Formel 1: Deshalb landete Zhou (noch) nicht im Schweizer Zaun
Das Wichtigste in Kürze
- Zhou Guanyu wird bei seinem Crash in Silverstone von einem Fangzaun aufgefangen.
- Anders als bei anderen Strecken ist der Silverstone-Zaun (noch) kein Schweizer Produkt.
- Die Geobrugg AG aus Romanshorn sorgt seit Jahren an den neusten Rundkursen für Schutz.
Die Formel 1 hält beim Grossen Preis von Grossbritannien den Atem an. Alfa-Romeo-Fahrer Zhou Guanyu (23) verunfallt in Silverstone in der ersten Kurve heftig (Video oben).
Der Chinese rutscht mit über 200 km/h kopfüber ins Kies, fliegt über den Reifenstapel, landet im Streckenzaun. Dort kommt das Auto schliesslich zum Stillstand. Zhou kann unverletzt befreit werden. Nochmals Glück gehabt.
Auf «Sky» ist der Unfall das grosse Thema. Die TV-Zuschauer werden darüber informiert, dass Zhou von einem Schweizer Zaun aufgefangen wurde. Stimmt leider nicht ganz.
Denn: Nau.ch hat bei der verantwortlichen Firma, der Geobrugg AG aus Romanshorn, nachgefragt – und es stellt sich heraus: In Silverstone wird (noch) nicht auf das Schweizer Sicherheits-Produkt gesetzt.
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Schweizer Streckenzäune in der Formel 1
Zwischen der Schweizer Geobrugg AG und dem Weltmotorsportverband Fia besteht seit 13 Jahren eine Kooperation. Das Ziel: die Sicherheit entlang von Rennstrecken verbessern. Das im Kanton Thurgau ansässige Unternehmen schützt Mensch und Infrastruktur ausschliesslich mit getesteten Systemen.
Die ersten Fangzäune der Fia wurden durch Geobrugg bereits im Jahr 2008 getestet. 2018 wurde ein Standard eingeführt, der getestete Lösungen für neue Formel-1-Rennstrecken verpflichtend vorschreibt.
Jochen Braunwarth, Director Motorsport Solutions bei der Geobrugg AG, sagt auf Anfrage, dass die Spezifikationen vor 2018 noch anders gewesen seien. Damals ging es noch darum, wie der Zaun nach bestem verfügbarem Wissen gebaut werden solle.
Braunwarth: «Da man zu diesem Zeitpunkt aber noch keine 1:1-Crash-Tests durchgeführt hat, konnte man nie sicher sein, ob der Zaun auch tatsächlich funktioniert.»
Die neuesten Rennstrecken der Formel 1 werden mit Fia-homologierten Fangzäunen ausgestattet, um bestmögliche Sicherheit zu gewährleisten. Darunter fallen unter anderem der High-Speed-Circuit im saudi-arabischen Jeddah und der Rundkurs in Miami. Aber eben nicht Silverstone.
«Der dort installierte Zaun wurde vor der Einführung des Fia-Standards für Fangzäune gebaut», erklärt Braunwarth. Er entspreche der damals gültigen Richtlinie für Fangzäune.
Bereits vor dem Jahr 2018 bestehende Rennstrecken haben Bestandesschutz und dürfen ihre Zäune weiterhin benutzen. «Nur im Falle einer Neugestaltung eines Streckenabschnitts muss der Zaun durch einen neuen Fia-homologierten Zaun ersetzt werden.»
Zaun stoppt 780-Kilogramm-Stahlkugel bei ca. 65 km/h
Um die Regeln des Weltmotorsportverbands einzuhalten, müssen die Fangzäune eine Stahlkugel mit 780 Kilogramm und 65 km/h sowie ein Testfahrzeug mit 1000 Kilogramm und 120 km/h innerhalb von drei Meter stoppen. Das ist happig.
Die neuste Lösung von Geobrugg ist nun ein Fangzaun mit vergrössertem Abstand zwischen den Stützen. Dies verbessere die Sicht der Zuschauer auf die Rennstrecke – natürlich «bei gleicher Rückhalteleistung», beschreibt Braunwarth.
Weiter verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fahrer in einem Pfosten landet. Dazu erleichtert sich der Transport und Aufbau, was die neuen Streckenzäune ökonomischer und umweltfreundlicher macht.
Formel 1 nächstes Wochenende in Österreich
In der Formel 1 stehen die Lösungen der Geobrugg AG bereits kommendes Wochenende das nächste Mal im Einsatz. Es bleibt natürlich zu hoffen, dass sie beim Grossen Preis von Österreich – anders als diejenigen in Silverstone – nicht benötigt werden.