YB: «Fabian Rieder soll den Chappi-Weg gehen»
YB-Juwel Fabian Rieder (20) verzaubert die Liga. FCB-Trainer Alex Frei sähe ihn schon jetzt bei Bayern. YB-Legende Lars Lunde (58) warnt. Und er muss es wissen.
Das Wichtigste in Kürze
- YBs Fabian Rieder ist das grösste Talent in der Super League.
- FCB-Trainer Alex Frei bringt ihn bereits mit Bayern München in Verbindung.
- YB-Legende Lars Lunde wechselte mit 22 Jahren von YB nach München.
Nau.ch: FCB-Trainer Alex Frei schwärmt in Deutschland von Fabian Rieder. Der YB-Mittelfeldspieler habe eine grosse Zukunft vor sich, wäre bei Bayern gut aufgehoben. Sie selbst sind als 22-jähriger YB-Spieler zu Bayern gegangen. Wie sinnvoll wäre ein solcher Wechsel von Rieder?
Lars Lunde: Ich bin 1986 nach dem Meistertitel mit YB zu den Bayern gegangen. Wenn das grosse Bayern München anklopft, dann sagst du erstmal Ja. Das Problem ist aber, dass Du dort keine Zeit hast, um weiter zu reifen. Und ein junger Spieler sollte spielen, spielen und nochmals spielen.
Nau.ch: Wo liegen die Probleme bei Bayern?
Lars Lunde: Wenn Du kommst, musst Du bei Bayern gleich spielen, sonst fällst Du durch. Ich habe es nicht geschafft, weil mir die Geduld gefehlt hat. Bei YB war ich Torschützenkönig, wurde sehr verwöhnt, konnte mir alles erlauben. In München hingegen wurde es gleich zu Beginn schwierig ...
Nau.ch: Wir sind gespannt.
Lars Lunde: Beim ersten Spiel mit Bayern in Berlin sass ich auf der Bank. Als wir mit dem Car ankamen, sollte ich die Koffer tragen. Das hätte ich in Bern doch niemals gemacht.
Nau.ch: Und, haben Sie angepackt?
Lars Lunde: Klar hab ich das gemacht. Aber es war nicht gut für mein Selbstvertrauen (lacht).
Nau.ch: Wie wird man bei Bayern aufgenommen, wenn man in die Kabine reinläuft?
Lars Lunde: Es waren alle Spieler nett zu mir. Uli Hoeness hat mich sogar persönlich abgeholt, sich gekümmert und mir geholfen, mich auf das Haifischbecken München vorzubereiten. Aber es wird rasch schwierig. Du musst gut sein, immer. Im dritten Spiel im Cup gegen Homburg hatte ich zwei Assists, traf aber am Ende unglücklich den Pfosten. Und das, nachdem ich den Goalie schon umspielt hatte! Bei YB hätte ich den blind gemacht. Nach dem Spiel haben mich alle nur auf die vergebene Chance angesprochen. Das nagt dann am Selbstvertrauen, plötzlich kommen erste Zweifel auf. Bei YB hatte ich nie solche Gedanken, da war ich der Star.
Nau.ch: Und wie lief es dann weiter?
Lars Lunde: Ich hatte zwar Spielpraxis bei Bayern, aber so viele Torchancen verbraten! Es war zum Verzweifeln: Ich konnte alleine auf der Torlinie stehen und habe die Cornerfahne getroffen. Wenn Du dann die Tore nicht schiesst, kann dich der Trainer auch nicht mehr bringen. Und besonders ärgerlich: Du verlierst rasch das Standing bei den Mitspielern. Das ist brutal und es geht schnell – ein Teufelskreis.
Nau.ch: Es schaffen es aber auch nicht viele Schweizer Spieler, sich bei Bayern durchzusetzen.
Lars Lunde: Richtig. Alain Sutter hat es nicht geschafft, Xherdan Shaqiri auch nicht. Beide sassen oftmals auf der Bank. Ciriaco Sforza hat es zwar bei Kaiserslautern richtig gepackt, aber aus meiner Sicht eben auch nicht ganz in München. Stéphane Chapuisat hingegen ist einen anderen Weg gegangen, der ist clever.
Nau.ch: Chappis Weg ging von Lausanne zum kleinen Uerdingen, erst dann startete er in Dortmund voll durch.
Lars Lunde: Und genau einen solchen Weg sollte Fabian Rieder auch gehen. Was nützt es Dir, ins Ausland zu gehen und dann nicht zu spielen? Klar machen Dich die Trainings mit den Bayern-Stars besser. Da hat Alex Frei schon recht. Aber Trainings und Ernstkämpfe sind halt zwei verschiedene Dinge.
Nau.ch: Was also raten Sie Fabian Rieder?
Lars Lunde: Fabian ist gut beraten, noch eine weitere Saison bei YB anzuhängen. Und dann zu einem kleineren Verein in Deutschland zu wechseln. Beispielsweise Gladbach. Es muss nicht direkt Bayern sein.
Nau.ch: Bei YB hat Rieder mit Chefscout Chapuisat ja sogar den richtigen Ratgeber in den eigenen Reihen.
Lars Lunde: Ja, man darf Rieder jetzt nicht verheizen. Ich wünsche mir, dass er kleine Schritte macht. Mit Chappi und auch Sportchef Christoph Spycher hat Rieder ein gutes Umfeld. Sie haben genug Erfahrung und Bescheidenheit. Chapuisat weiss, was richtig und falsch ist. Aber eben: Wenn Real oder Bayern anruft, dann bist Du als Spieler verblendet. Dann überlegst Du halt nicht, ob es auch wirklich der richtige Schritt ist.
Nau.ch: Was braucht es, um als junger Spieler bei Bayern zu bestehen?
Lars Lunde: Oli Kahn hat es gesagt: «Hast Du Eier, oder hast du keine Eier?» Ohne Eier schaffst Du es bei Bayern halt einfach nicht. Und du musst auch Glück haben. Ich hatte keins ...
Nau.ch: ...weil Sie dort das Selbstvertrauen aus den YB-Zeiten verloren hatten?
Lars Lunde: Ich habe bei Bayern drei Tore in anderthalb Jahren geschossen. Als ich in die Schweiz zurückkam, habe ich im ersten Spiel für Aarau drei Tore in einem Spiel erzielt. Vieles spielt sich im Kopf ab.
Nau.ch: Hat auch die damals immense Ablösesumme von einer Million Franken für Druck gesorgt?
Lars Lunde: Nein, da war kein Druck. Damals spielten Ablösen noch keine so grosse Rolle wie heute. Es war halt einfach viel Geld. Nein, der direkte Weg aus der Schweiz zu Bayern ist schwierig. Schon die Bundesliga ist eine andere Hausnummer. Sehen Sie, nur Shaqiri und ich sind aus der Schweizer Liga direkt zu einem Weltklub wie die Bayern gegangen.* Sogar Chappi ist ja einen anderen Weg gegangen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass er alles richtig gemacht hat mit seiner Karriereplanung. Deshalb sollte Rieder den Chappi-Weg gehen.
****
Zur Person: Der Däne Lars Lunde (58) schoss die Young Boys 1986 als Torschützenkönig zum Titel. Daraufhin wechselt er zu Bayern München, was eine Sensation war. Lunde wurde damals für Weltauswahlen aufgeboten. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz beendete ein tragischer Verkehrsunfall seine Karriere. Heute arbeitet die YB-Legende als Krankenpfleger in Bern.
*Anmerkung: Mit Slawomir Wojciechowski schaffte 1999 noch ein dritter Spieler den Sprung aus der Schweiz zu Bayern München. Der viermalige polnische Nationalspieler wechselte von Aarau zu den Münchnern. Nach einer Saison mit sieben Einsätzen kehrte er ins Aargau zurück.