Torwart Wellenreuther: Ein normaler Ball - nur von Cristiano

DPA
DPA

Niederlande,

Mit 19 galt er als kommender Nationaltorhüter, kurz darauf stand Timon Wellenreuther am Scheideweg seiner Karriere. Doch er ging seinen eigenen Weg und kämpft sich langsam zurück.

Torwart Timon Wellenreuther 2016 im Trikot vom FC Schalke 04. Foto: Marcel Kusch
Torwart Timon Wellenreuther 2016 im Trikot vom FC Schalke 04. Foto: Marcel Kusch - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Als Teenager stürmte Timon Wellenreuther auf die grosse Fussball-Bühne.

Der Torhüter von Schalke 04 bändigte Cristiano Ronaldo im Bernabeu und wurde U21-Nationalkeeper.

Dann machte er ein paar Fehler - und verschwand aus deutscher Sicht in der Versenkung. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur, dem ersten von ihm seit vielen Monaten, blickt der 23-Jährige zurück und nach vorne.

Herr Wellenreuther, man ist überrascht, dass Sie erst 23 sind. Es war doch schon ein bewegtes Fussballer-Leben, oder?

Timon Wellenreuther: Ja, ich habe schon viel erlebt und kann viel erzählen.

Sie gewannen mit Schalke 4:3 bei Real Madrid und zeigten im Hinspiel beim 0:2 eine starke Parade gegen Cristiano Ronaldo. War das der Moment Ihrer Karriere?

Wellenreuther: Die Spiele gegen Real Madrid waren überragende Erlebnisse. Aber das war keine Riesen-Parade. Ein normaler Ball. Nur, dass er von Cristiano geschossen wurde. Deshalb wurde das gehyped.

Das wurden Sie überhaupt. Kurz darauf kam die grosse Kritik. Stehen Sie beispielhaft dafür, wie schnell es im Fussball geht?

Wellenreuther: Ich hatte schon viele Höhen und Tiefen. Und musste erfahren: Im einen Spiel bist du der Held. Dann machst du einen Fehler und bist der Buhmann. Das ist schon krass im Fussball. Damit muss man umgehen können.

Vor allem als Teenager, der Sie damals waren...

Wellenreuther: Ja, das ist nicht einfach. Jeder weiss, dass man auch mal einen Ball abprallen lassen kann. Vor allem, wenn man jung ist.

Was war schwerer zu verarbeiten: Das Lob oder die Kritik?

Wellenreuther: Man muss in beiden Situationen ruhig bleiben. Mit Lob kann jeder umgehen. Man darf nur nicht abheben. Kritik ist schwerer zu verarbeiten. Manche machen sich einen Kopf darüber. Ich mache mein eigenes Ding.

Wären die Extreme bei Ihnen geringer ausgefallen, wenn es nicht Schalke gewesen wäre?

Wellenreuther: Ich denke schon. Auf Schalke ist alles extremer. Das habe nicht nur ich erfahren müssen. Aber das Emotionale ist auch das Geile an diesem Verein.

Hätten Sie sich als junger Spieler mehr Betreuung gewünscht?

Wellenreuther: Schalke war immer für mich da. Ich kann dem Club nix vorwerfen.

Ausser, dass er Ihnen die Teilnahme an Olympia untersagte?

Wellenreuther: Ja, das schon. Aber das ist auch schon wieder drei Jahre her. Ich habe mit allem aus der Vergangenheit meinen Frieden geschlossen. Alles andere wäre Schwachsinn.

Wann war Ihnen klar, dass Sie aus Schalke wegmüssen?

Wellenreuther: Nach meiner Rückkehr aus Mallorca war ich in Super-Form und begehrt. Aber Ralf Fährmann war die unangefochtene Nummer 1. Ich war 21, er war super drauf, da konnte ich schwer was machen. Da war es die einzige Lösung zu wechseln. Ich wollte nicht vor der Herausforderung wegrennen, aber in dem Alter war es einfach unglaublich wichtig, auch sicher auf seine Einsatzminuten zu kommen.

Heute ist der junge Alexander Nübel die Nummer 1 und hat Fährmann beerbt. Was empfinden Sie beim Gedanken, dass er nun Ihren Traum lebt?

Wellenreuther: Alex Nübel ist ein Super-Torwart, das habe ich schon damals gesehen. Er macht das richtig gut und Fährmann hat gerade eine nicht so gute Phase. Aber auch er ist ein überragender Torwart.

Wie wichtig war für Sie persönlich der Umweg über das Ausland?

Wellenreuther: Mallorca war ein Super-Erlebnis, als Nummer 1 in der zweiten spanischen Liga. Und auch die erste Liga in Holland ist stark. Nach einem schweren ersten Jahr läuft es. Es war absolut der richtige Weg.

Aber ganz gradlinig scheint bei Ihnen nichts zu laufen, oder?

Wellenreuther: Offenbar nicht. Aber das wäre ja auch langweilig.

2017 wurden Sie wegen «unprofessionellen Verhaltens im Training und ausserhalb» suspendiert. Was war da passiert?

Wellenreuther: Das weiss ich bis heute nicht, was mir genau vorgeworfen wurde. Das hat man mir persönlich nie mitgeteilt. Da wir in der Phase aber auch sportlich nicht erfolgreich waren, verlor der Trainer ziemlich schnell seinen Job und die Sache war für mich komplett erledigt. Seither bin ich glücklich, wie sich alles entwickelt hat.

Und nun sind Sie wieder der Held, weil Sie drei Elfmeter im Pokal-Halbfinale gehalten haben.

Wellenreuther: Aber auch das kann ich einschätzen. Dafür habe ich genug erlebt. Es war ein Super-Tag. Und ein bisschen Glück gehört dazu.

Sie sagten mal über sich: «In mir brodelt es immer.» War es das, was Sie nach oben gebracht hat? Oder das, was im Weg stand?

Wellenreuther: Definitiv das, was mich nach oben gebracht hat. Wenn du nicht 100 Prozent Ehrgeiz hast, kannst du es vergessen.

Sie gingen vom Oliver-Kahn-Verein Karlsruhe zum Manuel-Neuer-Verein Schalke. Wer war Ihr Idol?

Wellenreuther: In der Tat erst Kahn und dann Neuer. Heute ist Marc-André ter Stegen für mich die Marke. Weil ich gerne mitspiele. Und was er spielerisch macht, ist weltklasse. Das kann kein anderer besser.

Sie haben wohl noch zehn oder mehr Karriere-Jahre vor sich. Was sind Ihre Ziele?

Wellenreuther: Ich lasse alles auf mich zukommen. Aber wenn ich nicht eines Tages wieder in der Bundesliga oder sogar in der Champions League spielen wollte, wäre ich falsch im Fussball. Die A-Nationalmannschaft ist im Moment kein Thema für mich, auch wenn man das als ehemaliger U21-Nationalspieler natürlich noch im Hinterkopf hat.

Kann Sie noch irgendwas schocken in dem Geschäft?

Wellenreuther: Im Fussball kann immer viel passieren. Aber ich fühle mich gut gewappnet.

ZUR PERSON: Timon Wellenreuther (23) wurde mit 19 zum Bundesliga-Torhüter des FC Schalke 04. Erst überragte er, dann patzte er. Nach acht Bundesliga- und zwei Champions-League-Spielen rückte er zurück ins zweite Glied, liess sich zu RCD Mallorca ausleihen und spielt nun bei Willem II Tilburg in den Niederlanden.

Kommentare

Weiterlesen

358 Interaktionen

Mehr in Sport

Loïc Meillard
1 Interaktionen
FCB
3 Interaktionen
FC Basel
1 Interaktionen

Mehr aus Niederlande

Bargeld horten Russland
67 Interaktionen
Raoult Studie Hydroxychloroquin Corona
9 Interaktionen
2 Interaktionen