Fussball-Talk: Warum reagiert FCB-Trainer Heiko Vogel so dünnhäutig?
Das Wichtigste in Kürze
- YB kann nach dem 6:1 über Servette am Dienstag bei GC Meister werden.
- Der FC Basel bleibt nach dem 0:2 gegen Luzern weiter auf Platz sieben kleben.
- Sportchef Christoph Böhlen und Fussball-Chefreporter Mischi Wettstein im Gespräch.
Nau.ch: Der FCB kann seine europäische Topform erneut nicht in die Liga mitnehmen. Was lief beim 0:2 gegen Luzern schief?
Mischi Wettstein: Eine gewisse Müdigkeit war bis auf die Tribüne spürbar. Es passierten ungewohnt viele Konzentrationsfehler, der FCB kam nicht richtig ins Spiel. Ohne Goalie Marwin Hitz wären die Luzerner schon zur Pause in Führung gegangen. Warum der Spagat zwischen Conference League und Super League nicht gelingt, sollten die Basler eventuell mit einem Sportpsychologen besprechen? Das Problem ist lösbar – andere Mannschaften schaffen den Spagat ja auch.
Christoph Böhlen: lch habe noch eine andere Theorie: Den vielen Leihspielern beim FCB fehlt es an der nötigen Identifikation mit dem Club! Wenn man sich auf der europäischen Bühne präsentieren kann, gibt jeder Vollgas. Aber in der Liga sehe ich dieses Engagement viel zu selten. Einzige Ausnahme: Urgestein und Club-Ikone Taulant Xhaka ist in jedem Spiel bereit, alles rauszuhauen. Er alleine kann es aber nicht richten.
Trauen Sie dem FCB noch den Sprung in die Top-3 zu?
Nau.ch: Es war das zehnte Ligaspiel unter Heiko Vogel. Doch nur drei Mal gewannen die Bebbi in dieser Zeit. Hat der Trainerwechsel von Alex Frei zu Vogel überhaupt etwas gebracht?
Mischi Wettstein: Diese Frage finde ich vermessen. Der internationale Erfolg steht über allem und den kann man nicht hoch genug einschätzen. Aber wie sagt Club-Boss David Degen: «Das Kerngeschäft ist die Liga!» Vielleicht ist das nicht allen Spielern bewusst. Aber aufgepasst: Abgerechnet wird erst am Schluss, es sind noch sieben Runden zu spielen.
Christoph Böhlen: In den zehn Spielen unter Vogel konnte der FCB den Rückstand auf Platz zwei von sieben auf sechs Punkte reduzieren. Klammert man die Conference League aus, ist der FCB meiner Meinung nach keinen Schritt weiter als unter Alex Frei.
Nau.ch: Nach dem Spiel zeigt sich Trainer Heiko Vogel beim Interview mit «blue» hässig. An der Pressekonferenz entschuldigt er sich dafür und erklärt, er sei halt «ein schlechter Verlierer». Reicht das?
Christoph Böhlen: Für mich ist das unprofessionell! Kritische Fragen gehören dazu, vor allem, wenn der FC Basel auf Rang sieben der Tabelle rumdümpelt. Man kann sich nicht nur im Erfolg sonnen, wenn man Nizza oder Trabzonspor besiegt. Wenn man in den letzten sechs Spielen nur gerade Aufsteiger Winterthur besiegt, muss man mit Kritik seriöser umgehen.
Mischi Wettstein: Das sehe ich komplett anders! Mir gefällt es, wenn man auch mal dazu steht, dass man nach einer Niederlage «angepisst» ist und seinen Emotionen freien Lauf lässt. Das ist authentisch. Dieses Verhalten gefällt mir besser, als wenn man die Sache schönredet.
Nau.ch: Wechseln wir zum «Spitzenkampf». YB erspielt sich beim 6:1 über Servette den ersten Meister-Matchball. Was war am Samstag denn mit den Genfern los?
Mischi Wettstein: Servette ist in dieser Verfassung kein Spitzenteam. Ich bin froh, trügt die Tabelle jetzt nicht mehr – Platz zwei ist weg. Servette hat mich masslos enttäuscht.
Christoph Böhlen: Mir hat Alain Geiger leid getan… Der Trainer muss im Sommer nach fünf guten Jahren gehen und wird von seinem Team im Wankdorf dermassen im Stich gelassen. Was zwischen der 11. und der 16. Minute passiert ist, grenzte an Arbeitsverweigerung. Ohne die Torumrandung (zweimal Pfosten, einmal Latte) wäre sogar ein «Stängeli» dringelegen.
Nau.ch: Jetzt ist für den souveränen Leader morgen alles angerichtet im Letzigrund. Kann sich Bern auf eine Freinacht einstellen?
Mischi Wettstein: Keine Frage! Wer diese Wucht gesehen hat, die YB gegen Servette an den Tag gelegt hat, erkennt, wie «geil» die Berner auf den Kübel sind. Im Spiel gegen die Hoppers werden sie keine Zweifel offen lassen. GC hat zwar gegen Winterthur gewonnen – aber an diesen Kick möchte ich mich ungerne zurückerinnern.
Christoph Böhlen: Hier sind wir uns einig: Ich kann mir nicht vorstellen, dass YB morgen Punkte liegen lässt. Im Letzigrund wartet ein «Heimspiel» auf die Berner – und danach die verdiente Freinacht.
Nau.ch: Was habt ihr nach diesem Spieltag sonst noch auf dem Herzen?
Mischi Wetsttein: Es ist bemerkenswert, was beim FC Luzern derzeit abgeht. Das Frick-Team spielt stark und ist mit viel Überzeugung im Joggeli angetreten. Die Innerschweizer reisten nach Basel, um zu gewinnen – und nicht nur für ein gutes Resultat. Bereits zum zweiten Mal in dieser Saison reisen sie mit drei Punkten aus Basel nach Hause. Mein Highlight: Das Debüt des x-ten Luzerner Nachwuchsspielers, der auch gleich trifft. Lustig und erfrischend ist auch sein Interview: Der 19-jährige Luuk Breedijk glaubt nicht nur an «Märli» – er kommt auch noch aus «Merlischachen». Um so schöner, erlebt er am Sonntag sein persönliches Fussball-Märchen.
Christoph Böhlen: Mir gefällt das Aufstiegsrennen in der Challenge League, dort ist noch alles möglich! Thun (sechs Punkte Rückstand) und Aarau (sieben Punkte) können mit einer Serie plötzlich noch um den Aufstieg spielen. Zusammen mit Yverdon, Wil und Lausanne läuft da ein wahnsinnig enges Rennen um die Super League.