VfL Bochum: Sind Sie schon heiss auf die Bundesliga, Ilja Kaenzig?
Der VfL Bochum reitet in der 2. Bundesliga auf der Erfolgswelle. Geschäftsführer Ilja Kaenzig spricht im Interview über den möglichen Aufstieg ins Oberhaus.
Das Wichtigste in Kürze
- Der VfL Bochum rockt derzeit die 2. Bundesliga.
- Geschäftsführer des Vereins ist der Schweizer Ilja Kaenzig.
- Im Nau.ch-Interview spricht der 46-Jährige über den aktuellen zweiten Tabellenplatz.
36 Punkte und Rang zwei – so lautet die Bilanz des VfL Bochum nach 18 Spieltagen. Die Ruhrgebietler träumen derzeit vom Aufstieg in die Bundesliga. Der Klub, mit welchem zuletzt auch FCSG-Stürmer Florian Kamberi in Verbindung gebracht wurde, wird von Ilja Kaenzig geführt.
Im Interview mit Nau.ch spricht der gebürtige Luzerner über die Aufstiegschancen, den erhöhten Druck und die fehlenden Zuschauer.
Nau.ch: Der VfL Bochum hat einen Lauf – wie erklären Sie sich die Konstanz in den letzten Spielen?
Ilja Kaenzig: Konstant sind wir eigentlich schon die ganze Saison und waren es auch schon davor. Das hat vor dem Corona-Unterbruch angefangen und zieht sich jetzt bald ein Jahr so durch.
Und das macht gerade in einer Liga, in welcher jedes Spiel 50/50 ist, extrem viel aus. Bei unseren Auftritten sieht man diese Konstanz mittlerweile gut, das war zuletzt schon sehr souverän und reif. Selbst Rückstände bringen uns nicht mehr aus der Ruhe.
Nau.ch: Der Appetit kommt mit dem Essen. Sind Sie schon heiss auf die 1. Bundesliga?
Ilja Kaenzig: Ich glaube, an verfrühter Erwartungshaltung hat man sich in Vergangenheit schon oft die Finger verbrannt. Man hat natürlich jedes Jahr versucht, wieder in die Bundesliga zurückzukehren. Als wir 2018 hier angetreten sind, waren es sehr bewegte Zeiten, weshalb das Wichtigste war, zuerst einmal Ruhe reinzubringen.
Denn dort wo Ruhe ist, kann man Kontinuität aufbauen. Und dort wo Kontinuität ist, ist auch meist der Erfolg. Wir haben den Verein dann Schritt für Schritt – auf und neben dem Platz – weiterentwickelt. Wir wussten, dass wenn die Mischung in der Mannschaft und die Mentalität in der Kabine stimmen, vieles möglich ist.
«Der Aufstieg entscheidet sich in den letzten Runden»
Nau.ch: Mit einer guten Platzierung wachsen auch die Erwartungen. Wie geht die Mannschaft mit dem erhöhten Druck um?
Ilja Kaenzig: Klar, die Erwartungen sind immer hoch. Jetzt erfüllen wir diese und können das trotzdem nicht auskosten. Die Stadien sind leer und es gibt sozusagen auch keinen Kontakt zur Aussenwelt.
Aber der Hunger innerhalb der Mannschaft wird immer grösser. Man könnte also sagen, es ist jetzt kein Druck mehr, sondern stattdessen Motivation!
Nau.ch: Was braucht der VfL Bochum? Muss man eher etwas auf die Euphorie-Bremse treten oder den Flow mitnehmen und dranbleiben?
Ilja Kaenzig: Das Selbstvertrauen ist hoch. Die Schlüsselspieler sind in Form, die zweite Reihe ist in Form, der Trainer ist in Form...
Wenn es gelingt, diese Welle weiter zu reiten und bis zum Schluss unter den Top-5 zu bleiben, wäre das toll. Denn der Aufstieg wird sich sowieso erst in den letzten zwei, drei Runden entscheiden.
Die Grundlage wird aber vorher gelegt. Es gibt da ein Sprichwort im Fussball: ‹Der Aufstieg entscheidet sich immer im November und im Februar›. Wer in diesen Monaten stabil ist, hat eine gute Chance, aufzusteigen.
«Jetzt wäre jedes Spiel beim VfL Bochum ausverkauft»
Nau.ch: Die Corona-Pandemie bringt viele Nachteile. Könnte es dennoch ein Vorteil für den VfL Bochum sein, dass man vor leeren Rängen spielt? Der Druck der Fans fällt weg – oder würden die eigenen Anhänger die Spieler gar beflügeln?
Ilja Kaenzig: Vor einem Jahr hat es nicht wirklich gut ausgesehen. Damals wäre der Druck von der Tribüne womöglich eine zusätzliche Belastung gewesen.
Jetzt wäre jedes Spiel ausverkauft und man hätte noch mehr Rückenwind. Aber das gilt ja so für viele Vereine. Das einzige, was man objektiv feststellen kann, ist, dass der Heimvorteil ohne Zuschauer eine sehr viel geringere Rolle spielt.
Nau.ch: Die Spitze in der zweiten Liga ist sehr eng beisammen, nicht nur Bochum möchte aufsteigen. Wie schätzen Sie die Konkurrenz ein?
Ilja Kaenzig: Der Punkteschnitt ist bei allen Top-Teams wirklich hoch. Hamburg bleibt für mich gesetzt. Düsseldorf ist extrem ambitioniert, Hannover auch. Dazu kommen mit Kiel und Fürth sozusagen zwei «Aussenseiter».
Nau.ch: Welche Stolpersteine kann sich die Mannschaft selber noch in den Weg legen, damit der Aufstieg doch nicht klappt?
Ilja Kaenzig: Man muss Demut haben und niemanden unterschätzen. Wir erinnern uns an den Frühling 2019, als wir Mitfavorit auf den Aufstieg waren. Aber dann im Februar alle Spiele verloren und uns somit bereits frühzeitig aus dem Rennen nahmen.
Wie sagt man immer so schön: «Nicht nachlässig werden!» Klingt banal, aber so ist es nun mal im Leben.
«Mein Lieblingsbeispiel ist Leeds United»
Nau.ch: Wie gross wäre die Enttäuschung, wenn es mit dem Aufstieg mit dem VfL Bochum nicht klappt?
Ilja Kaenzig: Wir haben immer gesagt: der Trend muss stimmen. Und das tut er momentan. Erfolg kann man planen, allerdings nicht den Zeitpunkt.
Wenn es nicht klappt, dann heisst es oft: Das war die Chance – und jetzt schmort man dafür ewig in der Hölle.
Dann bringe ich jeweils gerne mein Lieblingsbeispiel. Leeds United, ein absoluter Traditionsclub, hat 16 Jahre gebraucht, um in die Premier League zurückzukehren. Aber sie haben es geschafft!
Also: Klappt es bei uns jetzt, im elften Jahr seit dem Abstieg, nicht, dann nehmen wir einen neuen Anlauf.
Nau.ch: Abschlussfrage – ab wann rechnen Sie wieder mit vollen Stadien?
Ilja Kaenzig: Wir kalkulieren beim VfL Bochum sehr konservativ. Wir möchten nicht überrascht werden von negativen Entwicklungen. In dieser Saison bleibt es wohl bei Geisterspielen. Entscheidend ist, dass wir überhaupt spielen dürfen.