: 45 Minuten kein vernünftiger Angriff, keine einzige Torchance.
Für einmal hat sich Trainer Moniz verkalkuliert, für diese Startelf hatte ich kein Verständnis! Er bringt Denoon, Tosic und Junior Ligue, die in der Startelf bisher noch keine Rolle gespielt haben. Zudem trennt er das «FCZ-Herz» Condé/Mathew – auf diese Idee muss man zuerst einmal kommen.
Aber, und das spricht absolut für Moniz: Er hat in der Pause reagiert und einen Vierfachwechsel vorgenommen. Ich weiss nicht, ob es das in der Schweiz schon mal gegeben hat …
Dabei hatte er gar die Qual der Wahl: Es hätten sich noch viel mehr Spieler für einen Wechsel angeboten. Nebst den vier Wechseln stellt er das System um, das reicht zumindest noch für einen Punkt.
Christoph Böhlen: Mir ist nicht nur der schwache FCZ, sondern auch der starke FCL aufgefallen. Du hast letzte Woche schon Stürmer Villiger gelobt. Ich möchte aber auch noch Beloko, Karweina oder Ciganiks erwähnen. Mario Frick hat da ein spannendes Team zusammen.
Mischi Wettstein: Und mit der Last -Minute Verpflichtung von Adrian Grbic – in Luzern wohlbekannt – hat der FCL auch den Konkurrenzkampf im Angriff verstärkt. Das kann sicher nicht schaden.
Nau.ch: Die Conference-League-Teilnehmer Lugano und St. Gallen sorgen für das vierte 1:1 des Wochenendes.
Mischi Wettstein: Dieses Remis war meine Prognose. Nach den beiden anstrengenden Auftritten in der Türkei war es das logische Resultat.
Aber: Dass Lugano nach der Heimniederlage gegen Luzern jetzt schon wieder zwei Punkte zu Hause liegen lässt … So wird das nichts mit der Verbesserung von Rang zwei in der Vorsaison. Enttäuschend, dass das Croci-Torti-Team zu Hause schon fünf Zähler verspielt hat.
Dem FCSG nützt der Punkt, sie treffen im Nachholspiel noch auf den FCZ. Mit einem Sieg würden sie ganz vorne mitspielen.
Nau.ch: Servette gewinnt nach dem 2:1 über Chelsea in Winterthur mit 1:0. Wie habt ihr das Spiel gesehen?
Christoph Böhlen: Winterthur ist fleissig, aber offensiv ist das Team einfach viel zu harmlos. Drei Tore in sechs Spielen – damit kommst du nicht weit.
Mischi Wettstein: Servette reicht auf der Schützenwiese die Minimal-Leistung, die Pflicht wurde erfüllt. Dass Winti eine schwere Saison vor der Brust hat, war abzusehen. Ein Lichtblick: Stefanos Kapino, der Goalie, den der FCW im Sommer geholt hat, hat mir gefallen! Er spielte für den verletzten Kuster.
Nau.ch: Jetzt pausiert die Liga, es wartet die erste Nati-Pause der Saison. Seid ihr heiss auf die Nations League?
Mischi Wettstein: Heiss war nur das Wetter in den letzten Tagen … Bei aller Liebe: Nations League ist schon nicht EM. Aber das Spiel gegen Spanien wird ein interessanter Vergleich für das Team von Murat Yakin. Ich bin zuversichtlich, dass wir den Europameister ärgern können.
Ein Kritikpunkt: Die Anspielzeit um 21 Uhr in Genf ist nicht gerade fanfreundlich, vor allem für Anhänger aus der Ostschweiz oder aus dem Tessin …
Christoph Böhlen: Mir gefällt, wie Murat Yakin auf die Nati-Rücktritte reagiert! Dass er Gregory Wüthrich eine Chance gibt, macht Sinn. Er überzeugt seit Jahren bei Sturm Graz und passt auch menschlich ins Team.
Nau.ch: Was ist euch sonst noch aufgefallen?
Christoph Böhlen: Darauf warte ich schon seit Samstag gespannt, Mischi …
Mischi Wettstein: Was da beim FC Aarau gewurstelt wird, würde mich schon mal im Detail interessieren. Die Resultate sprechen eine eigene Sprache, man verliert zu Hause gegen Bellinzona mit 1:2 und kommt nicht aus dem Keller!
Christoph Böhlen: Auch der FCT zieht nicht davon, sichert sich aber in Schaffhausen spät noch einen Punkt. Bei den Berner Oberländern brodelt es aber eher hinter den Kulissen. Es gibt mehrere Abgänge, der lokale Sponsor, der viel Geld beim FCT eingeschossen hat, will beim Club aufräumen. Man darf gespannt sein, wie das im familiären Thun ankommen wird.