Myanmar: Wieder Tote - neue Vorwürfe gegen Aung San Suu Kyi
Die Bilder in sozialen Netzwerken sind entsetzlich. Mit Kopfschüssen Getötete, blutüberströmte Strassen - die Junta in Myanmar lässt in ihrer Gewalt nicht locker. Jetzt gibt es neue Appelle und Sanktionen.
Das Wichtigste in Kürze
- Sicherheitskräfte haben in Myanmar Augenzeugen zufolge erneut mit scharfer Munition auf Demonstranten geschossen und mehr als ein halbes Dutzend Menschen getötet.
In sozialen Netzwerken veröffentlichte Fotos zeigten blutüberströmte Leichen. Viele wurden mit gezielten Kopfschüssen niedergestreckt. Lokale Medien und Beobachter sprachen von landesweit mindestens zehn Opfern. Die Zahl konnte aber nicht unabhängig verifiziert werden. Polizei und Militär gehen seit Wochen mit zunehmender Brutalität gegen die Bevölkerung vor.
In der Gemeinde Myaing im Zentrum des Landes habe eine Gruppe Menschen vor einer Polizeiwache protestiert, um die Freilassung von drei zuvor festgenommenen Mitbürgern zu fordern, sagte ein Augenzeuge der Deutschen Presse-Agentur. «Die Polizei hat zunächst mit Tränengas und Gummigeschossen gezielt und dann scharf geschossen», sagte der Mann. «Sechs Menschen sind gestorben, darunter einer meiner Freunde.» Viele weitere seien verletzt worden.
In der Gemeinde North Dagon im östlichen Teil der früheren Hauptstadt Yangon (früher: Rangun) starb ebenfalls mindestens ein Demonstrant. «Wir waren etwa 100 Teilnehmer. In vorderster Reihe standen Demonstranten mit selbst angefertigten Schutzschildern», sagte der Augenzeuge Kyaw Kyaw Win. «Das Militär hat direkt auf sie gezielt.» Es habe zudem zwei Verletzte gegeben, so der Mann weiter. Auch aus anderen Landesteilen wurden gewalttätige Polizeiaktionen mit möglicherweise weiteren Todesopfern gemeldet.
Seit dem Putsch des Militärs Anfang Februar gibt es in dem südostasiatischen Land täglich Massenproteste gegen die Generäle. Die Demonstranten fordern die Freilassung der entmachteten und festgesetzten Regierungschefin Aung San Suu Kyi sowie die Wiedereinsetzung ihrer gewählten Regierung. Die Armee schlägt die Proteste mit immer grösserer Härte nieder. Dutzende Menschen wurden bereits getötet, Tausende festgenommen. Internationale Appelle und Sanktionen zeigten bisher keine Wirkung.
Der Sprecher der Junta, Zaw Min Tun, deutete am Donnerstag bei einer Pressekonferenz an, dass es neue Vorwürfe gegen Suu Kyi geben könnte, möglicherweise wegen Korruption. Er sprach bei der im staatlichen Fernsehen übertragenen Veranstaltung von 600.000 Dollar (500.000 Euro) und Goldbarren, die ein Regionalminister der Politikerin gegeben haben soll. Die 75-Jährige, die im Hausarrest sitzt, wird von der Justiz bereits mehrerer Vergehen beschuldigt, darunter Verstösse gegen die Aussenhandelsgesetze und das Katastrophenschutzgesetz.
Der UN-Sicherheitsrat verurteilte die Militärgewalt scharf. Alle Festgenommenen müssten sofort freigelassen werden, forderte das Gremium in einer kurzfristig angesetzten Sitzung am Mittwoch (Ortszeit). Das Militär forderte der Rat zur «äussersten Zurückhaltung» auf. Die Situation werde weiter genau beobachtet, kündigten die 15 Mitglieder an.
Die US-Regierung belegte derweil zwei erwachsene Kinder des Anführers der Junta, Min Aung Hlaing, und sechs von ihnen kontrollierte Firmen mit Sanktionen. «Die Anführer des Putsches und deren erwachsene Angehörige sollten nicht in der Lage sein, von dem Regime zu profitieren, während dieses Gewalt anwendet und seinen Würgegriff um die Demokratie zuzieht», erklärte US-Aussenminister Antony Blinken.