Deutschland hat Ärger mit der AfD
Heute nimmt der frischgewählte Bundestag in Berlin seine Arbeit auf. Erstmals mit dabei: 94 Abgeordnete der Alternative für Deutschland (AfD). Und schon am ersten Tag droht Ärger: die anderen Parteien wollen verhindern, dass der AfD-Kandidat Albrecht Glaser zum Bundestags-Vizepräsidenten gewählt wird. Auch die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hat Bedenken: der Einzug der AfD in den Bundestag sei «verheerend».
Das Wichtigste in Kürze
- Der neugewählte Bundestag konstituiert sich heute.
- Politiker aller Parteien wollen den AfD-Kandidaten Albrecht Glaser als Vizepräsidenten verhindern.
- Grosse Bedenken auch bei den deutschen Juden: Der Einzug der AfD in den Bundestag sei «verheerend».
Eigentlich hätte der Bundestag ja genug andere Sorgen, allen voran die Einigung auf eine Regierungskoalition. Viel schlimmer als die Querelen um eine Jamaika-Koalition ist die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, aber der Einzug der AfD in den Bundestag. Dieser sei ein «verheerender Einschnitt in der Geschichte des Parlaments», sagt sie gegenüber der «Nordwest-Zeitung». «Ich sorge mich um unsere Demokratie und unser Land.»
Deutschlands Ruf in Gefahr
Es sei zu befürchten, dass die Thesen und Tiraden der AfD die politische Debatte und Kultur verändern würden. «Das schadet dem Ansehen Deutschlands in der Welt.» Die AfD schere mit gezielten Tabubrüchen und Provokationen bewusst aus dem gewachsenen demokratischen Konsens aus.Der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke etwa hatte im Januar für bundesweite Empörung gesorgt. In einer Rede in Dresden hatte er unter anderem mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin gesagt: «Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.» Zugleich hatte er eine «erinnerungspolitische Wende um 180 Grad» gefordert. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland hatte im September gesagt, die Deutschen dürften stolz sein auf «die Leistungen deutscher Soldaten» im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Gleichzeitig forderte er, einen Schlussstrich unter die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus zu ziehen.
Aufstand gegen die AfD im Bundestag
Auch im Bundestag weht der rechtspopulistischen AfD ein rauher Wind entgegen. Eigentlich sollte jede der sechs im Bundestag vertretenen Parteien einen Vizepräsidenten-Posten erhalten. Bisher war es üblich, dass die Kandidaten fraktionsübergreifend gewählt werden. Nicht so mit der AfD: Politiker aller anderen Fraktionen wollen den AfD-Kandidaten für einen der Vizepräsidentenposten, Albrecht Glaser, durchfallen lassen. Stein des Anstosses sind Äusserungen des früheren Frankfurter Stadtkämmerers über den Islam. Und: «Demokraten wählen Demokraten», sagte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann vielsagend im Vorfeld der Wahl.
Zu sehr AfD-fixiert?
Kurz vor der ersten Sitzung eines Bundestags mit Vertretern der AfD hat der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) zu einem gelasseneren Umgang mit der Partei aufgerufen. «Ich kann nur raten, dass der Bundestag sich nicht auf die AfD fixieren lässt und nicht über jedes Stöckchen springt, das sie hinhält, und sie nicht zum wichtigsten Gegenstand der medialen Aufmerksamkeit und der journalistischen Berichterstattung macht», sagte der SPD-Politiker gegenüber «MDR-Aktuell». (bae)