Ukraine-Krieg lässt Dünger knapp und teuer werden
Wegen dem Ukraine-Krieg könnte gerade in ärmeren Ländern der Dünger knapp und teuer werden. Das gefährdet die Lebensmittelsicherheit.
Das Wichtigste in Kürze
- Wegen dem Ukraine-Krieg wird Dünger knapp und somit auch teurer.
- Das gefährdet die weltweite Nahrungsmittelversorgung.
- Besonders ärmere Teile der Welt müssen sich auf niedrige Ernten einstellen.
Der Ukraine-Krieg trifft die weltweite Nahrungsmittelversorgung an einer empfindlichen Stelle: Vor allem in ärmeren Teilen der Welt könnte Dünger in diesem Jahr knapp und zu teuer für die Bauern werden.
In den Industriestaaten tragen exorbitant hohe Düngerpreise zur Teuerung bei Lebensmitteln bei, wie Fachleute für den Agrarmarkt sagen. Zudem sind niedrige Ernten zu erwarten, wenn weniger gedüngt wird.
Die Düngerpreise sind vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf die internationalen Handelsströme auf ein Rekordhoch gestiegen, analysiert die CRU Group in London, ein auf die globalen Rohstoffmärkte spezialisiertes Marktforschungsinstitut.
Preisanstieg begann schon vor Ukraine-Krieg
Der rasante Preisanstieg begann lange vor dem Ukraine-Krieg: Seit Anfang 2020 haben sich laut CRU die Preise für Stickstoffdünger vervierfacht, für Phosphat und Kali mehr als verdreifacht. Grund ist der vorangegangene rasante Anstieg der Energiepreise: «Erdgas ist sowohl als Energiequelle wie als Rohstoff essenziell bei der Ammoniakherstellung, dem Grundstoff für die allermeisten Stickstoff-Düngemittel», sagt Sven Hartmann, Leiter des Fachbereichs Pflanzenernährung beim Industrieverband Agrar in Frankfurt.
«Der Gaspreis macht deshalb bei Stickstoff-Düngemitteln etwa 80 bis 90 Prozent der Produktionskosten aus, insofern sind vor allem die europäischen Hersteller sehr stark hiervon betroffen.»
Russland spielt in Sachen Dünger eine doppelte Rolle auf dem Weltmarkt - als wichtiger Lieferant sowohl von Erdgas als auch von Stickstoff, Phosphat und Kali. Stickstoff ist essenziell für das Pflanzenwachstum, Phosphat und Kali sind wichtig für Wurzelbildung und Blüten.
«Der Handel über das Schwarze Meer» – eine Hauptroute für Ammoniak-Exporte – «ist komplett blockiert», sagt Shruti Kashyap, Chefanalystin für Stickstoff bei CRU.
Und das ist keine gute Nachricht für Ackerbauern: «Stickstoff ist wie Babynahrung für Pflanzen», sagt Kashyap. Das ist nicht übertrieben: Die Entwicklung des synthetischen Stickstoffdüngers vor dem Ersten Weltkrieg ermöglichte eine dramatische Steigerung der Erntemengen.
Grosse Hersteller reduzieren Produktion
Die Folgen der rasant steigenden Energiepreise spürten Düngerproduzenten, Händler und Bauern schon im vergangenen Jahr. Grosse Hersteller wie Borealis in Österreich haben ihre Produktion zeitweise reduziert, wie eine Unternehmenssprecherin in Wien sagt. «Anlagenstopps können aus wirtschaftlichen Gründen in Erwägung gezogen werden.»
Schon im vierten Quartal des vergangenen Jahres hätten viele Düngerhersteller die Produktion zeitweise gestoppt, sagt Stickstoffexpertin Kashyap. Auch derzeit gebe es in Europa Einschränkungen der Produktion, wenn auch in geringerem Ausmass.
Die spürbarstem Auswirkungen auf die Landwirtschaft wird der Ukraine-Krieg nach Einschätzung von Shruti Kashyap in Afrika und Südamerika nach sich ziehen. Manche Düngemittel könnten Mangelware sein, andererseits könnten die sehr hohen Preise dazu führen, dass Bauern sich Dünger nicht mehr leisten können oder wollen. Diese «Nachfragezerstörung» betrifft nach Kashyaps Einschätzung vor allem Phosphat- und Kalidünger.
Die Analystin erwartet eine Verschiebung der internationalen Handelsströme: Hersteller im Mittleren Osten, die bisher keine Rolle auf dem europäischen Markt spielen, würden Lieferungen in den Westen umleiten. «Europa sollte allen Stickstoff bekommen, den es braucht.»
Das sollte die Preise in Europa zumindest stabilisieren – vorausgesetzt, dass die Gaspreise nicht weiter in die Höhe schiessen und es nicht zu grösseren Produktionsstopps in Europa kommt. «Es werden wahrscheinlich lateinamerikanische und afrikanische Länder sein, die das am stärksten zu spüren bekommen.»