Formel E: Wird der WM-Titelkampf jetzt zu einem Dreikampf?
Pascal Wehrlein übernimmt in der Formel E wieder die WM-Führung. Nick Cassidy strauchelt in Indonesien. Und Jake Dennis bringt sich still und leise in Stellung.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Formel E macht in Jakarta Station – und die WM-Führung wechselt.
- Pascal Wehrlein übernimmt wieder die Spitze, während Nick Cassidy schwächelt.
- Die nächste Station ist der Portland-ePrix am 25. Juni (Schweizer Zeit).
Die Formel E gastiert bei heissen, feuchten Bedingungen mit einem Double-Header in Indonesien. Das Jakarta-Gastspiel wird für Nick Cassidy zum Debakel: Als WM-Leader angereist, rutscht der Envision-Pilot auf Rang drei zurück.
Dafür erobert Porsche-Star Pascal Wehrlein in der Formel E die WM-Führung zurück. Und mit zwei zweiten Plätzen ist auch Andretti-Fahrer Jake Dennis im Titelkampf weiter mit dabei. Es bahnt sich ein heisses Saisonfinale an.
Motorsport-Insiderin Carla Welti und Nau.ch-Experte Mathias Kainz besprechen die aktuellen Themen und blicken auf den packenden Titelkampf voraus.
Nau.ch: Nach Monaco habt ihr von Pascal Wehrlein eine Kurskorrektur gefordert. Hat er die erfolgreich geschafft?
Carla Welti: Hat er, vor allem im ersten Rennen. Er scheint seinen Rhythmus wieder etwas gefunden zu haben. Jetzt bleibt die Frage, ob er das für die kommenden Rennen aufrecht halten kann.
Mathias Kainz: Zumindest das erste Rennen war wieder auf dem Niveau, das man von Wehrlein erwarten darf. Es zeigt aber auch, wie wichtig gerade bei ihm das Qualifying ist. Wenn er mal von weiter hinten kommt, verwickelt er sich zu oft in Zwischenfälle.
Erneute Jaguar-Kollision in der Formel E
Nau.ch: Apropos Zwischenfälle: Zum zweiten Mal räumen sich die beiden Jaguar gegenseitig ab. Muss das Team hier einschreiten?
Mathias Kainz: Ja, zweimal ist definitiv einmal zu viel. Zumal es in beiden Fällen Kollisionen waren, die das Team richtig gute Resultate gekostet haben. So eng wie der WM-Kampf läuft, könnte das am Ende sogar gegen Mitch Evans entscheiden. Deshalb muss Jaguar da jetzt mal ein ernstes Wörtchen mit seinen Fahrern reden.
Carla Welti: Ich glaube, das geschieht bereits hinter verschlossenen Türen. Sich innerhalb eines Teams wortwörtlich im Weg zu stehen behindert Erfolg, Entwicklung und schürt böses Blut. Da werden bei Jaguar sicher schon Massnahmen getroffen, um den beiden Hitzköpfen klarzumachen, dass das so nicht geht.
Nau.ch: Maserati feiert seinen ersten Sieg in der Formel E. Ein Ausreisser durch die Bedingungen in Indonesien, oder eine ernsthafte Trendwende?
Carla Welti: Einen Ausreisser würde ich das nicht nennen. Günther hat schon oft gezeigt, dass er das Können hat und dass der Maserati die nötige Leistung erbringen kann. Das Problem war bis jetzt immer Günther, der Fahrfehler begangen hat. Wenn er so konzentriert bleibt wie in Jakarta, dann wird er sich noch einige wertvolle Punkte holen können.
Mathias Kainz: Es hat bei Maserati aber durchaus ein bisschen gedauert, bis man ein konkurrenzfähiges Auto hinstellen konnte. Vor allem am Saisonbeginn war Günther oft über dem Limit, um mithalten zu können. Jetzt wirkt er wesentlich komfortabler im Cockpit, und das macht sich bezahlt. Schade für ihn, dass der WM-Zug schon abgefahren ist.
Enttäuschendes Jubiläum für DS in der Formel E
Nau.ch: Gutes Stichwort! Die WM geht in die heisse Phase, der Kreis der Titelkandidaten schmilzt. Welchen Fahrern traut ihr den WM-Titel noch zu?
Mathias Kainz: Wenn drei Fahrer innerhalb von sechs Punkten an der Spitze liegen, sind sie alle Kandidaten. Pascal Wehrlein hat seine Titelambitionen untermauert, Nick Cassidy war in Jakarta etwas enttäuschend. Ich würde mich nicht wundern, wenn am Ende Jake Dennis der lachende Dritte ist – oder gar Mitch Evans ...
Carla Welti: Ich denke, dass der Kampf zwischen Wehrlein und Cassidy stattfinden wird. Wehrlein hat sich früh weit vorne abgesetzt, mit den Punkten, die er geholt hat. Cassidy hat die meiste Konstanz gezeigt und sich die Spitze der Rangliste hart erkämpft.
Nau.ch: DS hat in Jakarta sein 100. Rennen in der Formel E gefeiert – zu feiern gab es aber nicht allzu viel. Wie seht ihr das?
Carla Welti: Das war schmerzhaft zuzuschauen – ich hätte es ihnen gegönnt, etwas zu feiern haben. Der Samstag war mit den Plätzen vier und fünf nicht so schlecht. Aber am Sonntag war das Glück einfach nicht auf ihrer Seite. Gerade Vergne war mit dem Schaden am Frontflügel und Reifen der absolute Pechvogel.
Mathias Kainz: Es unterstreicht leider, was wir schon das ganze Jahr von DS Penske sehen: Ein Wochenende ist man vorne mit dabei, beim nächsten wieder nur im Mittelfeld. An den Fahrern kann es kaum liegen, schliesslich sind beide schon Champions in der Formel E gewesen. Manchmal fehlt einfach das nötige Glück – da wird nach dem Saisonende viel Arbeit auf das Team zukommen.
Maximilian Günther brilliert in Jakarta
Nau.ch: In Jakarta wurde der Attack-Mode in der Formel E von vier auf acht Minuten aufgestockt. Wie findet ihr die Erhöhung?
Mathias Kainz: Als strategisches Element macht das den Attack Mode noch spannender, weil der Einfluss grösser ist. Acht Minuten sind aber vielleicht ein bisschen viel – ich würde mir da einen Mittelweg wünschen. Wie wäre es mit sechs Minuten beim nächsten Mal?
Carla Welti: Ich fand die acht Minuten sehr attraktiv, das gibt den Fahrern mehr Möglichkeiten, Überholmanöver zu setzen. Für die Teams ist es eine neue Herausforderung, weil man auch die Batterien anders handhaben muss. Bleibt spannend, ob es bei den acht Minuten bleibt, oder ob es auf anderen Strecken wieder auf vier Minuten geht.
Nau.ch: Und zu guter Letzt: Wer war euer Fahrer des Wochenendes in Jakarta?
Carla Welti: Rein auf die Leistung bezogen, bleibt gar nichts anderes übrig: Maximilian Günther war der Fahrer des Wochenendes. Seine Leistung war von den Trainings über Qualifying bis hin zu den Rennen durchgehend gut. Es freut mich für ihn und sein Team, zu sehen, dass sich die Mühen der letzten Rennen gelohnt haben.
Mathias Kainz: Da muss ich dir uneingeschränkt zustimmen – das war eine Glanzleistung von vorne bis hinten. Ein grosses Kompliment geht aber auch an Jake Dennis, der mal wieder recht unauffällig seine WM-Chancen stärkt. Zweimal Zweiter, vier Podestplätze in Folge – das verdient eine Erwähnung.