Nach langem Ringen: Leichnam von Nawalny an Mutter übergeben

Der Leichnam des Kremlgegners Alexej Nawalny ist an dessen Mutter übergeben worden. Ljudmila Nawalnaja fordert nun ein öffentliches Begräbnis in Moskau.

Der Leichnam des russischen Kremlgegners Nawalny wurde an dessen Mutter übergeben. (Symbolbild) - keystone

Nach tagelangem Ringen mit dem russischen Machtapparat hat die Mutter des in Haft gestorbenen Alexej Nawalny dessen Leiche erhalten. Nun kann die Familie den Gegner von Kremlchef Wladimir Putin beerdigen.

«Wir wissen nicht, ob die Behörden es so ablaufen lassen, wie das die Familie will und wie es Alexej verdient», sagte Nawalny-Sprecherin Kira Jarmysch.

Öffentlicher Abschied von Nawalny?

Ljudmila Nawalnaja, die Mutter des russischen Oppositionellen, forderte eine öffentliche Beerdigung, damit sich nicht nur Familienangehörige, sondern auch Anhänger von ihm verabschieden können. «Wir werden Informationen dazu bekannt geben, wenn sie hereinkommen», sagte Jarmysch.

Zuvor hatte es geheissen, dass die 69 Jahre alte Mutter eine Beerdigung auf dem Chowanskoje-Friedhof erwäge, der grössten der mehr als 100 Ruhestätten der russischen Hauptstadt. Ljudmila Nawalnaja hatte die Aufforderung der Ermittler, einer heimlichen Beerdigung zuzustimmen, abgelehnt und den Behörden öffentlich Erpressung vorgeworfen.

Es ist Brauch in der russisch-orthodoxen Kirche, dass Tote nach drei Tagen beerdigt werden. Die Behörden gaben seine Leiche aber erst am neunten Tag nach dem Tod heraus.

Nawalny-Vertrauter dank Unterstützern

Nawalnys Vertrauter Leonid Wolkow sprach von einer Niederlage für Präsident Putin, weil er nicht erreicht habe, den Toten einfach unter Verschluss zu halten. Wunderbare Leute auf der ganzen Welt hätten den «Menschenfresser» Putin dazu gebracht, den Toten freizugeben und nicht weiter die Leiche seines Opfers zu verhöhnen. «Aber das ist kein Sieg», schrieb Wolkow, der im Exil im Baltikum lebt, im Nachrichtendienst Telegram.

Zu dem Druck auf Putin beigetragen hatten auch Menschen, die seit Tagen an öffentlichen Plätzen und Gedenkstätten für die Opfer politischer Verfolgung Blumen niederlegten sowie Kerzen für Nawalny anzündeten.

Öffentliches Gedenken für Nawalny

Bürgerrechtler berichteten erneut von Dutzenden Festnahmen in mehreren Städten am Samstag. Am neunten Tag nach dem Tod hatte sich etwa auch an der Erlöserkathedrale in Moskau, der Hauptkirche der russisch-orthodoxen Kirche, eine Menschenschlange gebildet, um Nawalny die letzte Ehre zu erweisen. In anderen Kirchen fanden sich ebenfalls Trauernde ein.

Angehörige und Unterstützer des Oppositionellen hatten die russische Führung seit Tagen aufgefordert, die Leiche herauszugeben, um Nawalny menschenwürdig beerdigen zu können. Nawalnys Team dankte dafür, dass prominente Russen öffentlich mit Videos Druck gemacht hatten.

Witwe wirft Putin «Satanismus» vor

Die Witwe Julia Nawalnaja und ihre Tochter hatten am Samstag erneut die Herausgabe der sterblichen Überreste ihres Angehörigen verlangt. «Sie haben ihn lebendig gefoltert und foltern ihn tot weiter», sagte sie in einer Videobotschaft. «Sie brechen jedes menschliche und göttliche Gesetz.» Sie warf Putin vor, Alexejs Mutter weiter zu quälen und brechen zu wollen.

Putin inszeniere sich zwar mit Kerze in der Hand in russisch-orthodoxen Kirchen und küsse Ikonen, sei aber in Wahrheit von Hass und Rachegelüsten getrieben. «Nein, es ist nicht einmal Hass, es ist Satanismus, Heidentum», sagte Nawalnaja. Zugleich verurteilte die 47-Jährige Putins Krieg gegen die Ukraine, für den er ebenfalls die Kirche instrumentalisiere.

Todesumstände unklar

Nawalny starb am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen «Polarwolf» in der sibirischen Arktisregion Jamal. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt.

Der durch den Giftanschlag und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im Totenschein von «natürlichen» Ursachen die Rede.