«Keine halben Sachen»: Guaidó will Entscheidung erzwingen
Eim Umsturz in Venezuela mit Hilfe des Militärs ist vorerst gescheitert. Jetzt will der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó das Land lahm legen, bis sein Widersacher Nicolás Maduro klein beigibt. Doch der Staatschef beweist Steherqualitäten.
Das Wichtigste in Kürze
- Der selbst ernannte venezolanische Interimspräsident Juan Guaidó will die Regierung von Staatschef Nicolás Maduro mit einer Serie von Streiks in die Knie zwingen.
«Ab morgen beginnen wir mit gestaffelten Streiks bis hin zu einem Generalstreik», sagte der Oppositionsführer am Mittwoch bei einer Kundgebung in Caracas. «Das Ende der unrechtmässigen Machtübernahme ist nah.»
Guaidó rief seine Anhänger dazu auf durchzuhalten und bei den Protesten gegen die Regierung nicht nachzulassen. «Wenn das Regime glaubt, wir hätten bereits den maximalen Druck erreicht, dann täuscht es sich», sagte er. «Unsere Opfer waren nicht umsonst. Wir erobern uns Räume zurück und bleiben auf der Strasse, bis wir die Freiheit für Venezuela erlangt haben.»
Zahlreiche Menschen gingen in der Hauptstadt Caracas und anderen Städten des südamerikanischen Landes auf die Strasse, um gegen Maduro zu protestieren und Neuwahlen zu fordern. Sie skandierten Parolen wie «Freiheit, Freiheit» und schwenkten venezolanische Flaggen. «Wir müssen für unsere Rechte kämpfen, wir bekommen sie nicht geschenkt», sagte eine Demonstrantin im Fernsehsender VPI. Ein Mann sagte: «Wir wollen, dass Venezuela ein besseres Land wird.»
An einigen Stellen stoppten Sicherheitskräfte die Protestzüge und setzen Tränengas ein. «Verliert nicht die Hoffnung», sagte die oppositionelle Abgeordnete Mariela Magallanes. «Diese Entwicklung lässt sich nicht mehr umkehren.» Auch zahlreiche Regierungsanhänger gingen am Tag der Arbeit auf die Strasse. «Das Volk verteidigt die Revolution», sagte der stellvertretende Vorsitzende der sozialistischen Partei, Diosdado Cabello.
Am Dienstag war Guaidó mit seinem Versuch, die Streitkräfte des Landes auf seine Seite zu ziehen und Maduro mit einer Blitzaktion aus dem Amt zu fegen, vorerst gescheitert. Zwar schlossen sich einige Soldaten der Opposition an und befreiten den seit Jahren inhaftierten Oppositionsführer Leopoldo López aus dem Hausarrest. Die Militärführung allerdings versicherte Maduro erneut die Treue.
Maduro erklärte den Aufstand für gescheitert und sprach von einem «Putschversuch». Er kündigte an, die Drahtzieher der Rebellion zur Verantwortung zu ziehen. «Ein Staatsstreich wäre, wenn sie mich festnehmen würden», sagte Guaidó. «Wir werden mit den Militärs reden und sie werden sich unserer Sache anschliessen.»
Bereits am Dienstag hatten sich Demonstranten und Sicherheitskräfte in Caracas heftige Auseinandersetzungen geliefert. Regierungsgegner schleuderten Steine und Brandsätze auf die Uniformierten. Angehörige der Nationalgarde feuerten mit Tränengas und Schrotmunition in die Menge. Im Fernsehen war zu sehen, wie ein Panzerwagen in eine Menschengruppe raste.
Mit seinem jüngsten Coup hat Guaidó wieder Bewegung in den zuletzt festgefahrenen Machtkampf gebracht. Der junge Abgeordnete hatte sich am 23. Januar selbst zum Interimspräsidenten ernannt und seither vergeblich versucht, einen Machtwechsel in dem südamerikanischen Erdölland zu erzwingen. Die USA, viele EU-Staaten und zahlreiche Länder in Lateinamerika haben ihn zwar als rechtmässigen Übergangspräsidenten anerkannt - China, Russland, die Türkei sowie Kuba, Bolivien und Nicaragua hingegen stützen weiterhin Maduro.
Die USA suchen nach Worten von Aussenminister Mike Pompeo weiter eine friedliche Lösung. Ein militärisches Eingreifen sei möglich, Washington ziehe aber eine andere Lösung vor, sagte Pompeo am Mittwoch dem Sender Fox Business. «Militärisches Handeln ist möglich. Wenn es das ist, was notwendig wird, dann ist es das, was die Vereinigten Staaten tun werden.» Allerdings betonte er: «Wir tun alles, was wir können, um Gewalt zu vermeiden.»
Russland warf den USA vor, zu einer Eskalation im Krisenland Venezuela beizutragen. Es werde «drastischste Konsequenzen» zur Folge haben, wenn Washington seine «aggressiven Schritte» in Venezuela fortsetze, hiess es in einer Stellungnahme des russischen Aussenministers Sergej Lawrow nach einem Telefonat mit Pompeo. Die Vereinigten Staaten beschuldigen ihrerseits Russland, Maduro zu stützen und die Krise damit weiter zu verschärfen.