Peking gibt bei Volkskongress wegen Corona-Krise erstmals kein Wachstumsziel aus
Wegen der Corona-Pandemie gibt die chinesische Regierung erstmals seit Jahren kein Wachstumsziel für die Wirtschaft aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Neues Sicherheitsgesetz für Hongkong vorgestellt.
Das Land stehe als Folge der Pandemie vor «enormen» ökonomischen Herausforderungen, erklärte Regierungschef Li Keqiang am Freitag zum Auftakt der Tagung des Nationalen Volkskongresses in Peking. Angesichts dieser «grossen Unsicherheit» werde sich Peking auf die Stabilisierung des Arbeitsmarkts konzentrieren. Li kündigte in seinem Regierungsbericht zudem ein neues Sicherheitsgesetz für Hongkong an, das dort für neue Unruhen sorgen dürfte.
Wegen der Corona-Pandemie war die Jahrestagung der 3000 Delegierten des Volkskongresses um zwei Monate verschoben und zudem von den üblichen zwei Wochen auf eine Woche verkürzt worden. Die meisten Delegierten in der Grossen Halle des Volkes trugen am Freitag Atemschutzmasken. Staatschef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang verzichteten jedoch darauf. Der Kampf gegen das Virus steht im Mittelpunkt der Tagung. Diese begann mit einer Schweigeminute zum Gedenken an die Todesopfer der Pandemie.
Chinas Wirtschaft war aufgrund der strikten Corona-Massnahmen im ersten Quartal um 6,8 Prozent geschrumpft, es war der erste Rückgang des Bruttoinlandsprodukts seit Jahrzehnten. Vor der Pandemie war damit gerechnet worden, dass Peking für dieses Jahr ein Wachstumsziel von sechs Prozent verkünden wird.
Stattdessen kündigte Li nun neue Schulden und zusätzliche Milliardenausgaben an, um gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu kämpfen. Geplant sind demnach neue Corona-Staatsanleihen in Höhe von einer Billion Yuan (128 Milliarden Euro).
Li stellte zudem den Entwurf für ein neues Sicherheitsgesetz für Hongkong vor. China wolle «das Rechtswesen und die Mechanismen zum Schutz der nationalen Sicherheit» in Hongkong stärken, sagte der Ministerpräsident. Durch das neue Gesetz soll nach Angaben der Führung in Peking die Umsetzung eines Hongkonger Verfassungsartikels gegen «Subversion» erreicht werden.
Das Gesetz soll demnach für die Umsetzung von Artikel 23 der Hongkonger Verfassung sorgen. Dieser sieht vor, dass die Sonderverwaltungszone mittels eigener Gesetze «Verrat, Spaltung, Aufwiegelung (und) Subversion» gegen die Regierung in Peking zu verhindern hat. Der Artikel wurde aber wegen Widerstands in der Hongkonger Bevölkerung nie angewendet. Die pekingtreue Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam kündigte am Freitag an, das Gesetz in vollem Umfang umzusetzen.
Anführer der pro-demokratischen Kräfte in Hongkong verurteilten das Vorhaben als Anschlag auf die Bürgerrechte in der Sonderverwaltungszone. «Dies ist das Ende von Hongkong», sagte der Oppositionsabgeordnete Dennis Kwok.
Auch aus Washington kam massive Kritik an dem Gesetzesvorhaben. US-Präsident Donald Trump drohte mit einer «starken» Reaktion seiner Regierung. Die Hongkonger Börse gab um mehr als fünf Prozent nach.
Der Finanzmetropole war bei ihrer Übergabe an China durch Grossbritannien im Jahr 1997 unter der offiziellen Devise «Ein Land, zwei Systeme» für 50 Jahre ein Sonderstatus gewährt worden, der Bürgerrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschliesst.
Im vergangenen Jahr hatte es in Hongkong über sieben Monate hinweg Massendemonstrationen gegen den wachsenden Einfluss Pekings auf die Sonderverwaltungszone gegeben. Bei diesen Protesten kam es es immer wieder zu gewalttätigen Konfrontationen zwischen Demonstranten und der Polizei.
Zu Beginn der Volkskongress-Tagung kündigte die Regierung in Peking auch an, dass trotz der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sowie des Handelskonflikts mit den USA der Verteidigungshaushalt im laufenden Jahr erneut deutlich steigen soll. Geplant ist demnach eine Steigerung um 6,6 Prozent.
Der Volkskongress ist das oberste gesetzgebende Organ Chinas. Zu seinen Tagungen reisen Delegierte aus dem ganzen Land an.