Kosovo: Das bedeutet der Haftbefehl gegen Hashim Thaçi
Gegen den Präsidenten des Kosovo, Hashim Thaçi, wurde ein Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen. Das steckt dahinter:
Das Wichtigste in Kürze
- Zehn Anklagepunkte werden gegen den Präsidenten des Kosovo Hashim Thaçi aufgeführt.
- Das Sondertribunal in Den Haag wirft dem ehemaligen UÇK-Kommandeur zigfache Morde vor.
- Der Haftbefehl ist auch richtungsweisend für Friedensverhandlungen mit Nachbar Serbien.
Ungemach für Kosovo-Präsident Hashim Thaçi: Zehn Punkte umfasst die Anklageschrift des Den Haager-Sondertribunals gegen den Präsidenten des jüngsten europäischen Staates. Ihm wird Mord, Folter und Verfolgung vorgeworfen. Gestern Mittwoch wurde ein Haftbefehl gegen ihn erlassen.
Als früherer Kommandeur der Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK) soll Thaçi mit weiteren mutmasslichen Tätern für rund hundert Morde verantwortlich sein. Es ist die erste Anklage wegen Kriegsverbrechen gegen einen amtierenden europäischen Staatschef seit Slobodan Milosevic 1999.
Hashim Thaçi mit Schweizer Hintergrund
Seit 2016 ist Thaçi Präsident des Landes – gewählt für fünf Jahre. Zuvor war er zwischen 2008 und 2014 der erste Ministerpräsident der Republik Kosovo. Als Mitbegründer und Führer der paramilitärischen Organisation UÇK war er direkt in den Kosovokrieg 1998/99 mit über 13'000 Toten involviert.
Interessant: Thaçi operierte auch aus der Schweiz. Als Student 1993 wegen illegalen Waffenbesitzes in Albanien angeklagt, wanderte er in die Schweiz aus. Hier schrieb Thaçi sich an der Universität Zürich ein. 1995 erhielt er den Status eines anerkannten politischen Flüchtlings, lebte vorwiegend in Dietikon ZH und arbeitete als Eisenbahnrangierer.
Seit der Gründung der Partei PDK als Nachfolgeorganisation der UÇK ist Thaçi deren Vorsitzender.
Differenzen in der Aussenpolitik des Kosovo
Die Anklage gegen Thaçi kommt inmitten politischer Unruhen im Kosovo. Erst Ende März wurde Premierminister Albin Kurti durch ein Misstrauensvotum abgesetzt – nach nur rund eineinhalb Monaten im Amt. Dies nach dem Auseinanderbrechen der Regierungskoalition. Thaçi beauftragte daraufhin Kurtis bisherigen Koalitionspartner Avdulla Hoti von der LDK mit der Regierungsbildung.
Brisant: Kurti – ein erbitterter Rivale von Thaçi – hatte im Herbst die Parlamentswahlen gewonnen. Dies, da offenbar viele Kosovaren genug von der jahrelangen Korruption unter der Thaçi-Herrschaft hatten. Kurtis Partei Vetevendosje hat ihre Beliebtheit seither noch steigern können und darum Neuwahlen angestrebt.
Grund für den Bruch der Koalitionsregierung war insbesondere der Umgang mit dem Nachbarn Serbien. Kurti strebte einen selbstbewusster Kurs gegenüber Serbien an. Die LDK will eine rasche Einigung zwischen dem Kosovo und Serbien mit einem möglichen Gebietsaustausch.
USA vs. EU
Hier kommen die USA und die Europäische Union ins Spiel. Die Vereinigten Staaten um den Sonderbeauftragten Richard Grenell wollen die Präsidenten von Serbien und Kosovo zu Gesprächen treffen. Sie haben beide Parteien am 27. Juni nach Washington geladen, um einen möglichen Gebietsaustausch zu besprechen.
Kurti wirft Grenell vor, für den Absprung seines Koalitionspartners Hoti verantwortlich zu sein. Die USA habe Hoti unter Druck gesetzt, damit möglichst schnell ein Friedensabkommen mit Serbien unterzeichnet werde. Dies solle dem Weissen Haus im Jahr der Präsidentenwahl einen aussenpolitischen Erfolg verschaffen.
Dabei fühlt sich auch die EU düpiert, da sie einerseits selbst seit 2011 zwischen Belgrad und Pristina zu vermitteln versuchte. Andererseits, weil die EU immer dagegen war, auf dem Balkan Grenzen neu zu ziehen.
Strafbefehl torpediert US-Friedensbemühungen
Dass nun der Internationale Strafgerichtshof Strafbefehl gegen Hashim Thaçi erlassen hat, torpediert die US-Amerikanischen Bemühungen. Thaçi als auch Hoti haben die Teilnahme bereits abgesagt.
Die US-Friedensbemühungen stehen wohl vorerst still. Was dies für den Kosovo bedeutet, ist schwierig abzuschätzen. Der Druck für Neuwahlen dürfte aber gestiegen sein und somit auch die Chance für Kurti, das Ruder wieder zu übernehmen.