Im Dezember stürzte Marc Gisin im Ski-Weltcup schwer. Danach musste er selbst die einfachsten Dinge neu lernen – jetzt steht er wieder auf den Skiern.
Marc Gisin Ski Alpin
Marc Gisin stürzte im Dezember schwer. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Am 15. Dezember erlitt Marc Gisin beim Sturz in der Gröden-Abfahrt schwere Verletzungen.
  • Nun steht der 30-Jährige wieder auf Skiern und arbeitet an seinem Weltcup-Comeback.
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nau.ch: Marc Gisin, Sie haben nach ihrem schweren Sturz die ersten zwei Trainingstage in den Toren absolviert. Wie hat die Rückkehr in den Rennfahrermodus funktioniert?

Marc Gisin: Ich habe recht schnell wieder ins Geschäft zurückgefunden. Mauro Caviezel, Gilles Roulin und ich haben auf der Corviglia Super-G trainiert. Mauro und Gilles das volle Programm, ich noch etwas reduziert. Im oberen, flacheren Teil habe auch ich ganz normal trainiert und versucht, Tempo zu machen.

Sobald das Gelände steiler und anspruchsvoller geworden ist, bin ich mit Skijacke und etwas gemächlicherem Tempo durch die Tore gefahren. Das war wichtig, um – im Gegensatz zum freien Skifahren – das Gefühl für die vorgegebenen Kurven wieder zu bekommen. Im Anschluss habe ich auch noch einige Fahrten auf einem eher einfach gesteckten Riesenslalom absolviert.

nau.ch: Sie haben während zwei Tagen trainiert. Wie viele dieser Trainingsfahrten haben Sie jetzt in den Beinen?

Marc Gisin: Der Umfang hat fünf bis sechs Super-G- und anschliessend noch vier bis fünf Riesenslalom-Läufe betragen.

«Eine gewisse Anspannung war da»

nau.ch: Wie muss man sich Ihren Gefühlshaushalt vor den ersten Fahrten vorstellen? Fühlten Sie sich unsicher oder waren Sie dermassen voller Vorfreude und Adrenalin, dass Zweifel keinen Platz gehabt haben?

Marc Gisin: Also eine gewisse Anspannung war am ersten Tag vor den ersten zwei, drei Fahrten da. Aber ich habe mich sehr rasch wohl, und von Fahrt zu Fahrt wohler und sicherer gefühlt. Die Automatismen zwischen den Toren waren wieder, oder noch, da.

Fehlen tut es noch an der Rumpfstabilität. Im Oberkörper sind viele Verletzungen gewesen. Deshalb fehlen dort auch noch einige spezifische Trainingstage, damit die Muskulatur wieder genügend aufgebaut ist.

Vor dem Unfall habe ich Schläge mit dem Körper kompensieren und ausgleichen können. Jetzt schüttelt es mich jeweils noch etwas arg durch. Da gibt es noch ein Defizit, das ich bis zum Beginn des Sommertrainings im August aufzuholen habe.

Toll für mich war, dass ich keinerlei Beschwerden hatte – weder körperlich noch vom Kopf her. Es ist zu keiner Zeit, auch nicht bei höherem Tempo, ein Angstgefühl aufgekommen. Ich habe es zwar so erwartet, aber selbstverständlich ist das nicht. Ich bin sehr erleichtert, dass sich dann meine Erwartungen auch bestätigt haben.

Marc Gisin: «Der Übergang war fliessend»

nau.ch: Gemessen an den heftigen Verletzungen ist Ihnen eine extrem frühe Rückkehr geglückt…

Marc Gisin: Ja, absolut. Und das ist alles andere als selbstverständlich. Aber ich habe beim Gesundwerden schon im Spital fast von Woche zu Woche riesige Fortschritte, schon fast Quantensprünge, gemacht. Dieses Tempo hat sich bis heute so fortgesetzt und der Übergang von der Reha- in die Trainingsphase war fliessend.

Seit ich nicht mehr auf die Krücken angewiesen bin geht es weiterhin zügig vorwärts. Stand heute bin ich praktisch beschwerdefrei, stehe schon wieder auf den Skiern und trainiere bereits wieder zwischen den Toren. Viel besser hätte es wirklich nicht laufen können. Jetzt heisst es: schlau trainieren, damit ich dann ganz normal ins Sommertraining einsteigen kann.

Marc Gisin
Marc Gisin im November während des Trainings von Lake Louise. - keystone

nau.ch: Es ist ja oft so, dass nach einer schweren Verletzung zu Beginn die Fortschritte gross sind. Dann aber kleiner werden und die Geduld des Athleten strapazieren. Bei Ihnen scheint aber alles mit grossem Tempo in die erfreuliche Richtung zu gehen.

Marc Gisin: Es war wirklich krass. Zu Beginn hatte ich Mühe, einen Löffel mit Suppe zum Mund führen zu können. Und nach diesem kleinen Vorgang war ich derart erschöpft, dass ich fünf Minuten Pause gebraucht habe. Wenn ich daran denke, ist es schier unglaublich.

Danach musste ich wieder das Gehen lernen, und auch da kamen die Fortschritte in rascher Folge. Selbst die Ärzte, die mich vor Rückschlägen gewarnt und manchmal gebremst haben, staunten über die Kadenz der gemachten Fortschritte.

So blöd es klingt: für mich war es spannend, diese Entwicklung mitzumachen. Unter dem Strich und wegen der Unnötigkeit des Sturzes natürlich verzichtbar, aber letztlich extrem spannend und lehrreich.

nau.ch: Was ist Ihre grösste Lehre aus dieser Zeit?

Marc Gisin: Ich höre definitiv mehr und besser auf meinen Körper. Ich bin sensibilisierter, was zum Beispiel die Gesamtbelastung und den Energiehaushalt betrifft.

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