Matteo Berrettini erlebte in Wimbledon gegen Roger Federer ein Debakel. Wie geht er mental damit um? Nau hat mit dem Sportpsychologen Jan Rauch gesprochen.
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Matteo Berrettini war gegen Roger Federer im Wimbledon-Achtelfinal chancenlos. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Matteo Berrettini ging mit viel Selbstvertrauen in die Partie gegen Roger Federer.
  • Er kassierte aber eine der wohl schlimmsten Niederlagen seiner Karriere.
  • Der Sportpsychologe Jan Rauch erklärt, wie der Italiener mit dieser Schmach umgehen kann.
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Die Rasenplatz-Saison lief für Matteo Berrettini (ATP 20) bisher überragend. Das Turnier in Stuttgart gewann er, ohne einen Satz zu verlieren, und in Halle scheiterte er erst im Halbfinal.

Nau.ch: Wie sieht der Tag danach bei Berrettini aus? Ist er am Boden zerstört?

Vor dem Duell mit Roger Federer hatte er elf von zwölf Spielen in diesem Jahr auf Rasen gewonnen – beeindruckend!

Rauch: Es ist wichtig, die Niederlage zu analysieren, aber nicht nur Resultat-bezogen. Es sind verschiedene Ziele, die vor einem Spiel gesetzt werden. Auch da können Teilerfolge raus genommen werden. Ich denke nicht, dass er sich über diese Niederlage den Kopf zerbrechen wird.

Viele trauten dem Italiener eine Coup im Wimbledon-Achtelfinal zu. Was dann folgte, werden viele Tennis-Fans – und vor allem Berrettini – ihr Leben lang nicht mehr vergessen. In 75 Minuten wird die Weltnummer 20 von Roger Federer richtiggehend demontiert.

Nau.ch: Die Niederlage wird keine längerfristigen, negativen Auswirkungen haben?

Roger Federer demontierte Weltnummer 20

Wie reagiert ein Profi-Sportler in einer solch beklemmenden Situation? Jan Rauch, Sportpsychologe an der ZHAW, hat für Nau die wichtigsten Fragen beantwortet.

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Jan Rauch ist Sportpsychologe und an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaft ZHAW tätig. - Keystone

Nau.ch: Der erste Satz war für Berrettini bereits nach 17 Minuten futsch. Was tun, wenn das Kopf-Kino losgeht?

Jan Rauch: Ein Tennisspieler geht in der Regel mit mehreren Plänen und Zielen in ein Match. Für ihn war klar: Aus Plan A wird heute nichts. Dann muss man sich wieder auf die Grundlagen des Spiels konzentrieren und wenn möglich versuchen, die Nervosität mit diesem Satz vollständig abzulegen. Für ihn wird da sicher noch keine Welt zusammengebrochen sein.

Nau.ch: Es geht im gleichen Stil weiter und er bleibt auch in Satz zwei chancenlos. Wie kommt ein Sportler aus einer solchen Negativ-Spirale raus?

Rauch: Es ist wichtig, dass man sich auf die im Moment wichtigen Ziele fokussiert. Wo liegen meine Stärken? Was habe ich mir für einen Plan B zurecht gelegt? Das sind auch die wichtigsten Punkte, wenn das Resultatziel – der Sieg – erreicht werden soll. Dies ist natürlich in einem Spiel gegen Federer in Wimbledon und auf dem Centre-Court enorm schwierig.

Nau.ch: Er hat sich in der Folge in die Garderobe zurückgezogen. Musste er sich selber sammeln oder wollte er den Rhythmus des Gegners brechen?

Rauch: Das passiert öfter auf der Tour. Roger Federer wurde auch schon vorgeworfen, den Rhythmus des Gegners brechen zu wollen. Ich denke aber, dass es darum ging, sich selber wieder zu sammeln. Er musste sich darauf besinnen: «Gopferdelli, wie wollte ich eigentlich spielen?»

Nau.ch: Berrettini hat dann begonnen, bei den verlorenen Punkten zu lachen und bei gewonnenen das Publikum anzuheizen. Weshalb?

Rauch: Das scheint mir eine Bewältigungs-Strategie gewesen zu sein. Der Selbstwert des Spielers ist bedroht und er versucht diesen zu schützen. Er schreibt die Ursachen seines «Versagens» nicht sich selber zu, sondern eher der Stärke seines Gegenübers. Das Publikum soll verstehen, dass Roger Federer heute einfach alles gelingt und er schlichtweg machtlos gegen ihn ist.

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Der Italiener Matteo Berrettini musste gegen Roger Federer ein Pleite hinnehmen. - Keystone

Rauch: Nein, das denke ich nicht. Die Spieler arbeiten oft mit Sportpsychologen zusammen und absolvieren mentales Training. Natürlich kommt es auch auf individuelle Strategien an. Aber er wird nicht wochenlang am Boden zerstört sein. Aus Niederlagen kann genau so viel gelernt werden, wie aus Siegen – sie müssen nur richtig aufgearbeitet werden.

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