Donald Trump fordert Gouverneure zum Durchgreifen auf
In den USA reissen Proteste gegen Polizeigewalt nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd nicht ab. Trotz geltender Ausgangssperren gehen die Menschen weiter demonstrieren. US-Präsident Trump sieht Linksradikale hinter den Unruhen.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach erneuten Unruhen in US-Metropolen hat US-Präsident Donald Trump Gouverneure in einer Telefonschalte einem Medienbericht zufolge zu härterem Durchgreifen aufgerufen.
«Sie müssen dominieren», sagte Trump bei der Schalte am Montag nach einem Bericht des Senders CBS, dem eine Aufnahme des Gesprächs vorlag. «Wenn Sie nicht dominieren, verschwenden Sie Ihre Zeit.»
Trump warnte, die Gouverneure würden «wie ein Haufen Idioten» aussehen, sollten sie sich von den Aufrührern überrennen lassen. Trump hatte nach seinem vom Weissen Haus veröffentlichten Programm am Montagvormittag eine Telefonschalte mit den Gouverneuren der Bundesstaaten und Vertretern von Sicherheitskräften.
Nach erneuten Protesten vor dem Weissen Haus am Sonntagabend kündigte Trump laut CBS ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten in Washington an. Die Behörden in Washington kündigten eine erneute Ausgangssperre für die Nächte zu Dienstag und Mittwoch an. Sie soll jeweils von 19.00 Uhr (Ortszeit/1.00 Uhr MESZ) bis 6.00 Uhr dauern.
Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis hatte es zuvor die sechste Nacht in Folge Demonstrationen gegeben - die in mehreren Grossstädten wieder in Ausschreitungen umschlugen. In New York, wo Tausende auf den Strassen waren, kam es in der Nacht zu Montag zu Plünderungen und zahlreichen Festnahmen. In Boston brannten Autos. Auch in Los Angeles und Philadelphia wurden Geschäfte ausgeraubt. In der Hauptstadt Washington gab es ebenfalls Randale.
Die Proteste richten sich gegen Polizeigewalt, Brutalität und Ungerechtigkeit gegenüber Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Auslöser war der Tod des 46 Jahre alten Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota am Montag vergangener Woche. Einer von vier beteiligten Beamten drückte ihm minutenlang sein Knie in den Nacken. Alle Bitten des Afroamerikaners, ihn atmen zu lassen, ignorierte er. Floyds vermutlich letzte Worte «Ich kann nicht atmen» sind nun Schlachtruf der Demonstranten.
US-Präsident Trump suchte am Freitag zeitweise in einem unterirdischen Bunker des Weissen Hauses Schutz vor Protesten an der Regierungszentrale. Das berichteten mehrere US-Medien am Sonntagabend (Ortszeit) übereinstimmend aus Trumps Umfeld. Demonstranten hatten sich am Freitagabend vor dem Weissen Haus versammelt, einige von ihnen stiessen Barrikaden um, Flaschen und Steine flogen. Nach etwas weniger als einer Stunde habe Trump den Bunker wieder verlassen können, berichtete der Fernsehsender CNN.
Der Schutzraum ist für aussergewöhnliche Gefahrensituationen vorgesehen, wie etwa Terroranschläge. Sehen die Sicherheitskräfte im Weissen Haus eine grössere Bedrohung, bringen sie den Präsidenten dorthin - was selten vorkommt. Während der Terroranschläge vom 11. September 2001 wurden beispielsweise der damalige Vizepräsident Dick Cheney und andere hochrangige Regierungsmitglieder in Sicherheit gebracht, der damalige Präsident George W. Bush hielt sich in Florida auf.
Trump meldete sich am Samstag, am Tag nach seinem kurzzeitigen Bunker-Aufenthalt mit einer Serie von - teils martialischen - Tweets zu Wort. Darin lobte er die Arbeit des Secret Service mit Blick auf die Proteste am Vorabend. «Sie waren nicht nur total professionell, sondern auch sehr cool», schrieb Trump. «Ich war drinnen, beobachtete jede Bewegung und hätte mich nicht sicherer fühlen können.» Niemand habe auch nur annähernd den Zaun des Weissen Hauses durchbrechen können. «Wenn sie es getan hätten, wären sie von den bösartigsten Hunden und den bedrohlichsten Waffen begrüsst worden, die ich je gesehen habe», drohte Trump nachträglich. «Dann wären Leute zumindest wirklich schwer verletzt worden.»
Der Fernsehsender CNN berichtete, seither seien landesweit insgesamt etwa 4000 Menschen bei Protesten festgenommen worden. Mindestens 40 Städte haben nächtliche Ausgangssperren verhängt. Davon betroffen sind etwa zehn Millionen Menschen. Mehrere Bundesstaaten haben angesichts der Proteste die Nationalgarde mobilisiert. Diese gehört zur Reserve der Streitkräfte und kann in Ausnahmesituationen zu Hilfe gerufen werden.
In New York nahmen vor allem in den Stadtvierteln Brooklyn und Manhattan bis zu 6000 Menschen an Protesten teil, wie örtliche Medien unter Berufung auf Behörden berichteten. Einige Demonstranten hätten Glasflaschen und Müll auf Polizisten geworfen, Autos angezündet und Feuer in Mülleimern gelegt. Die Manhattan Bridge zwischen Brooklyn und Manhattan musste vorübergehend gesperrt werden.
In Washington zogen Demonstranten am Sonntagabend (Ortszeit) erneut vors Weisse Haus. Es kam zu Zusammenstössen mit der Polizei. Demonstranten skandierten «Kein Frieden ohne Gerechtigkeit», wie ein dpa-Reporter berichtete. Bereits in den vergangenen Tagen hatte es dort Proteste gegeben.
In Minneapolis fuhr am Sonntag ein Tankwagen auf einer Autobahn mit Tausenden Demonstranten in eine Menschenmenge. Der Fahrer sei festgenommen worden, teilten die Behörden mit. Die Hintergründe waren zunächst unklar. Verletzt wurde offenbar niemand. Bereits in den vergangenen Nächten war es bei Protesten in zahlreichen amerikanischen Städten zur Gewalt gekommen - von New York an der Ostküste bis Los Angeles an der Westküste. Trump forderte demokratische Bürgermeister und Gouverneure zum Durchgreifen auf. Auf Twitter schrieb er: «Legen Sie eine härtere Gangart ein».
Der republikanische Präsident macht linksradikale Gruppen für die Ausschreitungen verantwortlich, ohne jedoch Belege dafür zu liefern. Er kündigte an, die Antifa als Terrororganisation einstufen zu lassen. Details liess er offen. Die Antifa hat keine zentrale Führungs- oder Organisationsstruktur. Zum Antifaschismus bekennen sich in den USA zahlreiche unterschiedliche linke und auch linksradikale Gruppen.
Ein Sohn des Getöteten rief dazu auf, Gewalt zu vermeiden. In einem TV-Interview mit dem CNN-Tochtersender KBTX appellierte Quincy Mason Floyd an die Demonstranten, friedlich zu bleiben. Der weisse Polizist, der für den Tod seines Vaters verantwortlich gemacht wird, soll am 8. Juni vor Gericht für eine Anhörung vorgeführt werden, wie CNN berichtete. Ihm wird Mord zur Last gelegt. Der Bruder des Toten, Philonise Floyd, forderte am Sonntag auf CNN, auch die anderen drei Polizisten festzunehmen, die beteiligt waren und nicht einschritten. «Ich will Gerechtigkeit - jetzt.»
Der Polizeichef von Minneapolis, Medaria Arradondo, entschuldigte sich am Sonntagabend bei den Angehörigen. «Wenn ich irgendetwas tun könnte, um Herrn Floyd zurückzubringen, würde ich Himmel und Erde bewegen, um es zu tun», sagte Arradondo bei einem Auftritt an dem Ort, an dem Floyd getötet worden war. Arradondo hatte die vier beteiligten Polizisten entlassen.