Hunger tötet täglich mehr Menschen als Covid-19
Die Lebensmittelpreise erreichen den höchsten Stand seit einem Jahrzehnt und machen nahrhaftes Essen besonders für Menschen in ärmeren Ländern unerschwinglich.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Lebensmittelpreise erreichen einen Höchststand seit 10 Jahren.
- Die Auswirkungen der Coronapandemie sind ein entscheidender Faktor im Preisanstieg.
- Stark betroffen sind Länder, die bereits vorher an Ernährungsunsicherheit litten.
- Bis Ende 2022 könnten 250 Kinder pro Tag an Unterernährung sterben.
Das Ziel der Weltgemeinschaft war es, bis 2030 den Hunger besiegt zu haben. Davon sind wir derzeit weit entfernt. Infolge stark gestiegener Lebensmittelpreise sind nahrhaftes und gesundes Essen für viele Menschen unerschwinglich geworden.
Aus dem kürzlich publizierten Welthunger-Index 2021 geht hervor, dass aktuell 811 Millionen Menschen hungern und 41 Millionen kurz vor einer Hungersnot stehen.
Höchster Preisanstieg seit 2010
Gemäss dem Preisindex der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sind die Preise für Nahrungsmittel so stark gestiegen wie nie mehr seit 2010.
Besonders gravierend ist der Preisanstieg bei Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Zucker oder Milchprodukte. Mais, eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel der Welt, wurde innerhalb eines Jahres um fast 90 Prozent teurer.
Die Lebensmittelpreise sind je nach Region unterschiedlich stark gestiegen: Im Libanon betrug die Steigerung beispielsweise rund 48 %, in Uganda 21 %, in Mosambik 38,3 % und in Mali 16 %. Generell sind jene Länder besonders stark vom Preisanstieg betroffen, die bereits zuvor unter Nahrungsunsicherheit litten.
Die Gründe für den Preisanstieg und damit die akute Bedrohung durch eine Hungerkrise gehen auf verschiedene Faktoren zurück.
Pandemie, Konflikte und Klimawandel als Ursache
Die Auswirkungen des Lockdowns zur Eindämmung von Covid-19 hatten einen entscheidenden Einfluss auf die Preisentwicklung. Durch den Lockdown war die Verarbeitung, der Transport und der Verkauf von Nahrungsmitteln beeinträchtigt, weshalb der Preisdruck auf Lebensmittel zunahm.
Und während die Lebensmittelpreise stiegen, stieg auch die Arbeitslosigkeit. Pandemiebedingte Arbeitsplatzverluste und niedrigere Einkommen machten selbst Grundnahrungsmittel für ärmere Menschen unerschwinglich und zwangen Millionen Familien dazu, Mahlzeiten auszulassen.
Durch die Schulschliessungen mussten im Jahr 2020 zudem mehr als 370 Millionen Kinder weltweit auf lebenswichtige Schulmahlzeiten verzichten, berichtet das internationale Kinderhilfswerk World Vision im Bericht «Price Shocks».
Die Pandemie kam ausserdem zu einer Zeit, in der die Nahrungsmittelsysteme bereits durch Konflikte, Naturkatastrophen und den Klimawandel in vielen Teilen der Welt bedroht waren. Schon bevor Covid-19 ausbrach, waren 650 Millionen Menschen chronisch von Ernährungsunsicherheit betroffen.
Hunger tödlicher als die Coronapandemie
Das Zusammenfallen dieser gravierenden Ereignisse hat dazu geführt, dass inzwischen mehr Menschen an Hunger sterben als an Covid-19. Basierend auf Statistiken der Johns Hopkins University sterben schätzungsweise elf Menschen weltweit pro Minute an Hunger, während das Coronavirus sieben Menschen pro Minuten tötet.
Auch Kinder sind gefährdet. Bis Ende 2022 könnten als Folge der Ernährungsunsicherheit 250 Kinder täglich an Unterernährung sterben, warnte die Kinderhilfsorganisation World Vision anlässlich des Gipfels zu Ernährungssystemen (Food Systems Summit) bei den Vereinten Nationen im September.
Und nicht nur ihre Gesundheit und geistige Entwicklung leidet. Hinzu kommt, dass hungernde Familien oft gezwungen sind, zu verzweifelten Massnahmen zu greifen, um Essen auf den Tisch zu bringen. Dazu zählen Kinderheirat und Kinderarbeit.
Das Hilfswerk World Vision unterstützt deshalb jeweils vor Ort Menschen mit wichtigen Sofortmassnahmen. Dazu zählen die Verteilung von Lebensmitteln, Gutscheinen oder Bargeld zur Sicherung der Lebensgrundlagen, die Behandlung von unterernährten Kindern und psychosoziale Hilfe.
Diese Hilfe ist dringend nötig, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern.