ETH Zürich: Klotzen mit Prachtbau statt sparen!
Die ETH Zürich leiste sich einen teuren Neubau, wehre sich aber gegen Einsparungen. «Das ist völlig deplatziert», findet Kolumnist Hans-Ulrich Bigler.

Das Wichtigste in Kürze
- Die ETH baut ein neues Physikgebäude auf dem Zürcher Hönggerberg.
- Das Baubudget wurde um 76 Millionen übertroffen.
- Kolumnist Hans-Ulrich Bigler hat eine klare Meinung dazu.
«Bund muss sparen, aber ETH Zürich baut Luxustempel», titelten die Medien kürzlich mit Blick auf einen Neubau der ETH Zürich mit massiven Mehrkosten in Millionenhöhe.
Der Zusammenhang zwischen dem sogenannten Sparprogramm des Bundes und der massiven Budgetüberschreitung des ETH Bauprogramms ist naheliegend.
Allerdings greift diese Betrachtung viel zu kurz, die Problematik liegt wesentlich tiefer.
ETH Zürich: Kostensituation gibt zu denken
Die ETH Zürich baut ein neues Physikgebäude auf dem Hönggerberg in Zürich. Mit Blick auf die Wichtigkeit von Lehre und Forschung in den Naturwissenschaftsfächern ist das durchaus zu begrüssen.

Mehr zu denken gibt die Kostensituation. Ursprünglich geplant mit 311 Millionen wurde das Baubudget inzwischen um satte 76 Millionen oder 25 Prozent übertroffen.
Die Begründung ist in solchen Fällen immer dieselbe: Es wird lakonisch auf die Bauteuerung verwiesen.
Aus der Verantwortung stehlen
Damit stiehlt man sich bequem aus der Verantwortung. Weil unbeeinflussbar, steht damit auch niemand in der Pflicht.
Wir kennen das bereits von anderen Fällen. Noch gut in den Köpfen ist die Kostenüberschreitung von 180 Millionen im Kinderspital Zürich. Auch dort griff der verantwortliche Präsident auf diese selbstgefällige Begründung. Doch dies ist eine andere Geschichte.

Von dieser Argumentation liess sich die zuständige Eidgenössische Finanzkontrolle allerdings nicht täuschen. Vernichtend hielt sie fest, dass es sich bezogen auf die Baukosten um eines der unwirtschaftlichsten Projekte handle. Umso mehr als die Kontrolleure weiter steigende Kosten nicht ausschliessen.
Angesichts dieses Drucks kam die Leitung der ETH Zürich nicht umhin, zu Kreuze zu kriechen. Plötzlich ist es für die ETH nachvollziehbar, dass man die Wirtschaftlichkeit zu wenig berücksichtigt habe.
Ganz die weisse Flagge hissen will man dennoch nicht. Die Hauptfunktion für die Forschung würde nämlich erfüllt, hiess es. Wenn sie aber weiter argumentiert, die Governance sei nicht verletzt worden, so ist umdenken angesagt.
Gelder werden für Prachtbauten eingesetzt
Und damit sind wir beim Grundsatzproblem. Alle vier Jahre legt das Eidgenössische Parlament im Rahmen der Botschaft für Bildung, Forschung und Innovation (BFI) die Höhe der Budgetzahlungen (also unsere Steuergelder) fest, die unter anderem an die ETH, Universitäten und weitere Bildungsinstitutionen gehen.
Und immer wieder zeigt sich, dass diese Gelder für Prachtbauten zweckentfremdet werden.
Es sei klargestellt, natürlich wird für Lehre und Forschung eine funktionierende Infrastruktur vorausgesetzt. Dementsprechend ist Neubauten keineswegs das Wort zu reden.
Warum es aber immer architektonische Wunderwerke sein müssen, ist nicht nachvollziehbar. Namentlich nicht, wenn die Mittel dazu fehlen. Stichwort Sparprogramm des Bundes.
Als Zweites kommt die Denkhaltung hinzu. Wer sich die Mühe nimmt, die Position der ETH zur BFI-Botschaft 2025 – 2028 zu studieren, kommt unvermittelt ins Staunen.
Dort wird zunächst – und das wiederholt sich ritualhaft alle vier Jahre – in drastischen Worten moniert, dass die vorgesehenen Mittel nicht ausreichen. Und damit in der Konsequenz Lehre und Forschung massiv behindern.
Mehr Geld bedeutet nicht bessere Lehre
Verminderte Innovation für die Wirtschaft, weniger Forschung in gesellschaftlich relevanten Bereichen, Verschlechterung des Betreuungsverhältnisses für Studierende sind nur einige der dargelegten Argumente.
Unbestritten sind Bildung und Forschung die einzige Ressource der Schweiz. Viele Politiker von links bis rechts wiederholen das in der BFI-Debatte mantramässig – und lobbyieren vor und hinter den Kulissen für mehr Geld.
Nüchtern gilt es indessen festzustellen, dass mehr Geld nicht automatisch zu mehr oder besserer Forschung und Lehre führen.
Genauer hinschauen erwünscht
Das führt der überrissene Neubau der ETH Zürich drastisch vor Augen und wird mittlerweile nicht einmal mehr von der ETH bestritten.
Die Politik täte gut daran, auf diesen wichtigen Aspekt kritischer und genauer hinzuschauen.
Eines ist hingegen klar. Wenn sich die ETH einerseits Kostenüberschreitungen für den Neubau von 76 Millionen leistet und sich andererseits im Rahmen der Sparbemühungen des Bundes vehement gegen eine vorgesehene Einsparung von 80 Millionen zur Wehr setzt, so ist dies völlig deplatziert.
Zur Person: Hans-Ulrich Bigler ist Ökonom und war von 2008 bis 2023 Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Er ist im Vorstand mehrerer Verbände, darunter auch das Nuklearforum Schweiz, und sass von 2015 bis 2019 für die FDP im Nationalrat. Heute ist Bigler SVP-Mitglied.