Nur 11,3 Prozent Beteiligung bei zweiter Runde der Parlamentswahl in Tunesien

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Tunisien,

Im zunehmend autoritär regierten Tunesien ist am Sonntag die zweite Runde der Parlamentswahl abgehalten worden.

Einsamer Wähler in einem Wahllokal in Tunis
Einsamer Wähler in einem Wahllokal in Tunis - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Grossteil der Oppositionsparteien hatte Wahl boykottiert.

Wie schon in der ersten Runde im Dezember war die Beteiligung nach vorläufigen Angaben der Wahlbehörde mit 11,3 Prozent erneut äusserst gering. 262 Kandidaten bewarben sich um die noch ausstehenden 131 Sitze im durch Präsident Kais Saïed weitgehend entmachteten Parlament. Ein Grossteil der Oppositionsparteien boykottierte die Wahl.

An der ersten Runde am 17. Dezember hatten lediglich 11,2 Prozent der rund 7,8 Millionen Stimmberechtigten teilgenommen. Es war die niedrigste Wahlbeteiligung seit der friedlichen, pro-demokratischen Revolution im Jahr 2011 in Tunesien, die den sogenannten Arabischen Frühling eingeläutet hatte.

Die geringe Beteiligung war keine Überraschung, die Volksvertretung hat seit einer von Präsident Saïed in einem umstrittenen Referendum durchgesetzten Verfassungsreform kaum noch Befugnisse. Die Abgeordneten können den Präsidenten nicht mehr absetzen, ein Misstrauensvotum gegen die Regierung ist praktisch unmöglich geworden.

Saïed setzte zudem ein neues Mehrheitswahlrecht mit zwei Wahlgängen durch, das die Rolle der politischen Parteien einschränkt. Um die Mandate bewarben sich – meist wenig bekannte – Einzelkandidaten und nicht Vertreter von Parteien.

Die Wahl wurde von den meisten Parteien boykottiert, unter anderem von der islamistisch geprägten Ennahdha, die das Parlament zehn Jahre lang dominiert hatte und als mit Saïed verfeindet gilt. Auch der mächtige Gewerkschaftsbund UGTT erklärte die Wahl für überflüssig.

Saïed war Ende 2019 gewählt worden. Im Jahr 2021 entmachtete er unter Berufung auf Notstandsgesetze die Regierung und das Parlament. Die Verfassungsänderung verleiht ihm deutlich mehr Macht.

Die umstrittene Wahl ist die letzte Etappe auf Saïeds Weg, das politische System nach seinen Vorstellungen zu ändern. Kritiker befürchten, Tunesien könnte zu einem autoritären Regierungssystem wie unter dem im Januar 2011 entmachteten langjährigen Staatschef Zine el-Abidine Ben Ali zurückkehren.

Auf den Strassen von Tunis spiegelte sich die Enttäuschung der Menschen mit dem System wider. «Ich werde nicht wählen gehen», sagte ein Schreiner der Nachrichtenagentur AFP. «Ich traue niemandem mehr».

«Ich werde auf keinen Fall wählen», sagte auch der 51-jährige Kellner Mohamed Abidi in einem Café in Tunis. «Saïed hört auf niemanden, um Lösungen für unsere Situation zu finden. Die ganze Wirtschaft leidet, aber er ist nicht interessiert, er will nur seinen Platz im Präsidentenpalast behalten.»

In der südwestlichen Stadt Kasserine sagte Mokhtar Hermasi, er erfülle seine «Wählerpflicht» trotz einer «langweiligen Kampagne». Der Leiter des Wahlbüros, in dem er seine Stimme abgegeben hat, sagt, dass sich vor allem ältere Menschen an der Wahl beteiligt hätten.

Laut ersten Angaben der Wahlbehörde waren nur für Prozent derjenigen, die ihre Stimme abgaben, unter 26 Jahre alt, zudem seien mehr als zwei Drittel männlich.

Für einen erheblichen Teil der tunesischen Bevölkerung hat sich der Lebensstandard in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert, die Inflation liegt bei über zehn Prozent. Tunesien leidet an einer Wirtschaftskrise, die sich durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg verschärft hat. Das nordafrikanische Land ist stark abhängig von Öl- und Getreide-Importen.

Die Rating-Agentur Moody's stufte Tunesien am Samstag auf die schlechteste Klasse Caa2 herab. Der Jurist und Politikexperte Hamadi Redissi bezeichnete die wirtschaftliche Lage als «dramatisch». Zusätzlich zu den steigenden Preisen komme es ständig zu Engpässen bei Gütern des Grundbedarfs, sagte er. Der Präsident aber mache «auf erbärmliche Weise 'Spekulanten', 'Verräter' und 'Saboteure' dafür verantwortlich».

Schätzungen zufolge haben mehr als 32.000 Tunesier im vergangenen Jahr versucht, auf irreguläre Weise nach Europa zu gelangen, um Armut und Arbeitslosigkeit zu entkommen.

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