EU und Grossbritannien veröffentlichen Post-Brexit-Deal
In letzter Sekunde haben sich die EU und Grossbritannien auf einen Deal geeinigt. Das fast 1300 Seiten schwere Dokument wurde nun veröffentlicht.
Das Wichtigste in Kürze
- In letzter Minute wurde ein harter Brexit verhindert.
- Das knapp 1300-Seitige Dokument wurde nun veröffentlicht.
- Der Post-Brexit-Deal tritt provisorisch bis Ende Februar in Kraft.
Zwei Tage nach ihrer Einigung haben Grossbritannien und die Europäische Union den vollständigen Text ihres Post-Brexit-Abkommens veröffentlicht.
Die britische Regierung veröffentlichte das knapp 1300 Seiten umfassende Dokument am Samstag. Im Vorwort schreibt Premierminister Boris Johnson, es bewahre «den freien Handel für Millionen Menschen im Vereinigten Königreich und in Europa». Das Abkommen soll am 1. Januar vorläufig in Kraft treten.
Einigung in letzter Sekunde
Zwar habe auch London Kompromisse gemacht, «aber wir sind immer beim Ziel geblieben, die nationale Souveränität wiederherzustellen», erklärte Johnson. Der britische Staatssekretär Michael Gove äusserte sich in der Zeitung «The Times» zu dem Abkommen. Es ermögliche demnach «Innovation und Investitionen» in britischen Regionen, die einen wirtschaftlichen Niedergang erlebt hätten.
Die Einigung war am Donnerstag nur wenige Tage vor dem Austritt Grossbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt zum Jahreswechsel erzielt worden. Das Abkommen sieht einen Handel ohne Zölle vor. Gleichzeitig regelt es Fragen wie die künftige Polizei- und Justizzusammenarbeit oder die soziale Absicherung von Bürgern beider Seiten.
Abkommen tritt provisorisch in Kraft
Weil die Zeit zur Ratifizierung des Abkommens durch die EU-Staaten nicht mehr ausreicht, soll das Abkommen am 1. Januar zunächst vorläufig in Kraft treten.
Das britische Parlament soll in einer Sondersitzung am 30. Dezember über den Vertrag abstimmen. Eine Billigung durch die Abgeordneten gilt als sicher. Die oppositionelle Labour-Partei hat bereits angekündigt, für das Abkommen zu stimmen.
Laut einem Vorschlag der EU-Kommission soll das Abkommen bis 28. Februar provisorisch angewandt werden. Bevor es formal in Kraft treten kann, muss es vom EU-Parlament sowie den Regierungen aller 27 Mitgliedstaaten gebilligt werden. Das von EU-Chefunterhändler Michel Barnier und der EU-Kommission ausgehandelte Abkommen wird nun eingehend in allen Hauptstädten geprüft.
Ein Sprecher der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sprach von einer «gewaltigen Aufgabe». Denn schon das eigentliche Handelsabkommen hat einen Umfang von 1246 Seiten. Hinzu kommen noch weitere Vereinbarungen etwa zur Zusammenarbeit mit der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom).
Das nächste Treffen der EU-Botschafter ist nach AFP-Informationen am Montag geplant. Dann soll über Reaktionen, Fragen und mögliche Einwände der Mitgliedstaaten beraten werden. Geht alles gut, leiten die Botschafter dabei ein schriftliches Verfahren ein. Diese würde den Weg für die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Abkommens frei machen.
Die vorläufige Anwendung sei «ein aussergewöhnlicher Schritt», erklärte der Sprecher des deutschen EU-Vorsitzes. Ziel sei es, nach Ende der Brexit-Übergangszeit am 1. Januar «eine erhebliche Störung der Beziehungen zwischen der EU und Grossbritannien mit schwerwiegenden Folgen für Bürger und Unternehmen» zu verhindern. Gleichzeitig schaffe die vorläufige Anwendung die Zeit für «eine ordnungsgemässe und vollständige demokratische Prüfung des Abkommensentwurfs durch das Europäische Parlament».
Grosse Kritik trotz abgewendetem harten Brexit
Trotz der verbreiteten Erleichterung über den in letzter Minute abgewendeten harten Brexit gab es in Brüssel auch kritische Stimmen. Ein EU-Diplomat beschrieb die Stimmung als wenig freudvoll, «denn eine Scheidung ist nicht wirklich eine gute Nachricht». Ein weiterer warnte: «Wir sollten den wirtschaftlichen Schock nicht unterschätzen, den Grossbritannien erleben wird.»
Schwerwiegende Folgen hat das Abkommen unter anderem für junge Menschen. So steigt Grossbritannien im Zuge des Deals nach fast 34 Jahren aus dem Erasmus-Programm für Studierende aus. Johnson gab dies am Donnerstag bekannt.
«Schmerzhafte Einschnitte» bringt das Abkommen nach den Worten von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zudem für die europäischen Fischer. Auch die deutschen Fischer müssten künftig "auf einen Teil der Fänge in der Nordsee" verzichten, erklärte sie am Freitag. Es sei aber "klar, dass den Fischern "in dieser schwierigen Lage unter die Arme" gegriffen werden müsse. Auch die französische Regierung kündigte staatliche Hilfen für den Fischerei-Sektor an.
Das Thema Fischerei war eines der grössten Streitthemen bei den Verhandlungen über ein Post-Brexit-Handelsabkommen. Brüssel und London einigten sich schliesslich auf eine fünfeinhalbjährige Übergangsphase. In dieser Zeit sollen die Fangrechte für EU-Fischer um 25 Prozent gekürzt werden. Ab Juni 2026 soll dann jährlich über die Fangquoten mit Grossbritannien verhandelt werden.