Welche Lehren die Formel 1 aus dem GP von Aserbaidschan ziehen kann

Mathias Kainz
Mathias Kainz

Aserbaidschan,

Mercedes enteilt in der Formel 1 an der Spitze. Ferrari schafft es, seine Stärke konsequent nicht auszunutzen. Und hinter Rot und Silber klafft ein Riesenloch.

Formel 1 Baku Bottas
Valtteri Bottas hat in Baku alles richtig gemacht. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Valtteri Bottas hat die Führung in der Formel 1-WM in Aserbaidschan zurückerobert.
  • Hinter Mercedes tut sich in der WM aber schon eine grosse Lücke auf.

Die Formel 1 kehrt nach dem 1000. WM-Rennen in China mit dem Grossen Preis von Aserbaidschan zur Normalität zurück. Dazu gehört in der Saison 2019 auch die Dominanz von Mercedes. Die Silberpfeile haben den besten Saisonstart in der Geschichte der Formel 1 hingelegt.

Vier Doppelsiege in den ersten vier Saisonrennen hat noch niemand geschafft, nicht einmal Ferrari in der Schumacher-Ära. Trotzdem übt man sich bei Mercedes weiter im Understatement. «Ferrari-Mann Leclerc war der schnellste Mann auf der Piste», behauptet Teamchef Toto Wolff. Hier sind fünf Lehren aus dem Baku-GP.

Lehre #1: Die Formel 1-WM ist ein Mercedes-Duell

Vier Rennen, vier Doppelsiege, je zwei Mal Bottas und Hamilton vorne – Mercedes dominiert die Saison bisher. Ein Ende dieser Dominanz ist nicht in Sicht. Und mit 35 respektive 34 Zählern Vorsprung auf Ferrari-Star Sebastian Vettel ist die WM wohl schon ein Zweikampf geworden.

Der könnte aber der spannendste Titelkampf in der Formel 1 seit Langem werden. Denn Valtteri Bottas ist – wie Nico Rosberg 2016 – erstmals in der Lage, Lewis Hamilton herauszufordern. Und damit sind wir auch schon bei Lehre #2...

Lehre #2: Valtteri Bottas fährt mit Eis in den Adern

Es gibt in der finnischen Sprache den schwer übersetzbaren Begriff sisu. Das Wort bezeichnet einen besonderen Kampfgeist weit über die eigene Schmerzgrenze hinaus. Für die Finnen wird «sisu» vor allem in Kriegszeiten, wie etwa dem Winterkrieg gegen die Sowjetunion, bedeutsam.

Dieses «sisu» scheint Bottas gefunden zu haben. Was immer der Finne über den Winter auch gemacht hat – es funktioniert. In seiner aktuellen Form kann er Lewis Hamilton Paroli bieten, schlug ihn zuletzt zwei Mal en suite im Qualifying.

Formel 1 Valtteri Bottas
Eis in den Venen, Eis im Blick: Valtteri Bottas ist in der Formel 1 aktuell in Überform. - keystone

Und in Baku zeigte er eine von ihm noch nie gesehene Eiseskälte. Wie er Hamilton in den ersten zwei Kurven den Schneid abkaufte, war phänomenal. Noch beeindruckender war der Finne aber in der Schlussphase. Trotz enormem Druck von Hamilton behielt Bottas die Nerven.

Allerdings: Bottas ist am absoluten Limit. Der Finne fährt an der Grenze dessen, was für ihn möglich ist. Bei Hamilton hingegen ist 2019 noch Luft nach oben. Findet der Brite seine Form, wird er für Bottas wohl nicht zu halten sein.

Lehre #3: Leclerc ist noch kein Weltmeister

Viel Kritik hatte Ferrari einstecken müssen, weil man in den ersten drei Saisonrennen Charles Leclerc einbremste. Per Stallorder wurde Sebastian Vettel vor dem jungen Monegassen geschützt. Für viele ein Fehler, denn die Fans sehen Leclerc in der Formel 1 schon 2019 als WM-Kandidaten.

In Baku zeigt sich: So weit ist das Supertalent der Formel 1 noch nicht. Dass Leclerc schnell ist – und aktuell wohl schneller als Vettel – ist unbestritten. Aber in den entscheidenden Momenten fehlen ihm noch die Coolness und Erfahrung.

Formel 1 Charles Leclerc
Bruchlandung bei Ferrari: Leclerc steckt in der Mauer, Vettel zieht vorbei. - keystone

Das beste Beispiel lieferte er im Qualifying. Auf einer eigentlich langsamen Runde warf er seinen Ferrari in die Wand. Besonders bitter an einem Wochenende, an dem er klar der Schnellste war. Und anders als Vettel wohl auch die Pole geholt hätte.

So steht er mit einem dritten und drei fünften Plätzen aber sogar noch hinter Max Verstappen in der WM. Der Ansatz von Ferrari ist wohl richtig. Leclerc hinter Vettel zu halten, nimmt den Druck von ihm, das Team führen zu müssen. Das gibt dem Monegassen die Chance, zu reifen.

Lehre #4: McLaren ist endlich wieder da

Auch wenn der WM-Stand es noch nicht vermuten lässt: McLaren hat das Schlimmste hinter sich. Die Talsohle, in der das britische Traditionsteam mit Honda versank, scheint überwunden zu sein.

Noch ist McLaren nicht wieder im Spitzenfeld der Formel 1 zu finden. Aber in Baku – auf einer ausgewiesenen Power-Strecke – fuhr man konstant vorne mit. Und man steht aktuell auf Platz vier der Gesamtwertung. Zum Vergleich: Motorenlieferant Renault liegt mit seinem Werksteam nur auf Rang sieben.

Formel 1 McLaren Norris
Lando Norris und Carlos Sainz führen McLaren wieder an die Spitze heran. - keystone

Dass der Anschluss an die drei grossen Teams noch nicht geglückt ist, steht ausser Frage. Aber: Die Formkurve bei McLaren zeigt deutlich nach oben. Das ist auch gut für die Formel 1, denn das Traditionsteam erfreut sich immer noch grosser Beliebtheit.

Lehre #5: Bei Williams muss man hoffen

Das Sauber-Team ist dank Alfa-Romeo-Unterstützung wieder auf dem Weg nach vorne. McLaren fängt sich ebenfalls langsam. Da darf auch Williams darauf hoffen, dass aus der aktuellen Formkrise ein Weg zurück nach oben führt.

Dass dieser Weg noch lang und steinig ist, zeigt die Geschichte der Formel 1 zur Genüge. Aber: Auch bei Williams geht die Form ein wenig nach oben. Die Lücke war in Baku kleiner als bisher, auch wenn der Mercedes-Motor dank seiner Leistung dazu beiträgt.

Formel 1 Williams Baku
Die Saison 2019 kann Williams schon abhaken. - dpa

Doch die Beispiele McLaren und Sauber unterstreichen, dass die Lage nicht ausweglos ist. Allerdings werden beim Traditionsteam aus Grove noch ein paar Köpfe rollen müssen, bis es wieder vorwärts geht.

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