Coronavirus: Marcel Salathé & Co. wollen neue Aerosol-Lösungen

Im Herbst könnte die Corona-Pandemie wieder einen Aufschwung erleben. Eine Wissenschaftlergruppe fordert beim Bund nun rasche Lösungen für saubere Raumluft.

Zwei Schüler lüften ein Klassenzimmer in Bern, Mai 2020. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Herbst könnte eine neue Welle des Coronavirus die Schweiz erreichen.
  • Um die Ansteckungszahlen tiefzuhalten, wollen Fachpersonen Regeln für bessere Raumluft.
  • Der Bund soll über die Aerosol-Übertragung informieren und passende Massnahmen etablieren.

Jetzt ist klar: Der Bundesrat wird das Management der Corona-Pandemie fast ganz den Kantonen überlassen. Diese teilen mit, dieses Regime vehement abzulehnen. Aber das Grundlagenpapier zur künftigen Bewältigung von Corona bleibt unverändert.

Die Kantone wollen nicht, der Bund aber auch nicht: Alain Berset (l.) und Lukas Engelberger schieben die heisse Kartoffel der Corona-Eindämmungsstrategie hin und her. - Keystone

Eine Arbeitsgruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern versucht derweil vehement, sich beim Bund Gehör zu verschaffen. Mitglieder sind unter anderem der Epidemiologe Marcel Salathé oder auch der Nobelpreisträger und Chemiker Kurt Wüthrich.

«Mit sauberer Raumluft können wir Corona unter Kontrolle bringen»

Anfang Mai traf sich diese Gruppe mit dem BAG und «Vertretern aus Wirtschaft und Politik», teilt die Gruppe mit. Das Ziel der Treffen war, einen Konsens zu etablieren, und zwar darüber, dass der Hauptübertragungsweg des Coronavirus Aerosole sind. Sprich: Die Behörden sollen mehr für saubere Raumluft machen.

Ein Dummy «atmet» in einem Konzertsaal in Hannover, Deutschland. Der Saal wurde für ein Experiment zur Verbreitung des Coronavirus über Aerosole benutzt. - Keystone

Gegenüber Nau.ch ziehen die Mitglieder der Arbeitsgruppe erstmals ein Fazit. «Die Experten sind sich einig: Corona verbreitet sich überwiegend über virenhaltige Aerosole», sagt Michael Riediker, Aerosolforscher und Arbeitshygieniker.

Deswegen ist die Ansteckungsgefahr in Innenräumen höher als draussen. Umso erfreulicher sei es also für die Arbeitsgruppe, dass die Behörden dies nun auch anerkannt hätten.

Kurt Wüthrich, Chemie-Nobelpreisträger, porträtiert im Oktober 2002. - Keystone

Aber die Zeit drängt, unterstreicht Antoine Flahault, Professor für «Global Health». Bis im Herbst dieses Jahres müssten Massnahmen getroffen werden, um die Raumluft von diesen Aerosolen zu befreien.

«Mit sauberer Raumluft können wir Corona besser unter Kontrolle bringen», fügt Marcel Salathé hinzu. «Heute wissen wir genug, um sagen zu können: Die Wirkung von gutem Lüften auf die Ansteckungsrate ist enorm.»

Der Epidemiologe Marcel Salathé war kurzzeitig Mitglied der Covid-Taskforce. - Keystone

Also ist der Bund gefordert. Er soll die Bevölkerung über Aerosole und Gegenmassnahmen aufklären. Zudem sollen öffentliche Gebäude wie Schulen, Restaurants oder Bürogebäude mit CO2-Sensoren ausgestattet werden. So könnten sich die Menschen nach Luftqualitätswerten richten und gezielter lüften, heisst es.

Masken-Rückkehr im Bus, Tram und Zug?

Aus Sicht der Expertinnen und Experten würden so die Schutzmassnahmen an die Übertragungsart des Virus angepasst. Es gibt aber auch Orte, die nur schwer optimal gelüftet werden können, an denen sich jedoch viele Leute aufhalten. So zum Beispiel öffentliche Verkehrsmittel. Und in Stosszeiten ist auch Abstand halten, was als eine der Hauptschutzmassnahmen kolportiert wird, schwierig.

Zwischen Juni 2020 und Ende März 2022 galt in der Schweiz im öffentlichen Verkehr eine Maskenpflicht. - Keystone

Da helfen nur noch Schutzmasken, sagen Fachpersonen hinter vorgehaltener Hand, wie Nau.ch weiss. Aus Angst vor grossem Widerstand wird das jedoch nicht öffentlich kommuniziert.

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In der Zwischenzeit konzentriert sich die Arbeitsgruppe also auf einen Aktionsplan mit «benutzerfreundlichen» Optionen wie Sensoren, Lüften oder auch Luftreinigungsgeräten. Sie ist zuversichtlich, dass die Vorteile ebendieser Lösungen vom Bund – oder halt von den Kantonen – auch anerkannt werden. «Es würde die Lebensqualität im Schweizer Alltag stark verbessern», sagt auch Chemiker Wüthrich.

Martin Bäumle (GLP/ZH), zeigt sein CO2-Messgerät, mit dem er während der Krise um die Pandemie des Coronavirus im Bundeshaus die Luftqualität und insbesondere den CO2-Gehalt und die Luftfeuc - Keystone

Die Wissenschafts-Gruppe hat einen Verbündeten im Bundeshaus. Nationalrat Martin Bäumle (GLP/ZH) hatte schon im März eine Interpellation mit dem Titel «Sars-CoV-2 nachhaltig unter Kontrolle bringen» eingereicht. Im Kern fordert er vom Bundesrat dasselbe wie die Arbeitsgruppe.

Die Exekutive hat zwischenzeitlich die Fragen von Bäumle beantwortet. Die Zusammenfassung: Eine Empfehlung für den Einsatz von CO2-Messgeräten werde erarbeitet; zudem prüfe das BAG, wie Bundes-Massnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in Innenräumen gefördert werden könnten. Es sei auch das Ziel, «den Nutzen des Lüftens als erwünschte Massnahme hervorzuheben und zu propagieren».