Grossbritannien und EU legen Brexit-Handelspakt vor
Der Handelspakt zwischen der EU und Grossbritannien steht. Der Durchbruch der Gespräche wurde an Heiligabend verkündet.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit dem Jahreswechsel verlässt Grossbritannien endgültig die EU.
- Nach langen Verhandlungen wurde an Weihnachten der Handelspakt vorgestellt.
- Das Dokument umfasst rund 1250 Seiten.
Weniger als eine Woche vor Ablauf der Brexit-Übergangsphase haben Grossbritannien und die EU ihren ausgehandelten Handelspakt veröffentlicht.
Beide Seiten stellten am Morgen des zweiten Weihnachtstages das rund 1250 Seiten starke Dokument auf ihren Webseiten online. Der Vertrag soll unter anderem den Handel, die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz und den Krankenversicherungsschutz Reisender bei Notfällen regeln.
Durchbruch an Heiligabend verkündet
London und Brüssel hatten am Heiligabend zur besten deutschen Bescherungszeit einen Durchbruch bei den Gesprächen über einen gemeinsamen Handelspakt verkündet. Mit dem Jahreswechsel verlässt das Vereinigte Königreich endgültig die Strukturen der Europäischen Union nach fast 40 Jahren Mitgliedschaft. Die schlimmsten Folgen der Scheidung sind damit abgewendet.
Der britische Premierminister Boris Johnson hatte seinen Landsleuten das Vertragswerk zuvor bereits als Weihnachtslektüre empfohlen. Wer in diesem «schläfrigen Moment nach dem Weihnachtsmahl» etwas lesen wolle, dem empfehle er die Lektüre des Handelspakts. Das sagte er in einer auf Twitter ausgestrahlten Video-Weihnachtsbotschaft.
I would like to wish everyone a very Merry Christmas. pic.twitter.com/DofRkb4Ivc
— Boris Johnson (@BorisJohnson) December 24, 2020
Dass Johnson es selbst gelesen hat, darf bezweifelt werden. Denn der Premier sagte, es werde keine non-tarifären Handelshemmnisse geben. Genau darauf müssen sich Unternehmen zu beiden Seiten des Ärmelkanals nun aber innerhalb weniger Tage vorbereiten.
Gemeint sind damit beispielsweise unterschiedliche Standards bei der Produktsicherheit und der Lebensmittelsicherheit. Noch sind die Regeln auf beiden Seiten gleich, aber dennoch werden britische Unternehmen künftig die Einhaltung europäischer Standards nachweisen müssen.
Frankreich kündigte bereits an, direkt ab dem Jahreswechsel auf gründlichen Kontrollen zu bestehen. «Wir müssen britische Produkte kontrollieren, die zu uns kommen», sagte Europa-Staatssekretär Clément Beaune am Freitag im Sender Europe 1. Bei Nahrungsmitteln oder Industrieprodukten müssten allen geltenden Normen eingehalten werden. Der französische Staat habe rund 1 300 Menschen angeworben, um diese Kontrollen zu gewährleisten.
Frankreich als wichtiges Drehkreuz für Handel zwischen der EU und Grossbritannien
Frankreich ist ein wichtiges Drehkreuz für britische Waren. Etwa 70 Prozent des Handelsvolumens zwischen Grossbritannien und der EU laufen über die nordfranzösischen Häfen Calais und Dünkirchen. Ausserdem laufen sie über den Eurotunnel, wie die Präfektur für die nordfranzösische Region Hauts-de-France berichtete.
Ab Januar 2021 müssten ausserdem Zollformalitäten eingehalten werden. Dies betonte der Germany Trade and Invest (GTAI), einem bundeseigenen Unternehmen, das unter anderem Informationen über ausländische Märkte bereitstellt.
Faktisch neue Zollgrenze
Da Grossbritannien Binnenmarkt und Zollunion verlasse, trete faktisch eine neue Zollgrenze in Kraft, sagte Stefanie Eich, Zoll-Expertin bei GTAI. Bei für den britischen Markt bestimmten Waren aus der EU müsse nachgewiesen werden, dass sie aus der EU kämen. «Die Ursprungsregeln für einzelne Waren werden im Abkommen festgelegt. Deren Einhaltung muss dementsprechend nachgewiesen werden», so die Expertin.
Auf europäischer Seite bleibt bis zum 31. Dezember nun nicht mehr genug Zeit, um den Last-Minute-Deal noch rechtzeitig zu ratifizieren. Deshalb kann der Vertrag zunächst nur vorläufig angewendet werden.
Dafür braucht es jedoch noch die Zustimmung der 27 EU-Staaten. Die EU-Botschafter sollen in den kommenden Tagen darüber abstimmen, ein Treffen ist für Montag angesetzt.
Das EU-Parlament muss das Abkommen dann nachträglich im Januar prüfen. In London soll das Parlament hingegen noch am 30. Dezember im Schnellverfahren ein Gesetz durchwinken, um dem Abkommen Wirksamkeit zu verschaffen. Da die oppositionelle britische Labour-Partei angekündigt hat, dem Deal zuzustimmen, gilt die Abstimmung in London als Formsache.
Premier Johnson versuchte über die Feiertage, die erzkonservativen Brexiteers, die mit einer Rebellion drohen, auf Linie zu bringen. Der Vertrag sei «der richtige Deal für Grossbritannien», sagte er der Nachrichtenagentur PA zufolge in WhatsApp-Nachrichten an seine Parteifreunde.
Es sei dem Land damit möglich, seine Brexit-Versprechen einzulösen und die Kontrolle über die eigenen Grenzen, Gesetze und Gelder zurückzuerlangen. Ausserdem sei das Abkommen eine Grundlage für eine langfristige, freundschaftliche Beziehung mit der EU als souveräne, gleichwertige Partner.