Ist Swisscom Beem auch für Menschen ungesund?
Tierschützer warnen vor der Swisscom-Werbung mit Hochfrequenztönen. Menschen können diese nicht hören, sagt die Swisscom. Stimmt das?
Das Wichtigste in Kürze
- Swisscom lanciert mit «Beem» interaktive Plakate, die via Hochfrequenztöne kommunizieren.
- Bereits der Tierschutz hat Bedenken, dass dies problematisch sein könnte.
- Auch für Menschen kann eine Gefährdung der Gesundheit nicht ausgeschlossen werden.
Das Ereignis ist symptomatisch: Gesundheitsminister Alain Berset bittet vor ein paar Tagen, mit dem nächsten Interview zu warten. Grund ist das Piepen eines rückwärtsparkierenden Lastwagens im Hof des Medienzentrums des Bundes. Auch im zweiten UG stört dies die Konzentration des Herrn Bundesrat: «Das ist ja wie ein Hammer.»
Hören und nerven ist nicht dasselbe
Anders verhalte es sich mit der interaktiven Werbung der Swisscom namens «Beem». Diese operiere im für Menschen unhörbaren Bereich von 18,5 bis 19,5 kHz. Zwar warnt der Tierschutz, dass solche Töne, vor allem über längere Zeiträume, zum Beispiel Hunde irritieren könnten. Doch was der Mensch nicht hört, stört ihn nicht – müsste man jedenfalls meinen.
Doch diese Annahme habe man bislang nicht mit Sicherheit beweisen können, sagt dagegen Professor Timothy Leighton von der Universität Southampton. Leighton gilt als Kapazität auf dem Gebiet der Ultraschall-Forschung, hält selbst mehrere Patente und ist mehrfach ausgezeichnet. Zwar deute vieles darauf hin: «Wenn du es hören kannst, ist es wahrscheinlicher, dass es dich stört.» Doch: «Die Fähigkeit, etwas zu hören, ist nicht dasselbe wie das Potential, dass es dich nervt.»
Und sie hören es doch
Ganz abgesehen davon, dass viele Menschen in diesem Frequenzbereich eben doch noch hören können. «Manche Menschen können noch jenseits von 20 kHz hören. Je jünger und je weniger geschädigt das Gehör ist, desto grösser die Wahrscheinlichkeit.» Sie hören Hundepfeifen, das Sirren eines Induktions-Herds oder den Hochton-Katzenschreck des Nachbarn.
Bei Leightons Tests hatten alle jungen Probanden und zwei Drittel der älteren einen hochfrequenten Ton hören können. Meist wurde er als lästig oder gar sehr lästig beschrieben. Leighton betont gegenüber Nau: «Ich sage nicht, dass eine Person darunter leidet. Aber es kann nicht so leicht ausgeschlossen werden, wie das die Industrie zu tun scheint.»
Ist Swisscom Beem nun gesundheitsgefährdend?
Auch sonst ist Professor Leighton mit Schlussfolgerungen zurückhaltend. Beweise auf die eine oder andere Seite gibt es oft nicht. «Symptome wie Übelkeit, Schwindel, Migräne, Müdigkeit, Tinnitus und ‹Druck in den Ohren› kann auf viele mögliche Ursachen zurückgeführt werden. Oder gar keine.»
Aber: «Die Behauptung, ‹Menschen können Ultraschall nicht hören› sollte vermieden und ersetzt werden mit ‹können Menschen durch Ultraschall beeinträchtigt werden?›» Zudem verweist Leighton in seinen Publikationen auch darauf, dass simple Lautstärkemessungen der Swisscom wenig tauglich sind. Es komme auf den Charakter des Tons an.
«Nur wenn ich es messe»
«Vogelgesang wird generell als angenehm empfunden.» Anders verhält es sich bei einem konstanten Ton mit der durchschnittlichen Frequenz von Vogelgesang und demselben Schalldruckpegel. «Das wird für die meisten Menschen schnell ärgerlich.» Der Gesundheitsminister lässt grüssen.
Zudem zieht Leighton die von Swisscom angegebenen 60 Dezibel Lautstärke der Hochfrequenztöne in Zweifel. Nicht, dass die Angabe, das entspreche einem normallauten Gespräch falsch wäre. Aber eben: Ein Gespräch ist nicht ein piepsender Lastwagen.
Aber 60 Dezibel – naja: «Ich vertraue keiner Lautstärke-Messung, die nicht von mir selbst gemacht wurde», sagt Leighton. «Oder von einem sehr guten Experten.» Diesbezüglich kann Swisscom entwarnen: «Die Lautstärke-Messung wurde von der EMPA, dem ETH-Forschungsinstitut für Materialwissenschaften und Technologie, amtlich bestätigt.»