VfL Bochum: Schweben Sie nach dem Sieg über Bayern, Ilja Kaenzig?
Der VfL Bochum schlägt das grosse Bayern 4:2. Gross gefeiert wurde bei den Ruhrgebietlern aber nicht, sagt Geschäftsführer Ilja Kaenzig im Nau.ch-Interview.
Das Wichtigste in Kürze
- Bochum feiert am Wochenende einen sensationellen 4:2-Erfolg über die Bayern.
- Der Luzerner Ilja Kaenzig amtet seit 2018 als Geschäftsführer der Westfalen.
- Nau.ch hat nach dem Bundesliga-Coup mit dem Sprecher der Geschäftsführung gesprochen.
Im Sommer steigt der VfL Bochum nach elf Jahren in der 2. Bundesliga wieder ins Oberhaus auf. Die Ruhrgebietler etablieren sich im Mittelfeld der Liga – und landen am vergangenen Samstag einen grossen Coup.
Die Westfalen putzen Serienmeister Bayern München mit 4:2 aus dem Stadion. Der Luzerner Geschäftsführer Ilja Kaenzig erzählt Nau.ch, wie der Sensationssieg möglich wurde.
Nau.ch: Gratulation zum Sieg über die Bayern! Sind Sie gerade am Schweben?
Ilja Kaenzig: Nein, wir geniessen das still. Das passt zu uns – und auch zum Saisonziel. Das heisst nämlich Liga-Erhalt. Wenn wir das schaffen, wird der Sieg gegen die Bayern rückblickend umso schöner sein. Und Reiner Calmund hat richtigerweise in seiner Glückwunsch-SMS gemahnt, jetzt zwei Wochen die Bleischuhe anzuziehen...
Nau.ch: Hand aufs Herz: Haben Sie mit dieser Überraschung gerechnet?
Ilja Kaenzig: Nein, ich glaube, damit hat niemand gerechnet. Auch die Vorzeichen haben nicht darauf hingedeutet. Es war Kaiser-Wetter, blauer Himmel. Wenn es regnet oder schneit, dann hat Bayern manchmal ein bisschen Probleme gehabt in letzter Zeit. Aber das war nicht der Fall.
Auch die Mannschaftsaufstellung der Bayern war eine klare Ansage: Volle Pulle! Nagelsmann hat trotz Champions-League-Match in dieser Woche niemand draussen gelassen. So haben wir uns keine falschen Hoffnungen gemacht. Dass es dann gerade so rauskommt, damit hat keiner gerechnet. Vor allem die erste Halbzeit... Aber auch die zweite, da hat jeder Spieler mitgeholfen, den Vorsprung zu verteidigen, denn gelaufen war das Spiel ja noch lange nicht bei diesem Gegner.
Nau.ch: Ihr habt euch gut verstärkt. Auch, was die Breite angeht.
Ilja Kaenzig: Der Stürmer Locadia ist sicher eine spannende Verstärkung, wie wir das auch schon zuvor gemacht haben. Aufgrund von mangelnder Finanzkraft setzen wir darauf, dass wir entweder Junge einbauen oder Spieler holen, die woanders auf dem Abstellgleis stehen oder niemand mehr an sie glaubt. Da gibt es eine lange Liste an Spielern, die in Bochum den zweiten Frühling erlebt haben. Sie blühen hier auf, wie zum Beispiel Gerrit Holtmann, der das Tor des Jahres geschossen hat und jetzt auch wieder gegen Bayern mit einem Tor des Monats brilliert hat.
Bei Locadia ist es ein bisschen ähnlich. Damals wechselte er für 17 Millionen aus Eindhoven zu Brighton. Wir haben ihn ausgeliehen, nun lebt er im Umfeld von Bochum auf und wird ein wichtiger Bestandteil sein, um den Ligaerhalt zu schaffen.
Nau.ch: Stichwort Ligaerhalt: Ihr habt nun ein Sechs-Punkte-Polster auf den Drittletzten. Gerettet seid ihr aber noch lange nicht?
Ilja Kaenzig: Nein, um Gottes Willen! Dieses Jahr ist es so ausgeglichen, da brauchst du wohl 38 bis 40 Punkte. Heisst: Zehn bis zwölf Punkte müssen wir noch holen. Und wenn du siehst, dass jeder Punktgewinn für uns so schwer wie eine Meisterschaft ist, dann weisst du, was es für Anstrengungen braucht.
Wir bleiben alle demütig. Nach dem Bayern-Sieg hat die Mannschaft auch nicht gefeiert, sondern sofort an Stuttgart gedacht. Die Spieler sind die ersten, die unbedingt oben bleiben wollen. Wenn du einmal Bundesliga-Luft geschnuppert hast, dann willst du das nicht mehr missen. Wir sind optimistisch, wissen aber, dass die Entscheidung erst am letzten Spieltag feststehen kann.
Nau.ch: Mit einem Sieg gegen Stuttgart könnte man einen grossen Schritt machen.
Ilja Kaenzig: Für Stuttgart ist es praktisch ein Spiel der letzten Chance. In solchen Begegnungen weiss man nie, wie es laufen wird. Beide Teams haben Druck. Wir spielen zu Hause viel selbstbewusster, egal ob mit, ohne oder mit wenig Zuschauern. Auswärts haben wir noch Einiges zum Verbessern in unserer Bilanz. Gegen Bayern war ich total entspannt, wir wussten, wir können hier nur gewinnen. Das wird gegen Stuttgart ein bisschen anders sein.
Nau.ch: Für euch könnte es eine geschichtsträchtige Saison werden. Ligaerhalt und Pokalfinal winken. Es läuft bei euch!
Ilja Kaenzig: Wer tüchtig ist, der wird belohnt. Das Glück brauchst du sicher auch. Im Cup spielen wir im Viertelfinal zu Hause gegen Freiburg. Dort stehen die Chancen 50/50. Ich glaube, dass einem ein Lauf im Cup zum Ligaerhalt tragen kann. Ehemalige Spieler, die beim letzten Cup-Final 1988 dabei waren, sagen auch, dass dies keine Zusatzbelastung war, sondern Motivation. So soll es bestenfalls auch bei uns sein. Aber jetzt schauen wir schon viel zu weit. Das nächste Spiel ist das Wichtigste. Und wir denken zwar täglich an den Klassenerhalt, aber nicht an den Cup-Final.