Schätzungen gehen davon aus, dass durch den Shutdown bis zu 85 Millionen mehr Kinder Gewalt zuhause ausgesetzt sind.
Ein Mädchen aus Bangladesh
Weltweit nimmt die Gewalt gegen Kinder aufgrund der Corona-Massnahmen zu. - Worldvision

Das Wichtigste in Kürze

  • Seit Beginn der Corona-Krise nimmt die Gewalt an Kindern zu.
  • Rund 85 Millionen mehr Mädchen und Jungen erleiden laut Experten Gewalt zu Hause.
  • Nur wenn jetzt Massnahmen ergriffen werden, können Langzeitfolgen verhindert werden.
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Diffuse Ängste und ein Gefühl von Ohnmacht, gepaart mit dem Zusammenleben auf engstem Raum und finanzielle Not aufgrund der Coronakrise bieten einen gefährlichen Nährboden für häusliche Gewalt. Experten aus der Schweiz rechneten deshalb bereits zu Beginn der Krise mit einer Zunahme der Gewalt an Kindern und bereiteten sich entsprechend vor. Und tatsächlich vermeldete das Sorgentelefon für Kinder und Jugendliche eine Zunahme an Hilferufen.

Zugleich herrscht eine grosse Ungewissheit über das tatsächliche Ausmass der Gewalt. Denn vor dem Shutdown wurden viele Verdachtsmeldungen über Schulen oder Sozialeinrichtungen an die Schweizer Fachstellen geleitet – während des Lockdowns entfällt diese Möglichkeit.

Es wird deshalb vermutet, dass während der Corona-Krise vieles im Anonymen der eigenen vier Wände stattfand. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) erwartet, dass die Tragödien erst in der kommenden Zeit mit der Wiederaufnahme des Schulunterrichts zum Vorschein kommen werden.

Kind vor einem Vorhang
Auch in der Schweiz sind die Kinder während der Corona-Krise vermehrt von Gewalt betroffen. - Keystone

Im benachbarten Ausland, wo Kinder aufgrund des kompletten Lockdowns die Wohnung wochenlang nicht mehr verlassen durften, zeichnete sich bereits während der Krise ein massiver Anstieg der Gewalt an Kindern ab.

In Frankreich berichten Fachstellen von 60 Prozent mehr Anrufen beim Kinder-Nottelefon. Auch italienische Medien berichten von vermehrter häuslicher Gewalt, unter der die Schwächsten am meisten leiden.

Gewalt trifft Kinder weltweit

Obwohl für Kinder die Gefahr an Covid-19 zu erkranken geringer ist, treffen sie die indirekten Auswirkungen der Krise am stärksten. Die Zahlen sind alarmierend. Die internationale Kinderhilfsorganisation World Vision geht laut einer aktuellen Studie davon aus, dass aufgrund der Quarantäne-Massnahmen weltweit 85 Millionen mehr Mädchen und Jungen physischer, emotionaler und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt sind.

«Leider ist das Zuhause nicht für alle Kinder ein sicherer Ort, und durch Kontaktsperren sind viele Familienmitglieder mit gewalttätigen Menschen isoliert. Schulen und soziale Einrichtungen können betroffene Kinder nicht so schützen und unterstützen wie sie es sonst tun», sagt Dana Buzducea, Advocacy-Direktorin der Organisation World Vision International.

Kinder in Entwicklungsländern besonders betroffen

Besondere Not entsteht in Entwicklungsländern mit schwachen Sozialsystemen. Der ökonomische Verlust aufgrund des Lockdowns ist ein weiterer Gefahrenherd für Kinder. Ärmere Familien sind oft dazu genötigt, andere Einkommensquellen zu suchen. Erfahrungen aus anderen Krisen zeigen, dass Jungen dann meist gezwungen werden, Arbeit zu suchen, statt in die Schule zu gehen. Mädchen droht insbesondere die Gefahr sexueller Ausbeutung und Kinderheirat.

Trauriges Mädchen in Bangladesh
Während der Krise kämpfen viele Familien ums Überleben. Mädchen werden deshalb im jungen Alter verheiratet. - Worldvision

Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) prognostiziert infolge der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise 13 Millionen mehr Kinderhochzeiten. Vier Millionen Mädchen sollen allein in den nächsten zwei Jahren verheiratet werden.

Negative Effekte auf Jahre hinaus spürbar

Die Kinderhilfsorganisation World Vision warnt eindringlich vor einer Verschlimmerung der Situation für die Kinder, wenn nicht sofort gehandelt wird:

«Wenn wir die Gewalt nicht beenden und damit sowohl die persönlichen Lebenschancen dieser Kinder als auch wichtige Fortschritte ihrer Gesellschaften auf dem Weg zu einer friedlicheren und nachhaltigeren Zukunft schützen, werden die Nachbeben noch unter den kommenden Generationen zu spüren sein», befürchtet Christoph von Toggenburg, CEO von World Vision Schweiz.

Ein Mädchen in Bangladesh spielt am Boden
Die Corona-Krise hat weitreichende Auswirkungen: Wegen der Krise verbringen Kabita und ihre Familie ihre Tage oft mit Hunger. - Worldvision

Konkrete Hilfe und Beratung finden Kinder und Jugendliche in der Schweiz unter der Telefonnummer 147 und auf der Webseite www.147.ch.

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