Warum der Hunger kein Ende nimmt
«Kein Hunger bis 2030» ist eines der Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Doch trotz anhaltender Bemühungen geht der Hunger nicht zurück – weshalb?
Das Wichtigste in Kürze
- Kein Hunger bis 2030 ist eines der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen.
- Doch trotz anhaltender Bemühungen nimmt der Hunger seit 2014 kontinuierlich zu.
- Die Gründe sind vielfältig und komplex.
- Zu den Hauptursachen zählen Armut, die Klimawandelfolgen und jüngst die Coronapandemie.
Beim historischen Klimagipfel 2015 in Paris einigten sich die Regierungen darauf, bis zum Jahr 2030 den Hunger in der Welt zu besiegen. Damals wurde der Hunger noch als das grösste lösbare Problem der Welt angesehen.
Die neuen Zahlen zeichnen ein anderes Bild der Situation: Der Welthunger nimmt zu.
Mit dem Begriff «Welthunger» wird die Tatsache bezeichnet, dass ein Teil der Weltbevölkerung regelmässig unter chronischem Nahrungsmittelmangel leidet. Nachdem die Zahl der Hungernden seit dem Jahr 2000 kontinuierlich zurückgegangen war, steigt sie seit 2014 wieder.
Noch 2014 erreichte die Zahl laut dem Welternährungsbericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) mit 784 Millionen Menschen ihren niedrigsten Wert.
Sechs Jahre später beträgt die Anzahl hungernder Menschen 811 Millionen. Das sind fast zehn Prozent der Weltbevölkerung.
Der Bericht zeigt, dass Länder des Globalen Südens am schwersten von Hunger betroffen sind. Mehr als 90 Prozent aller unterernährten Menschen leben in diesen beiden Regionen – und hier vor allem südlich der Sahara und in Ost- und Südostasien.
Wie kann es sein, dass trotz langjährigen, globalen Einsatzes von Nichtregierungsorganisationen und Regierungen der Welthunger zunimmt? Die Gründe sind vielfältig.
Armut
Da die Mehrheit der hungernden Menschen in Entwicklungsländern lebe, sei weltweit die Hauptursache für Hunger die Armut, erklärt die Hilfsorganisation World Vision.
Denn wer arm ist, hat zu wenig Geld für Essen und kann seine Familie nicht versorgen.
Die Gründe für Armut wiederum sind komplex. Durch die ungleiche Verteilung von Einkommen und Ressourcen verfügen ärmere Menschen nicht über das Land oder die technischen Hilfsmittel, um genügend Nahrungsmittel anzubauen.
Auch können sie sich weniger gegen Naturkatastrophen schützen und deren Folgen ausgleichen.
Klimawandel
Steigende Temperaturen, ausbleibende oder zu starke Niederschläge wirken sich auf die landwirtschaftlichen Erträge aus. Extreme Wetterereignisse als Folge des Klimawandels können ganze Ernten vernichten und sich schwerwiegend auf die Ernährungssicherheit auswirken.
In Gebieten, in denen grosse Bevölkerungsteile allein von der Landwirtschaft abhängen, wirken sich Naturkatastrophen besonders katastrophal aus, da es keine alternativen Erwerbsquellen gibt.
Der Welternährungsbericht der FAO zeigt, dass vor allem in Ländern, die stark von der Landwirtschaft abhängig sind, viele unterernährte Menschen leben.
Kriege und Konflikte
Wo gewaltsame Konflikte herrschen, fliehen Menschen aus ihren Dörfern und müssen ihre Felder zurücklassen. Häufig verlieren sie ihr gesamtes Hab und Gut.
Politische Konflikte können zudem Transportwege und landwirtschaftliche Infrastruktur zerstören. Durch Krieg leidet auch der Handel, wodurch Nahrungsmittel rar und teuer werden.
Coronapandemie und Lockdown
Nach jüngsten UN-Schätzungen fallen bis zu 130 Millionen Menschen durch Corona in Hunger und Armut zurück.
Der Lockdown hatte insbesondere für Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, fatale Folgen. Von einem Tag auf den anderen verloren sie ihr Einkommen, lokale Märkte mussten schliessen, und Kleinbauern konnten ihre Felder nicht mehr bewirtschaften.
Der Preisindex der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zeigt, dass die Preise für Nahrungsmittel seit Ausbruch der Coronapandemie so stark gestiegen sind wie nie mehr seit 2010.
Kontinuierlicher Einsatz notwendig
Um den chronischen Nahrungsmangel effektiv bekämpfen zu können, müssen Regierungen, Nicht-Regierungsorganisationen und globale Verantwortungsträger in allen Bereichen zusammenarbeiten und neue Lösungen finden, fordert die Hilfsorganisation World Vision angesichts der drastischen Situation.
Um den Hunger unmittelbar zu bekämpfen, sind Nothilfemassnahmen wie das Verteilen von Essenspaketen oder -gutscheinen eine wirksames Mittel.
Langfristig helfen könnte eine nachhaltig bewirtschaftete Land- und Forstwirtschaft.
World Vision unterstützt Kleinbauern zum Beispiel mit der Anwendung der nachhaltigen Anbaumethode FMNR (Farmer Managed Natural Regeneration), bei der scheinbar ausgetrocknete Böden regeneriert und begrünt werden können. Die daraus wiederbegrünten Felder und aufgeforsteten Wälder erhöhen die Produktivität des Bodens und tragen zu dessen Widerstandsfähigkeit bei.
World Vision unterstützt Menschen dabei, sich ihren Lebensunterhalt in ihrem Zuhause zu erwirtschaften, um Flucht, wo immer möglich, zu vermeiden.
Schlussendlich müssen aber auch Industriestaaten ihr Verhalten anpassen, um mehr gegen den Hunger im Globalen Süden zu tun. Denn Treibhausgase und Klimawandel gehen hauptsächlich auf die Rechnung der Industrieländer.