NFL-Playoffs: Der grosse Quarterback-Vergleich vor den Divisionals
Welcher Spielmacher kann seine Mannschaft ins Konferenzfinale führen? Eine Bewertung der Quarterback-Paarungen der Playoff-Viertelfinals in der NFL.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Wochenende finden die Divisionals – die Viertelfinalspiele der NFL-Playoffs – statt.
- Der Einzug in die Conference-Finals lastet auf den Schultern der jeweiligen Quarterbacks.
- Nau vergleicht die Spielmacher der vier Divisional-Duelle.
Nein, American-Football ist keine Einzelsportart: Ein Starting-Quarterback ist nur einer von bis zu 48 verschiedenen Spielern, die im Laufe einer NFL-Partie für ein Team auf dem Feld stehen. Und nein, die Spielmacher zweier Mannschaften duellieren sich nicht per se: Ein Quarterback spielt bekanntlich nur gegen die gegnerische Defensive.
Aber trotzdem: Der Quarterback ist der wichtigste Mann im American Football. Oft sind es seine Leistungen, die über Erfolg oder Misserfolg von Franchises entscheiden. Darum wird das Aufeinandertreffen von zwei Grössen auch gerne mal als «Duell der Giganten» inszeniert. In der Divisional Round stehen nun gleich vier packende Quarterback-«Duelle» auf dem Programm.
In der AFC will De-Facto-Rookie-des-Jahres C.J. Stroud dem De-Facto-Spieler-des-Jahres Lamar Jackson die Playoff-Party vermiesen, derweil Josh Allen versucht, endlich aus Patrick Mahomes’ Schatten zu treten.
In der NFC lasten die Erwartungen zweier Traditionsfranchises auf den Schultern der beiden Youngster Brock Purdy und Jordan Love und zwischen Jared Goff und Baker Mayfield entscheidet sich, welchem NFL-Märchen ein weiteres Kapitel angefügt wird.
In einer Preview der etwas anderen Art stellen wir die jeweiligen Quarterbacks gegenüber und messen sie anhand vier Kriterien: Talent, Statistiken, Erfahrung und Teamleistung.
Lamar Jackson (Ravens) vs. C.J. Stroud (Texans)
Samstag, 22.30, Houston Texans @ Baltimore Ravens
Talent: Jackson
Lamar Jackson wird am 11. Februar zum zweiten Mal in seiner Karriere zum wertvollsten NFL-Spieler gekürt werden. Nicht nur, weil er heuer immer wieder gegnerische Verteidiger schwindelig rannte, sondern weil er auch als präziser und effizienter Passer überzeugte.
C.J. Stroud hat indes den Titel zum besten Rookie des Jahres auf sicher. Für die MVP-Trophäe ist es noch zu früh – macht er so weiter, ist es allerdings nur eine Frage der Zeit, bis er Jackson beerbt.
Statistiken: Stroud
Stroud bricht heuer ein Rookie-Rekord nach dem anderen: In Woche 9 wirft er gegen die Tampa Bay Buccaneers die meisten Rookie-Yards in einem Spiel in über hundert Jahren NFL (470).
Paradoxerweise sind Jacksons MVP-Statistiken nicht atemberaubend: Seine 821 Rush-Yards sind zwar Ligaspitze, stehen allerdings in keinem Vergleich zur 1'201-Rush-Yards-Saison von 2019. Insgesamt macht Jackson in diesem Jahr knapp 200 Total Yards mehr als Stroud, hat aber auch ein Spiel mehr auf dem Konto. Stroud erhält darum den Vorzug.
Erfahrung: Jackson
Der Ravens Quarterback steht zum dritten Mal, Stroud derweil zum ersten Mal in den NFL-Playoffs. Interessant: Stroud hat jetzt schon gleich viele Playoff-Siege auf dem Konto wie Jackson (1).
Team: Jackson
Die Ravens haben weder einen Receiver noch einen Running Back mit über 1000 Scrimmage-Yards im Team. Und dennoch stellen sie die beste Bilanz der NFL. Das spricht sowohl für die Versatilität der Ravens Offensive als auch für Lamar Jackson. Damit kann die dynamische Texans-Attacke dann doch nicht ganz mithalten.
Lamar Jackson 3:1 C.J. Stroud
Brock Purdy (49ers) vs. Jordan Love (Packers)
Sonntag, 02.15, Green Bay Packers @ San Francisco 49ers
Talent: Love
Jetzt wird’s kontrovers: Packers QB Jordan Love hat mehr Talent als Niners-Pendant Brock Purdy. Zugegebenermassen ist eine solche pauschale Beurteilung immer heikel. Die Rechtfertigung: Loves Leichtigkeit, Eleganz und Dynamik, die er in Spielen wie vergangene Woche gegen die Cowboys eindrücklich an den Tag legte, erinnern bisweilen an seinen Vorgänger Aaron Rodgers.
Brock Purdy ist da eher der Brady-Typus, der ein Spiel durch Disziplin, Effizienz und Abgeklärtheit dominiert. Brodelt hier eine zukünftige Rivalität à la Brady-versus-Rodgers?
Statistiken: Purdy
Bis zur Ravens Niederlage in Woche 15 war Purdy auf MVP-Kurs. Am Ende der Saison hat er das höchste Passer-Rating (105.5) und die meisten Yards pro Versuch (9.6) aller Quarterbacks mit mehr als 100 Passversuchen. Love hat die zweitmeisten Touchdowns der Liga – in allen anderen Statistiken hat Purdy die Nase vorn.
Erfahrung: Purdy
Love ist zwar schon seit 2020 in der Liga, musste aber drei Saisons lang hinter Aaron Rodgers Platz nehmen. Purdy hat schon eine Saison auf dem Buckel – und konnte bereits Playoff-Luft schnuppern: Letztes Jahr brachte er die Niners bis ins NFC-Championship-Spiel.
Team: Purdy
Christian McCaffrey, Brandon Aiyuk, George Kittle – die Liste mit Hochkarätern in der Niners-Offensive geht noch weiter. Obendrauf wird sie gecoacht von Offensiv-Genie Kyle Shanahan. Purdy kann also auf ein fein geöltes Offensiv-Bollwerk zurückgreifen. Love spielt derweil in der mit Abstand jüngsten Offensive der Liga (durchschnittlich 25.13 Jahre alt).
Brock Purdy 3:1 Jordan Love
Jared Goff (Lions) vs. Baker Mayfield (Buccaneers)
Sonntag, 21.30, Tampa Bay Buccaneers @ Detroit Lions
Talent: Goff
Der Werdegang dieser beiden Quarterbacks ist verblüffend ähnlich: Beide sind ehemalige Nummer-1-Picks, die bei ihrem ersten Team den Fall vom Messias zum Ausgestossenen erlebten, um dann anderswo zu alter Stärke zurückzufinden.
Auch in Sachen Talent stehen sich die beiden in nichts nach – Goff erhält hier das Tie-Break, weil er sich in sieben Jahren NFL immer wieder als hocheffizienter Passer profilieren konnte. Mayfield mag für mehr Spektakel sorgen – hat aber einen Hang zum Übermut.
Statistiken: Goff
Obschon Mayfield die statistisch beste Saison seiner Karriere spielt, gehört auch diese Kategorie Goff. In Sachen Pass-Yards steht dieser auf Platz 2 (4’575), in der Sparte Pass-Touchdowns auf 4 (30).
Erfahrung: Goff
Baker Mayfield kann zwei Playoff-Siege in drei Versuchen für sich beanspruchen. Jared Goff stand schon mal im Super Bowl. 2018 unterlag er mit den LA Rams den New England Patriots. Ein klarer Fall für Goff.
Team: Goff
Die Lions-Offensive macht den Goff-Clean-Sweep perfekt. Und dies, obschon es Namen wie Mike Evans, Chris Godwin oder Rashaad White von den Buccaneers durchaus mit Amon-Ra St. Brown, Sam LaPorta und Jahmyr Gibbs aufnehmen können – diese vielleicht sogar toppen.
Ausschlaggebend sind letztlich die grossen Jungs: Die Lions Offensive-Line ist laut PFF die zweitbeste der NFL. Jene der Bucs ist zwar im Laufspiel stark, lässt aber die sechstmeisten Sacks zu.
Jared Goff 4:0 Baker Mayfield
Josh Allen (Bills) vs. Patrick Mahomes (Chiefs)
Montag, 00.30, Kansas City Chiefs @ Buffalo Bills
Talent: Mahomes
Wenn sich diese beiden Quarterbacks gegenüberstehen, ist Spektakel vorprogrammiert: Unvergessen bleibt Mahomes’ 13-Sekunden-Field-Goal-Drive in den vorletzten Divisionals, der die Chiefs in die Verlängerung und schliesslich zum 42:36-Sieg brachte.
Beide Spielmacher stehen für explosiven, kreativen und draufgängerischen Football. Josh Allen ist mobiler als Mahomes. Dennoch – das ist auch der Konsens unter US-Experten – ist Mahomes aktuell der bessere Spielmacher.
Statistiken: Allen
Bills-Fans werden sich langsam an die regelmässigen kognitiven Aussetzer und die daraus resultierenden Turnovers von Josh Allen (22 – zweitmeiste in der NFL) gewöhnt haben. Doch wer in einer Saison die mit Abstand meisten totalen Touchdowns erzielt (48), dem sei mal die eine oder andere Interception verziehen.
In den allermeisten Statistiken ist Allen heuer besser als Mahomes, der eine eher durchwachsene Spielzeit erlebt – für seine Verhältnisse zumindest. Denn: In einem durchwachsenen Jahr wirft Patrick Mahomes dennoch die sechstmeisten Yards (4'183).
Erfahrung: Mahomes
Die Playoff-Bilanz spricht eindeutig für Patrick Mahomes. Von 15 Endrundenpartien gewann er 12, 2 davon sind Super Bowls. Allen hat erst 5 Siege in 9 Spielen und noch keine Lombardi-Trophäe. Dafür muss Patrick Mahomes in der Nacht auf Montag zum ersten Mal auswärts ran in den Playoffs – und dann direkt im eisigen Buffalo.
Team: Allen
Die Teilverantwortung für die bislang mässig erfolgreiche Saison der Chiefs müssen die Passempfänger tragen. Sie lassen die meisten Pässe der Liga fallen (44). Josh Allen hat da weniger Probleme. Mit Anspielstationen wie Stefon Diggs und Gabriel Davis kann er ruhiger schlafen als Mahomes. Trotz vieler Verletzungen sind die Bills heuer das komplettere Team.
Josh Allen 2:2 Patrick Mahomes